Die FDP und die Schutzgüter der „freiheitlich-demokratischen Grundordnung“.

Kommentar zum taz Atikel 14.05.2010 Die Ampel zeigt Rot

Ich halte mich bzgl. der Frage,wer inwieweit Verfassungsgegner ist, an das Bundesverfassungsschutzgesetz. Dieses stuft ausschließlich aktive Bestrebungen als „verfassungsfeindlich“ ein, und zwar solche, die aktiv gegen eines oder mehrere der Schutzgüter von §3 BVerfSchG oder §4 BVerfSchG gerichtet sind. Besonders hervorzuheben unter diesen Schutzgütern ist dabei die sog. „freiheitlich-demokratische Grundordnung“. Diese ist in Art. 18 GG verankert und wurde vom Bundesverfassungsgericht in Leitsatz 2 des Urteils unter BVerfGE 2,1 definiert und inhaltsgleich so später in §4 Abs. 2 BVerfSchG übernommen.

Die Mehrheit der Linkspartei ist heute für einen demokratischen Sozialismus, also nicht mehr für die Diktatur des Proletariats. Letztere würde den Anforderungen der freiheitlich-demokratischen Grundordnung bzgl. Wahlrecht und Verantwortlichkeit der Regierung nicht genügen. Außerdem würde jegliche Art der Diktatur die Gefahr einer Willkürherrschaft und der Verletzung von Menschenrechten des GG mit sich bringen, was ebenfalls beides nach der freiheitlich-demokratischen Grundordnung untersagt ist. Aktive Bestrebungen zur Errichtung einer Diktatur des Proletariats wären verfassungsfeindlich und müssten daher vom Bundesverfassungsschutz beobachtet werden.

Nun aber zur FDP. Diese scheint, wie einige andere Parteien in Deutschland auch, ein gewisses Maß an Unbewußtheit dem gegenüber zu haben, dass das Willkürverbot auch im Sinne einer staatlichen Verpflichtung gemeint ist, sich nicht nur selbst der Willkür zu enthalten, sondern auch den Bürger vor Willkür zu schützen. Die FDP hat dem Lissabonvertrag zugestimmt. Obwohl ihr nachweislich aufgefallen war, dass Art. 222 AEUV (Solidaritätsklausel) Armeeeinsätze im Inneren erlauben würde anknüpfend an unbestimmte Rechtsbegriffe wie „vom Menschen verursachte Katastrophen“. Auch das ist eine Gefahr bzgl. Willkür und Menschenrechten. Und es war ein aktives Zustimmen zu einem Zustimmungsgesetz zu einem internationalen Vertrag, nicht bloss ein Versprechen in einem Wahlprogramm.

Die größte Gefahr bzgl. der freiheitlich-demokratischen Grundordnung, welche auch mit Bestrebungen innerhalb der FDP verbunden ist, von welchen die Mehrheit der Mitglieder der FDP vermutlich bis heute kaum etwas mitbekommen hat, ist das Ausmaß von „privat vor Staat“.

Das geht soweit, dass der Staat die Kontrolle über seine hoheitlichen Aufgaben zu verlieren droht – bis hin zur Staatsauflösung und de-facto Konzernaristokratie. Genau das , was über IWF-Strukturanpassungsmaßnahmen vielen Staaten auf- gezwungen wurde, sodass man diese heute als „zerfallende Staaten“, als potentielle Kandidaten für Militärmissonen (vgl. hierzu auch Art. 42 EUV i. V. m. EU-Sicherheitsstrategie) handelt.

Der dickste Klopps, den sich die FDP hier geleistet, und insoweit auch CDU, CSU, SPD und Grüne, ist, dem Lissabonvertrag zugestimmt zu haben, obwohl in Art. 2 von Protokoll 26 zum Lissabonvertrag steht, dass die EU-Mitgliedsstaaten grundsätzlich selbst die steuerfinanzierten staatlichen Aufgaben („nicht-wirtschaftliche Dienste von allgemeinem Interesse“) grundsätzlich vergeben, also nicht mehr selbst ausführen, sondern von anderen (privaten) ausführen lassen sollen. Und dazu gehören auch alle hoheitlichen Aufgaben (vgl. Mitteilung der EU-Kommission zu Az. KOM (2007) 725) bis auf wahrscheinlich die in Art. 4 EUV genannten Ausnahmen.
Gerade die von der FDP in NRW als Verfassungsgegner gescholtene Linkspartei hat solchen Vorschriften nicht zugestimmt.

Aber es sind nicht nur Wahlkampfsprüche und das möglicherweise blinde Zustimmen zu internationalen Verträgen.

Der Koalitionsvertrag „Wachstum Bildung Zusammenhalt“ von CDU, CSU und FDP auf Bundesebene will ausdrücklich an privat vergeben, was Private deutlich billiger können (Z. 584-591). Außerdem will man die Gerichtsvollzieher an privat vergeben und eine Bundesstraßenbaubehörde mit Kapitalmarktfähigkeit, also mit Privatisierungsoption. Dann würden Private über den Autobahnbau bestimmen.

Außerhalb des Koalitionsvertrags strebt schwarz-gelb ganz praktisch die Privatisierung des Eisenbahnbundesamtes an.
Mindestens drei Gefängnisse (Hünfeld, Ratingen, Offenburg) hat schwarz-gelb schon privatisiert und auch die Bewährungshelfer in Baden-Württemberg, wo noch Verfassungsklagen anhängig sind.

Wenn man massenhaft hoheitliche Aufgaben an privat vergibt, dann verliert der Staat (in Gestalt der gewählten Organe Parlament und Regierung) die Kontrolle, ob diese noch nach Recht und Gesetz ausgeübt werden.

Das ist insbesondere gegen das Willkürverbot der freiheitlich-demokratischen Grundordnung, aber auch gegen die Verantwortlichkeit der Regierung vor dem Parlament und des Parlamentes vor den Bürgern.
Das Willkürverbot wird dadurch ähnlich gefährdet wie bei einer Diktatur des Proletariats, weil man als Bürger durch den Wahlakt die Konzerne aus den Amtsstuben nicht abwählen könnte, ebensowenig wie eine Einheitspartei in einer kommunistischen Diktatur.

Zumindest scheint die FDP ehrlicher zu sein als manch andere Lissabonpartei. Bei der Beantwortung der Wahlprüfsteine des dbb-NRW zur Landtagswahl 2010 hat die FDP gesagt, dass sie sich PPP-Projekte im öffentlichen Dienst vorstellen könne.

Heute morgen (14.05.2010) haben die Grünen laut Deutschlandfunk sich vom FDP-Slogan „privat vor Staat“ distanziert. Wir sollten ihnen auf den Zahn fühlen, wie die Grünen heute zur Privatisierung hoheitlicher Aufgaben stehen. Am 27.10.2006 hatten sie sich in der Pressemitteilung „grüne Marktwirtschaft“ kaum weniger privatisierungseuphorisch gezeigt als die FDP.

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