Haaretz Verlag: Selbstzensur ist grösste Bedrohung für die Pressefreiheit
Amos Schocken erzählt auf der Konferenz, die von der französischen Botschaft in Israel in Zusammenarbeit mit Haaretz gesponsert wurde, dass viele Journalisten über die Entfremdung zu ihren Lesern beunruhigt sind.
Der Verleger Amos Schocken des Haaretz, einer liberalen Zeitung in Israel, warnte Montag, den 31.Mai, dass die Selbstzensur in den israelischen Medien die grösste Bedrohung für die Freiheit der Presse darstellt.
Schocken sprach auf einer Podiumsdiskussion über die Pressefreiheit als Teil der „Demokratie und ihre Herausforderungen“, die im Rahmen einer Konferenz, die von der französischen Botschaft in Israel in Zusammenarbeit mit Haaretz gesponsert wurde und erklärte, dass viele Journalisten sich scheuen, kontrovers zu berichten, aus Angst, ihre Leser zu befremden. Der Verleger berichtete über seine Erfahrungen mit den Lesern des Haaretz, die über die Berichterstattung über die Palästinenser in seiner eigenen Zeitung aufgebracht waren.
„Lasst uns über eine andere Art von Zensur sprechen. Selbstzensur, die sich aus der Tatsache ergibt, dass die Medien ihre Leserschaft nicht verärgern wollen.
Ich beziehe mich dabei auf die Antworten, die ich in Bezug auf Haaretz-Artikel über die Situation der Palästinenser erhalte. In Zeiten der Ruhe gibt es keine Rückmeldungen. Aber in turbulenten Zeiten schicken sie E-mails, kopieren sie und senden sie an alle Freunde und drohen, ihre Abonnements zu stoppen, weil es ihnen unmöglich ist, Gideon Levy und Amira Hass in unserem Blatt zu lesen. Und die Zeitung muss sich fragen, ob sie das abfangen will.“
sagte Schocken.
„Es ist kein Zufall, dass es in einem Land wie unserem zwei, drei Journalisten gibt, die den Schwerpunkt ihrer Berichterstattung in dem Thema der Palästinenser sehen. Es gibt Journalisten, für die es ebenso wichtig ist, schwerpunktmässig über die Palästinenser zu berichten wie über Sport, Prominente oder Film. Und jedes Mal sehe ich, wie schwer sich die israelische Gesellschaft tut, dies zu akzeptieren.“
Gideon Levy und Amira Hass sind mit ihren Gastbeiträgen neben Uri Avnery gern gesehene Gäste auf Radio Utopie, wie Stammleser längst wissen und werden durch diese Veröffentlichungen, die in den meisten Fällen durch Ellen Rohlfs in die deutsche Sprache übersetzt wurden, so mit der Verbreitung ihrer Texte unterstützt, um sie auch ausserhalb ihres Landes bekannt zu machen.
Der tödliche Konflikt zwischen der israelischen Regierung und den Palästinensern ist keine regionale Angelegenheit sondern erfordert alle demokratischen Kräfte, diesen zu lösen. Bundeskanzlerin Angela Merkel unterstützt mit ihrer Haltung zu dem Recht Israels, sich selbst zu verteidigen, die weitere israelische Besiedelung des Westjordanlandes, die Verdrängung der Palästinenser aus Ost-Jerusalem und die Blockade des Gazastreifens sowie mit der direkten praktischen Unterstützung, die in gelieferte Militärtechnik wie U-Boote gipfelte, die mit nuklearen Sprengköpfen bestückt werden können und die zur Zeit vor der iranischen Küste tauchen sollen. Damit zündelt die deutsche Regierung weiter – die Situation zum Iran wird verschärft. Wie sicher sich die israelische Regierung mit ihren starken Verbündeten fühlt, wurde mit dem Überfall auf „Free Gaza“ deutlich.
Zum Thema Presse in Deutschland wäre zu sagen, dass die Welt seit einer Woche die schlimmste unmenschlichste Berichterstattung zu dem Überfall auf die humanitäre Flottille „Free Gaza“ veröffentlicht hat, so als würde der israelische Innenminister die Redaktionsleitung persönlich unter seine Aufsicht genommen haben. Einige Berichte sind ein Fall für den Presserat wegen mangelnder Ethik und Respekt vor dem Leben.
Schon merkwürdig, verkehrte Welt:
In Deutschland brechen den etablierten Medien in Scharen die Abonnementen weg, weil sie nicht wahrheitsgemäss über alles berichten wollen und der Regierung zu Diensten sind.
In Israel brechen den etablierten Medien in Scharen die Abonnementen weg, wenn sie wahrheitsgemäss über alles berichten wollen und der Regierung nicht zu Diensten sind.
Welch grossen Erfolg doch E-mail-Aktionen an die Redakteure haben können, um diese bei der Auswahl ihrer Themen zu beeinflussen – vorausgesetzt, der Verleger des Haaretz versucht nicht, für eine mangelnde Berichterstattung seiner Zeitung allein das Verhalten seiner Leser verantwortlich zu machen.
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