Der Teufel ist tot

Ein verspäteter Kommentar zum Tod von Fritz Teufel

Es gibt eine Menge Kommentare, die man in der Informationsindustrie des Jahres 2010 nun zum Tode von Fritz Teufel lesen kann. Eines eint alle Autoren: sie haben ordentlich Moneten.

In der Berliner Republik – die sich keinen Geist mehr leisten kann, weil sie sonst augenblicklich zu einem Kreis von 82 Millionen verwirrten Menschen kollabieren würde, der sich murmelnd rund um ein großes Handbuch schart – gibt es nur noch wenige wie ihn.

Nina Hagen muss man da nennen. Man muss es. Von Klaus Kinski träumt man immer noch und wie es wohl ausgehen würde, wenn man ihn mit ein paar personellen Autopiloten der Prominenz, die dieses völlig verblödetes Volk ausplündern und sich dafür feiern lassen, für 15 Minuten in einen Fahrstuhl sperren würde.

Wäs wäre in der Republik anders gelaufen, wäre Rudi Dutschke 1979 nicht an den Folgen des Attentats auf ihn gestorben und hätte in der damaligen westdeutschen Partei „Die Grünen“ weiter Politik gemacht? Oder erinnert sich noch jemand an Wolfgang Neuss?

Es gibt so vieles, was in diesem Land fehlt, dass man gar nicht anfangen möchte aufzuzählen. Doch der geistig-kulturelle Humus, auf denen solche Pflanzen wachsen können, wo sollte der wohl sein?

Sicher werden jetzt wieder einige mit der ganzen Geschichte von Stadtguerilla und Terrorismus anfangen. Mit was anderem können sie ja gar nicht mehr anfangen, was bleibt ihnen auch anderes übrig. Denn ohne diese Geschichte würde ja jeder über so etwas wie ein ganz normales Gemeinwesen reden, mit einer ganz normalen Republik, mit einer ganz normalen Sprache und Kultur, mit Ausbruch aus autoritären und menschenfeindlichen Konventionen, Rebellionen gegen das deutsche Obergesetz (die Gewohnheit) und  so etwas wie lebendigen Menschen, die man sieht.

Stattdessen heisst es heute: ich sehe abgeschmackte Hirnleichen des Wohlstands, ich höre ihr blödes Gefasel, ich sehe ihre teuren Klamotten und höre wie sie von ihrer Arbeit und ihrem Leben erzählen, das sie hassen, aber mit dessen Privilegien sie angeben.

Wenn sich kein Heuchler, Berufsbetrüger und Ausbeuter mehr über irgendwelchen gefährlichen, gefährlichen, gefääährlichen Gefahren auslassen könnte, vor der man die Herde behüten müsse, damit sie jeden Tag schön brav zu ihren verhassten Jobs ins Gatter trabt, ja wo sollte das denn enden? Könnte ja jeder kommen und leben wollen. Also so nicht, ja?!

Es ist ein Muss für jeden Halsabschneider, den Menschen schlecht zu machen. Denn mit guten Menschen das zu veranstalten, was hier jeden Tag abläuft, das wäre ja ein Verbrechen. Ergo ist der Mensch schlecht und kriegt das, was er verdient. „Jedem das Seine“. Ist doch klar.

Eine gesellschaftliche Entwicklung, die nicht geradewegs ins Loch führt und nicht aus lauter Hohnepiepelei, Betrug und Fremdbestimmung besteht, das war einst das Ziel einer ganzen Generation im kapitalistischen Machtbereich, die in Amerika und Westeuropa auf einmal anders lebte und auch so auf die Strasse ging. Heute wäre so eine Entwicklung das Aus für die ganze Mischpoke von sogenannten Alt-68ern, die – irgendwann eingekauft und assimiliert – heute den allerbesten Blockwart gegen neue Versuche eines gesellschaftlichen Aufbruchs ohne Kontrolle von oben darstellen.

Denn nur darum geht es noch, in dieser Gesellschaft: irgendwie die Kontrolle aufrecht zu erhalten.

Der feudalen Oberschicht praktiziert arbeitslose Wertabschöpfung und Geldvermehrung. Ihr geht es nur und ausschliesslich darum, feudale Oberschicht zu bleiben. Was für Gequatsche man dazu auch braucht, ob Bestechung, Betrug, oder Manipulation, völlig schnuppe, einfach alles was notwendig ist. Die Bürokraten, Diener und Sekretäre, die sich der Staat und seine Staatsparteien aufgebläht hat, haben alle Angst als das was sie sind aufzufliegen, nämlich korrupt und überflüssig. Sie kontrollieren ängstlich ihre Hierarchien und bestrafen regelmäßig ihre Untergebenen, einfach so, nur um die Sache mal klarzustellen. Die mittleren privilegierten Stände der Besitzenden kontrollieren den Mittelbau der Gesellschaft, arbeiten als Hofboten (ehemals „Journalisten“), Auguren (Wirtschaftswissenschaftsinstitut-Fuzzis, „Think Tanks“, irgendeine Beraterkolonne oder verschiedenste Sorten von Akademikern), oder als ausführender Diener / Dienstleister in irgendeiner Konzern oder Industriehierarchie, die versucht ihre Profite zu behalten.

Die Arbeitenden und Produzierenden versuchen derweil einfach nur noch sich selbst zu kontrollieren und lernen das auch den lieben langen Tag. Überall bringt man es ihnen bei, noch vor allem anderen:

„Schnauze halten, weiter machen. Pass Dich an, sonst fliegst Du raus“

Das ist zum Mantra einer ganzen Gesellschaft geworden, die zu einer einzigen Werbepause geronnen ist, die vor sich selbst wegrennt und mit Konsum-Bananen und fiktiven Kuriositäten handelt. Jeden Dreck kriegt man nicht hinterher geworfen, sondern mitten ins Gesicht, wenn man nur auf die mit Schwachsinn zugepflasterten Straßen geht. Auf dem Einheitsbildschirm der TV-Industrie bieten sich arme Schauspielnutten und Künstler feil, zur Unterhaltung der drögen Massen. Einer Jugend, deren Geschenk es ist noch nicht total versaut zu sein wie die großen Kinder, wird jeder Müll feilgeboten, der sie nur irgendwie davon ablenkt, was um sie herum wirklich passiert. Helden und Heldinnen hängen an den Wänden und sind dennoch weit weg, so weit weg, das die ewig nachsprießenden neuen Menschen nie hinter den künstlichen Vorhang schauen können, der ab und zu aufgeht, dröhnend-donnernd Rauch spuckt, sie ständig in Bewegung hält, ständig nach Beifall verlangt und sie niemals zur Ruhe oder zum Nachdenken kommen läßt.

Wenn überhaupt noch irgendjemand sagt, was er wirklich denkt, dann ist das hier in Deutschland immer noch (und immer wieder) die Ausnahme.

Nur noch eine Bemerkung. Fritz Teufel saß tatsächlich fünf Jahre unschuldig im Knast. Damals nannte man das (noch) nicht Antiterrorismus á la Guantanamo, sondern „Untersuchungshaft“. All die Zeit über hatte er ein wasserdichtes Alibi, welches er aber nicht angab. Dann bekam er endlich ein Gerichtsverfahren. Er musste  freigelassen werden. Anschliessend bemerkte er dazu, bildlich gesprochen, „Hey, was wollt ihr, ihr hättet mich doch sowieso eingesperrt“.

Es war so lebendig, was der Mann machte. Es war einfach so lebendig, was der Fritz Teufel da machte. Ein Schlitzohr, wie es heute fehlt. Eine Macht aus Spass, die sich nicht ergeben wollte.

Als Fritz Teufel 2001 den Wolfgang-Neuss-Preis für Zivilcourage entgegen nahm, sprach er:

„Dank gilt meinen ungeborenen, ungezeugten Kindern, die mir ein Leben in Luxus und Freude ermöglichen“

Man stelle sich nun einmal ein Land vor, in dem selbst der Teufel Kinder haben möchte.

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