Hamid Karsais Aufstand, Petraeus Meuterei, Robert Gates Flucht, Gipfel in Sotschi

Der afghanische Prokonsul Hamid Karsai befiehlt den Söldnertruppen der eigenen Besatzungsmächte bis Ende des Jahres das Land zu verlassen. Der zum Afghanistan-Kommandeur degradierte ehemalige Leiter des Zentralkommandos David Petraeus widersetzt sich eindeutigen Anordnungen der zivilen Regierung  und gibt weiter pressewirksame Interviews. Der US-Verteidigungsminister Robert Gates zieht daraufhin ein fünf Wochen altes Interview aus der Tasche und kündigt seinen Rücktritt in 2011 an. Und morgen treffen sich die Staatschefs von Russland, Tadschikistan und Pakistan mit Karsai im südrussischen Sotschi.

Derweil werden Meldungen aus und über Afghanistan in der Informationsindustrie immer bizarrer und wirken zunehmend so, als würde ein realer Krieg im Land und einer über die Medien geführt.

Am 7.August prangerte der afghanische Präsident im Afghan Civil Service Institute in Kabul die Unerträglichkeit der Schattenarmeen in seinem Land an und machte die Söldnertruppen der alliierten Streitkräfte dafür verantwortlich, dass in seinem Land kein Frieden einkehren wird, solange diese unkontrolliert im Verborgenen ohne jegliche Kontrolle ihr Unwesen treiben (Karsai: Söldner-Truppen in Afghanistan unerträglich).

Neun Tage später gibt die Regierung in Kabul bekannt, dass sie den Worten des afghanischen Präsidenten Taten folgen lassen wird. Die Söldnertruppen der Ausländer fliegen per Dekret aus dem Land. Vier Monate haben sie Zeit, dass Land zu verlassen. (1) Ab 1.Januar 2011 wäre ihre Anwesenheit illegal und der Spiess wird umgedreht, sie dürften theoretisch ab diesem Zeitpunkt, wenn es hart auf hart geht, als Terroristen eingestuft werden.

US-General David Petraeus zeigte sich öffentlich genau wie andere Beamte der NATO überrascht über diese Ankündigung, man hätte bisher mit der afghanischen Regierung nur über die Übergabe der Sicherheit des Landes verhandelt sowie über rechtliche Massnahmen.

Dabei hatte Petraeus mit einem am 15.August in NBC‘s „Meet the Press“ veröffentlichten Interview kräftig Öl ins Feuer gegossen und sich gegen den Beginn des Truppenabzuges der ISAF im nächsten Jahr ausgesprochen und sich so scheinbar gegen die Strategie des US-Präsidenten gestellt. Sogar Osama Bin Laden will er noch im pakistanisch-afghanischen Grenzgebiet wissen. (3), (4)

Petraeus als kühl kalkulierender Militär müsste theoretisch das Beispiel seines Untergebenen McChrystal im Kopf haben, als dieser im vergangenen Jahr mit seinen Forderungen nach mehr Truppen an die Presse ging und nicht die Entscheidungen zur neuen Strategie des US-Präsidenten abwartete.

Artikel wie die vom Rolling Stone mit einem „frechen“ McChrystal scheinen inzwischen Mode geworden zu sein, um Personalfragen der US-Regierung zu klären (The runaway General McChrystals erstklassiger Genickschuss ins eigene Nirwana).

Das Weisse Haus lässt den General ohne Disziplinarmassnahmen vorpreschen, obwohl Gates angeordnet hatte, Interviews zu vermeiden und mit ihm abzusprechen und widerspricht ebenfalls auf dem gleichen Weg dem Oberkommandierenden in den Medien. Hier wird eine Schmierenkomödie aufgeführt und jeder lügt was das Zeug hält. Wenn das Gegenteil der Fall sein sollte, gibt es keine Führung im Weissen Haus mehr.

Robert Gates zieht nun auch ein am 12.Juli gemütlich geführtes, mehrere Seiten langes Interview mit Foreign Policy aus der Tasche und liess es am 16.August veröffentlichen, in dem er seinen Rückzug als US-Verteidigungsminister in der Zeitspanne Anfang bis Ende nächsten Jahres ankündigt als wäre das etwas vollkommen Normales und das wäre schon immer klar gewesen, als er dem Ruf Obamas nach Weiterführung des Amtes gefolgt sei. Er hätte die Leitung des Pentagons vor einem Jahr übernommen mit der Einschränkung, nicht bis zur nächsten Präsidentschaftswahl über die gesamte Legislaturperiode zu führen. (5) Über einen möglichen Nachfolger Robert Gates wurde nichts bekannt gegeben, nur das dieser genügend Einarbeitungszeit eingeräumt bekommen wird.

Im Dezember 2010 soll eine neue Lagebesprechung über die Strategie des Weissen Hauses im Oval Office durchgeführt werden. Über die Kandahar- Offensive spricht zum Glück auch niemand mehr.

Morgen, am 18.August kommt es zu einem Gipfeltreffen der vier Staatschefs Russlands, Tadschikistans, Afghanistans und Pakistans in Sotschi.

Dmitri Medwedew, Hamid Karsai, Asif Ali Zardari und Emomali Rachmon werden sich zusammensetzen und über das weitere Vorgehen in der Region ihre Gegenstrategie zu einer Machtverschiebung entwickeln. (6)

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Quellen:
(1) http://online.wsj.com/article/SB10001424052748703908704575433631122712748.html
(2) http://www.nzz.ch/nachrichten/international/abzugstermin_afghanistan_1.7232913.html
(3) http://www.msnbc.msn.com/id/38686033/ns/meet_the_press-transcripts
(4) http://sify.com/news/Capturing-bin-Laden-still-priority-Pet-news–kipxucaigcg.html?ref=content_widget_news
(5) http://www.foreignpolicy.com/articles/2010/08/13/robert_gates?page=0,0
(6) http://www.stern.de/news2/aktuell/karsai-und-zardari-am-mittwoch-zu-sicherheitsgipfel-in-russland-1593720.html

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