Innenminister Karl Peter Bruch (SPD) sagte heute im Anschluss an die Ministerratssitzung, in der die Landesregierung den Entwurf zur Novellierung des Polizei- und Ordnungsbehördengesetztes (POG) nach Abschluss der Abstimmung innerhalb der Landesregierung und mit externen Stellen (u.a. Polizeigewerkschaften, kommunale Spitzenverbände, Landesdatenschutzbeauftragter) in zweiter Lesung beschlossen hatte:
„Der Polizei müssen in Zeiten neuer Gefahrenlagen, zum Beispiel durch den internationalen Terrorismus und die organisierte Kriminalität, vor allem aber wegen der zunehmenden Nutzung moderner Informations- und Kommunikationstechniken neue Kompetenzen eingeräumt werden.
Der Gesetzesentwurf stellt eine ausgewogene Balance zwischen den Freiheitsrechten Aller und dem Sicherheitsauftrag des Staates zum Schutz der Bürgerinnen und Bürger dar.“
Der Gesetzentwurf werde nun dem Parlament zugeleitet. so Bruch.
Schwerpunkte:
1. Bisher ließ das POG ausschließlich bei Vorliegen einer engen sozialen Beziehung Aufenthalts-, Kontakt- und Näherungsverbote dann zu, wenn einer Person Gewalt drohte. Zukünftig stehen diese Befugnisse der Polizei zur weiteren Verbesserung des Schutzes der Bevölkerung in so genannten Stalking-Fällen bei entsprechenden Gefahrenlagen auch dann zu, wenn keine enge soziale Beziehung zwischen Opfer und Täter besteht.
2. Die bisher im POG enthaltene Ermächtigung zum automatisierten Kfz-Kennzeichenabgleich wird aufgehoben.
3. Die Öffentlichkeitsfahndung zum Zwecke der Ermittlung der Identität oder des Aufenthaltes einer Person wird auch in den Fällen zugelassen, in denen von einer Person eine Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit anderer Personen ausgeht. Bisher ist die Öffentlichkeitsfahndung nach dem POG lediglich zur Abwehr einer Gefahr zulässig, die der Person, nach der gefahndet wird, selbst droht.
4. Die bisherigen Befugnisse der Polizei im Rahmen der Telekommunikationsüberwachung werden um die so genannte Quellen-Telekommunikationsüberwachung ergänzt. Durch diese Befugnis kann zukünftig verschlüsselte Internettelefonie überwacht werden. Diese Maßnahme setzt grundsätzlich eine richterliche Anordnung voraus.
5. Die Polizei wird zur Unterbrechung oder Verhinderung der Telekommunikation ermächtigt, um dadurch in besonderen Gefahrenlagen besonders wichtige Rechtsgüter wie Leib und Leben oder Freiheit einer Person effektiv schützen zu können. Wie zum Beispiel bei den Anschlägen in Madrid 2004, bei denen Bomben ferngesteuert über ein Mobilfunkgerät gezündet wurden. Diese Maßnahme setzt grundsätzlich eine richterliche Anordnung voraus.
6. Die Ermächtigung zur Rasterfahndung wird neu gefasst und damit den Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts vom April 2006 Rechnung getragen. Das Gericht hatte zum nordrhein-westfälischen Polizeigesetz entschieden, dass die Rasterfahndung nicht bereits im Vorfeld einer konkreten Gefahr zulässig sei. Mit der Änderung des POG wird klargestellt, dass die Rasterfahndung künftig nur zur Abwehr einer Gefahr für den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder Landes oder für Leib, Leben oder Freiheit einer Person zulässig ist.
7. Das POG sieht im Hinblick auf zeugnisverweigerungsberechtigte Berufsgeheimnisträger weitergehenden Schutz als das BKA-Gesetz vor. Während im BKA-Gesetz nur Geistliche, Strafverteidiger und Abgeordnete die Auskunft bei polizeilichen Befragungen zur Abwehr von Gefahren für hochwertige Rechtsgüter verweigern dürfen und vor verdeckten Datenerhebungen umfassend geschützt sind, sieht der vorgelegte Gesetzentwurf einen absoluten Schutz aller Berufsgeheimnisträger vor. Geschützt sind daher also etwa auch Ärzte, Rechtsanwälte und Journalisten.
8. Die Polizei erhält die Befugnis zum verdeckten Zugriff auf informationstechnische Systeme (so genannte Online-Durchsuchung), um personenbezogene Daten zu ermitteln. Das Internet wird zunehmend zur Vorbereitung von polizeirelevanten Gefährdungslagen genutzt. Dies betrifft nicht nur terroristische Bedrohungsszenarien, sondern auch andere Fälle schwerster Kriminalität.