Galant-Affäre in Israel: „Böse Verschwörung“ im Generalstab
Um den Posten des Generalstabschefs in Israel ist ein Hauen und Stechen entbrannt, wie man es in der deutschsprachigen Presse natürlich noch nicht gelesen hat. Im Mittelpunkt: Major-General Yoav Galant, Leiter des Südkommandos. Ihm wird vorgeworfen versucht zu haben nicht nur seinen Konkurrenten Benny Gantz, bis vor kurzem Militärattaché Israels in den USA, mit Hilfe einer PR-Firma in den Dreck zu ziehen, sondern auch gleich noch den amtierenden Generalstabschef Gabi Ashkenazi.
So eine Schmock-Arie. Ein uneingeschränkt „pro-israelischer“ antideutscher Bellizist („Verschwörungstheorie!! Verschwörungstheorieeeee….“) möcht´ weinen vor Schmerz. Aber keine Gnade.
Angefangen hatte alles am 6.August. Der israelische TV-Sender Channel 2 berichtete über ein ihm zugespieltes Dokument. Dieses enthielt, man höre und staune, die sachkundige Beratung für eine pressewirksame Schmierenkampagne gegen den erst kürzlich aus den USA zurückgekehrten derzeitigen stellvertretenden Generalstabschef, General Benjamin Gantz, sowie dessen noch amtierenden Vorgesetzten Gabi Ashkenazi. Auch „ynet“, der Online-Ausgabe der Zeitung „Yedioth Ahronoth“, wurde das Papier zugespielt (1).
Absender des Dokumentes: die PR-Beraterfirma Arad Communications. Empfänger: Major-General Yoav Galant (Joaw Gallant), Kommandeur des (ruhmreichen) Südkommandos.
Hintergrund: der unauffällige Umbau des gesamten Militär- und Spionageapparates nicht nur in den USA, nicht nur in Deutschland, sondern auch in Israel. Mit dem (ruhmreichen) Generalstabschef Ashkenazi fliegen nicht nur der (ruhmreiche) Chef des Mossad, Meir Dagan, nicht nur der (ruhmreiche) Chef des Inlandsgeheimdienstes Shin Beth, Yuval Diskin, sondern auch der ganz besonders ruhmreiche Leiter des Militärgeheimdienstes Aman, Amos Yadlin, sowie zwei weitere hochrangige Vertreter des Exekutiv-Apparates innerhalb von nur sechs Monaten aus ihren Ämtern. Anfang Juli hatte die „Jerusalem Post“ (2) darüber berichtet.
Über eventuelle Zusammenhänge in diesen Vorgängen innerhalb der Apparate von drei eng kooperierenden Militärmächten darf nur nobody nachdenken. Jeder andere wäre „struktureller Antisemit“. Weil er nachdenkt. Verdammt. Früher hiess das noch einfach „linke Sau“. (20.Juli, TOP SECRET AMERICA: “Eine versteckte Welt, jeder Kontrolle entwachsen”) (10.August, Gates: United States Joint Forces Command und Hälfte der Generalität überflüssig) (12.August, Militärapparat wird auch in Deutschland abgebaut)
Auftritt Yehuda Weinstein, Generalstaatsanwalt und Justizminister Israels. Weinstein stoppt die Ernennungsprozedur des Generalstabschefs am 8.August, zwei Tage nach dem Bekanntwerden des Papiers von Arad Communications an Südkommandeur Galant (3). Galant wiederum, nachdem er bisher mucksmäuschenstill war, zeigt nun plötzlich hektische Aktivität: das sei alles gar nicht wahr. Das sei alles nur Verschwörungstheorie. (Stille) Verzeihung, das sei alles eine „böse Verschwörung“ gegen seine Person. Das Dokument habe jemand gefälscht, um ihn zu diskreditieren. (4)
Nur noch einmal für all die Trottel, die in neun Jahren Krieg ihr Gehirn, ihre Moral und ihre Mitmenschen verkauft haben: der Vorwurf der „Fälschung“ eines Dokumentes beinhaltet auch, dass es jemand mit Absicht gefälscht hat.
Aber weiter.
19.August, elf Tage nach dem Stopp der Ernennungsprozedur des Generalstabschefs. Auftritt der (ruhmreichen) Polizei. Das Dokument von Arad Communications an General Galant sei gefälscht, in der Tat. Dan Eldad, staatlicher Ermittler, liefert dafür auch gleich die menschweibchentittengeilste Erklärung, die je ein Ermittler…die in den letzten zwei, drei Tagen ein Ermittler der (rumhreichen) „westlichen Welt“ von sich gegeben hat: es gäbe mehrere Versionen des Dokumentes. Ständig würden neue auftauchen. Allerdings: das Dokument, welches Channel 2 zugespielt worden sei, also das wolle man gar nicht haben. Weil das nicht relevant sei. (5)
Echt Polizei eben. Das Abendland ist überall.
Auftritt Yehuda Weinstein. Der Generalstaatsanwalt und Justizminister äußert nun in einem wahrlich überzeugenden Statement, jetzt wo die Polizei bewiesen habe, dass das Galant-Papier eine Fälschung sei, sei natürlich auch erwiesen, dass Verteidigungsminister Ehud Barak und Generalstabschef Gabi Ashkenazi nichts mit der Affäre zu tun hätten. Der Ernennungsprozess des Generalstabschefs könne nun endlich weiter gehen. (6).
Nona! Auftritt Colonel Gabi Siboni.
Siboni, ein Vertrauter von Nordkommandeur Maj.-Gen Gadi Eisenkot, der ebenfalls im Rennen um den Posten des Generalstabschefs ist, lässt nun erst richtig die Puppen tanzen: das Dokument sei keinesfalls gefälscht, so Siboni – es sei erstens authentisch und zweitens habe er selbst es Channel 2 zugespielt. Gegen Siboni wurde heute nun flux Haftbefehl erlassen. Gott sei Dank ist er zur Zeit im Ausland, rein zufällig seit die Affäre am 6.August losbrach. Aber man werde ihn verhören, wenn er wieder zurück sei, so die (richtig ruhmreiche) Polizei. (7)
Ausgerechnet heute nun interviewt der (extrem ruhmreiche) Verteidigungsminister Ehud Barak (von der immer noch existierenden „Arbeitspartei“) sämtliche 5 noch im Rennen befindliche Kandidaten: Südkommandeur „Verschwörungstheoretiker“ Yoav Galant, Nordkommandeur Gadi Eisenkot, General Benny Gantz, Zentralkommandeur Avi Mizrahi, sowie den israelischen Militärattaché in Washington Gadi Shamni.
Der Tanz im Generalstab kann weiter gehen. Allerdings nur für die Freunde des uneingeschränkten Journalismus.
(…)
Artikel zum Thema:
20.08.2010 THE GENERALS
43 years of occupation have corrupted our society. Now it becomes clear that they have also corrupted the leadership of our army.
14.08.2010 Harakiri?
WENN GOTT will, dann kann sogar ein Besenstiel schießen – so schrieb ich nach der Ernennung der Turkel-Kommission. Ich zitierte ein jüdisches Sprichwort in der Hoffnung, dass trotz allem etwas herauskommen würde.
02.01.2010 Radio Utopie Interview mit Uri Avnery
RU: Ist in Israel der Verteidigungsminister der Oberkommandierende des Militärs oder ist das der Premierminister?
Uri Avnery: Weder noch, sondern nach unserem Gesetz ist der Oberkommandierende der Armee die Regierung als solche. Der Verteidigungsminister ist der Mann, der die Beschlüsse der Regierung an die Armee überträgt. Also ist der Generalstabschef der Kommandierende der Armee.
Quellen:
(1) http://www.ynetnews.com/articles/0,7340,L-3931307,00.html
(2) http://www.jpost.com/Features/FrontLines/Article.aspx?id=180192
(3) http://www.ynetnews.com/articles/0,7340,L-3931679,00.html
(4) http://www.ynetnews.com/articles/0,7340,L-3932167,00.html
(5) http://www.ynetnews.com/articles/0,7340,L-3939877,00.html
(6) http://www.ynetnews.com/articles/0,7340,L-3931679,00.html
(7) http://www.jpost.com/Israel/Article.aspx?id=185417