Sigmar Gabriel hat heute auf dem Sonderparteitag der SPD in Berlin eine echt lange Rede gehalten. In dieser kamen, wie durchaus öfter mal bei Parteitagen, recht nützliche und manchmal sogar nette Dinge vor. Es gilt da nur noch ein paar kleine Irrtümer zu konstatieren.
Lesen wir also mit Schmerzen. Und immer sachlich bleiben. Die „Rheinische Post“ (1) zur Rede Gabriels:
„Gabriel mahnte dazu, auch die in der eigenen Partei häufig geäußerten Sorgen und Ängste im Zusammenhang mit der Integration ernst zu nehmen. Dabei verwies er auf eine Rede des verstorbenen ehemaligen Bundespräsidenten Johannes Rau. Damals äußerte Rau Verständnis für Eltern, die sich Sorgen um die Bildungschancen von Kindern machten, wenn der Ausländeranteil an Schulen machten.
Es stimme auch, sagte Rau damals, dass junge männliche Ausländer und deutschstämmige Aussiedler überdurchschnittlich Straftaten begingen. Andererseits, so Rau damals, zeige sich auch , dass dort, wo Ausländer gut integriert seien, die Kriminalität nicht höher sei als unter Deutschen.
Auch den Neuköllner Bürgermeister Buschkowsky lobte der Parteichef. Buschkowsky hatte in der Vergangenheit häufig mit deutlichen Worten auf Integrationsprobleme hingewiesen aber anders als Sarrazin keine genetischen Ursachen für die Probleme verantwortlich gemacht. Rau und Buschkowsky seien „weit bessere Ratgeber als ihr wisst schon wer“, sagte Gabriel, ohne Sarrazin beim Namen zu nennen.“
Hmm.
Nun, nennen wir doch mal die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte (2) beim Namen, ausgesprochen von der Generalversammlung der Vereinten Nationen am 10.Dezember 1948. Drei Jahre nach Ihr wisst schon was.
Artikel 1
Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren. Sie sind mit Vernunft und Gewissen begabt und sollen einander im Geiste der Brüderlichkeit begegnen.
Nun müsste man für die SPD noch hinzufügen: wo sind sie geboren und von wem? Denn dann sieht die Sache für die Sozens schon wieder anders aus.
Artikel 2
Jeder hat Anspruch auf alle in dieser Erklärung verkündeten Rechte und Freiheiten, ohne irgendeinen Unterschied, etwa nach Rasse, Hautfarbe, Geschlecht, Sprache, Religion, politischer oder sonstiger Anschauung, nationaler oder sozialer Herkunft, Vermögen, Geburt oder sonstigem Stand.
Des weiteren darf kein Unterschied gemacht werden auf Grund der politischen, rechtlichen oder internationalen Stellung des Landes oder Gebietes, dem eine Person angehört, gleichgültig ob dieses unabhängig ist, unter Treuhandschaft steht, keine Selbstregierung besitzt oder sonst in seiner Souveränität eingeschränkt ist.
Und so weiter. Wir sind uns, liebe Leser, sicher darin einig, dass das eine Utopie ist, ähnlich wie das Grundgesetz oder das SPD-Parteiprogramm. Nun kann man sich entscheiden, ob man sich an diese Utopie in der Regel hält oder eben nicht. Was man aber nicht kann, ist, auf all dem jahrzehntelang herum zu trampeln und sich dann als sich als Regierungs- und Parteimuftie auf die Tribüne zu wälzen und von Einwanderern zu reden – Menschen ohne Staatsbürgerschaft und ohne Mitwirkungsrechte – deren Integration daran scheitere, dass sie sich nicht „an die Regeln“ halten.
Ich will mich kurz fassen:
1. Menschenrechte und Verfassungen schützen. Sie sind immer nur Minderheitenrechte. Denn die Mehrheit kann erst einmal machen, was sie will – sie ist ja die stärkere Partei und hat das Recht des Stärkeren auf ihrer Seite. Die kleinste Minderheit ist immer das Individuum, wenn es z.B. eines Verbrechens angeklagt oder einer gewissen Herkunft, Weltanschauung, oder whatever verdächtigt wird. Wer also sagt, er wolle „Politik für Mehrheiten machen“, der ist von einem ganz normalen Faschisten nicht zu unterscheiden. Rein philosophisch, natürlich. Wem das jetzt zu kompliziert ist, dem empfehle ich die Artikelreihe Die Elemente des Menschen.
Fairerweise muss man hinzufügen, dass sich Gabriel heute als erster SPD-Parteivorsitzender seit…als erster Parteivorsitzender der SPD eindeutig zu der Verfassung Grundgesetz bekannt und die Grundrechte (Artikel 1-20) als „einzig notwendige Leitkultur“ benannt hat. Solche Bürgerlichkeit ist dann schon in Ordnung. Man könnte sogar sagen, innerhalb der Linken in Deutschland wäre das ein Alleinstellungsmerkmal. Allein – es fehlt der Glaube. In zehn Minuten kann Sigmar Gabriel schon wieder etwas ganz anderes erzählen und behaupten, das habe er schon immer gesagt. So etwas nennt man die Macht der Gewohnheit. Auch sie muss in jeder – besonders in unserer – Gewaltenteilung stets berücksichtigt werden.
2. Wer qua Geburt nicht dazu gehört, der benimmt sich auch so. Wer von Integration redet, muss sofort, kompromißlos, ohne zu zögern und unerbittlich bis zum Schluss die deutsche Staatsbürgerschaft für jedes auf deutschem Boden geborene Kind durchsetzen.
Durchsetzen. Nicht durchsitzen.
3. Wer die Republik den Aasgeiern in Industrie und Banken zum Fraß vorwirft, der darf sich nicht wundern wenn die Aua schreien, weil das Opfer noch am Leben ist und ordentlich zubeisst. Das Gleiche gilt für Aasgeier aus der (Parteien-)Politik.
4. Kunst und Sport sind zivilisatorische Errungenschaften der Menschheit, deren Grad an Entwicklung, Verankerung und Entfaltung innerhalb der Gesellschaft die Höhe der jeweiligen Kultur und Epoche definieren. Wer dies mit Füssen tritt, der wird getreten werden, u.a. auch zurück.
5. Wer mit der Mehrheit im Rücken auf den Ärmsten der Armen herumtrampelt, der macht für die Mehrheit nichts besser, sondern verändert diese zu Ihr wisst schon was. Und das kann dann eines Tages alle heimsuchen. Ihr wisst schon wie.
Fazit:
Die SPD verfolgt derzeit weiter einen geistig-moralischen Rechtskurs, weil ihr das notwendige geistige Rüstzeug für stabile Überzeugungen fehlt, die nötig sind um die eigenen Regeln einzuhalten. So läuft sie Entwicklungen hinterher, ohne sie beeinflussen.
Die SPD ist keine Partei im ursprünglichen Sinne – sie ist eine Monarchie, in der der Anführer, der sich nach oben durchgebissen hat, den Ton und die Richtung angibt. Der Rest trottet als Herde hinterher.
Es ist diese Herde, die die SPD so gefährlich macht, nicht einmal so sehr der Anführer. Das könnte sogar Ihr wisst schon wer sein und sie würden es nicht merken.
Quellen:
(1) http://www.rp-online.de/politik/deutschland/Gabriel-will-die-eigene-Klientel-zurueckerobern_aid_911107.html
(2) http://www.ohchr.org/EN/UDHR/Pages/Language.aspx?LangID=ger