Der Wert des US-Dollars nimmt ab, der Ölpreis steigt
Kaum scheint sich die wirtschaftliche Leistung an manchen Orten der Welt zu erholen, zieht der Ölpreis an. Die Schwäche des US-Dollars bedeutet jedoch für die Staaten der OPEC, dass sie derzeit Einnahmeverluste hinnehmen müssen. Ergo rufen sie nach einem noch höheren Handelspreis des wertvollen Guts.
Wir haben schon zu Anfang diesen Jahres unter der Überschrift „Ölpreis und Konjunktur“ darauf hingewiesen, wollen es aber durchaus gerne noch einmal wiederholen: die Dinge sind recht vertrackt.
Da besitzt die Welt ein Finanzsystem, welches in letzter Konsequenz nur dann am Leben gehalten werden kann, solange die Real-Wirtschaft kontinuierlich bis in alle Ewigkeit wächst. Grundlage dieses Wachstums ist Energie, denn diese versetzt die Wirtschaft in die Lage, Arbeit verrichten zu können. Ohne Energie gibt es kein Wachstum. Umso höher jedoch die Wirtschaftsleistung ausfällt, desto mehr Energie muss dafür verbraucht werden. Je stärker der Energieverbrauch, desto höher geht der Preis. Falls aber der Preis zu sehr in die Höhe klettert, kann die Wirtschaftsleistung ab einen gewissen Punkt nicht mehr kontinuierlich weiter wachsen – die Kosten überholen den zu erwirtschaftenden Gewinn.
Wenn dann auch noch das Energieangebot – im Falle des Erdöls – allgemein die Tendenz hat, von der Angebotsseite her zurückzugehen, zugleich aber die Nachfrage auf der Welt – insbesondere in China, Indien und Brasilien, den aufstrebenden Industriemächten – stetig wächst, hat man ein ausgeprägtes Problem an der Hand.
Allerdings verschärft sich dieses Problem noch, da es das globale Finanzsystem in den letzten Jahren geschafft hat, eine Geldschöpfung in Gang zu setzen, die bei weitem das übertrifft, was die Welt an Sach- und Dienstleistungen wirtschaftlich überhaupt zu erbringen vermag. Man hat es seither mit gänzlich ungedecktem, rein fiktivem Kapital zu tun, das von A bis Z auf das Machen von Schulden basiert. Wie Ellen Brown, die Autorin des Buches “The Web of Debt“ , insbesondere bezüglich der Geldschöpfung durch die US-Notenbank Federal Reserve kurz zusammengefasst an chaostheorien.de schrieb:
“In our current monetary scheme, ALL money is debt, and the national money supply IS basically the federal debt. Private debts are paid off and go out of existence. Only the federal debt is refinanced from year to year and remains out there in the economy as a more or less permanent money supply. As the head of the Fed said in the 1940s, if we had no federal debt, we would have no money. The Fed today is madly “monetizing” government debt just to try to balance out the private debt that has been liquidated in the current credit crunch.”
Gleichwohl das fiktive Schulden-Geld praktisch durch nichts Reales mehr gedeckt werden kann, wird von den Geldschöpfern erwartet, das jene Sache, die der Real-Wirtschaft übergeordnet ist: das Finanzsystem, weiter läuft. Und zwar bis zu dem Punkt, da die Erkenntnis reift: Unendliches Wachstum ist in einem endlichen Raum irgendwann schlichtweg nicht mehr möglich. Die Erde, wir möchte daran erinnern, ist ein solch endlicher Raum, denn sie ist, sieh an: eine in sich geschlossene Kugel.
An dem Punkt müsste dann spätestens einmal über ein vollkommen anderes Geldsystem räsoniert werden. Bloß sind wir zu dieser Erkenntnis leider noch längstens nicht vorgestoßen. Wir wissen jedoch im Rückblick, dass auf der in sich geschlossenen Kugel, die wir Welt nennen, der Ölpreis 2008 fiel, nachdem er binnen eben jenen Jahres sein Allzeithoch erreicht hatte. Gewiss wurde die Rezession nicht durch den Ölpreis von über 140 US-Dollar pro Barrel ausgelöst, das nicht – aber erheblich begünstigt, das schon.
In der Folge ging der Ölpreis zurück, da die Wirtschaftsleistung rapide abnahm. Tatsächlich ist die globale Ölnachfrage während der Großen Rezession erstmals seit 1983 gesunken (woraufhin die Erdöl exportierenden Länder unter dem Schirm der OPEC Ende 2008 eine Drosselung der Produktion von minus 4.2 Millionen Barrel pro Tag vereinbarten, ein Rekordbetrag). Doch nunmehr, da die Wirtschaft sich – zumindest vorübergehend – erholt hat, dürfen wir feststellen, dass die Weltwirtschaft wieder mehr Öl zu verbrauchen beginnt. Das nächste ist dann, dass der Ölpreis steigt (im letzten Monat um 7.7%) – mit der oben beschriebenen Konsequenz. Hinzu kommen die sich abzeichnenden Probleme des Peak Oil (d. h. das Maximum der global je zu erreichenden Ölförderung):
“Economists predict that the ‚peak oil‘ will dramatically alter the fortunes of many developing countries. The term ‚peak oil‘ has been coined by oil experts to signify the point in time when the world‘s oil reserves will reach their peak production and the oil production thereafter will commence its downturn journey. This will mark the supply crisis — and the resultant panic can trigger volatility in commodity markets as well as stock exchanges.
More and more oil-producing nations are rapidly nearing peak oil (maximum production) stage and the situation is indeed becoming grim. From thereon, oil production will steadily decline while the demand will constantly escalate. The gap between supply and demand will widen leading to soaring prices that most nations cannot afford.“[1]
Solange die Wirtschaftsleistung abflaut oder stagniert, ist Peak Oil erst einmal gar nicht so ein mächtiges Problem. Der saudi-arabische Ölminister Al-Naimi erklärte letzte Woche beispielsweise in Wien:
„The market is well supplied. It is an ideal situation we are in now. Nobody is complaining. Consumers are happy, producers are happy. Companies are investing.“[2]
Dennoch sollte die Tatsache ins Auge gefasst werden, dass der Ölpreis mittlerweile schon beim zweifachen seines niedrigsten Standes während der Großen Rezession angekommen ist – trotz der „idealen Situation“ seitens des Angebots. Die Internationale Energie Agentur in Paris gab unlängst bekannt:
“Oil consumption worldwide will average 86.9 million barrels a day in 2010 and 88.2 million barrels a day in 2011. … That‘s 300,000 barrels a day more than last month’s forecast for both years. The IEA raised its estimate of the amount of oil OPEC producers will need to provide to balance world supply and demand. Its new estimate is an average of 29.3 million barrels a day for next year, or 100,000 barrels a day more than the agency’s estimate for 2010.“[3]
An diesen projizierten Verbrauchszahlen lassen sich schon weiter steigende Preise ablesen. Und wann die weltweite Ölförderung im geologischen Sinn ihren Höhepunkt erreicht haben wird, sei im Übrigen dahin gestellt. Von ökonomischer Perspektive her betrachtet kann allemal festgestellt werden, dass sich die Weltwirtschaft die Preise, die nötig sind, um das Öl aus dem Boden zu holen, langsam nicht mehr leisten kann.
Jetzt wird es allerdings noch etwas komplizierter. Denn obschon der Ölpreis derzeit bei 82 US-Dollar gehandelt wird – und damit auf einem Niveau, das vor wenigen Jahren noch das Allzeithoch dargestellt hätte (und dies obendrein inmitten der größten Finanz-, Wirtschafts- und Währungskrise seit dem 2. Weltkrieg) -, ist die Ölnachfrage in den USA gegenwärtig bei einem Zehn-Monatstief angekommen. So sagte kürzlich Tim Evans, ein Energie-Analyst von Citi Futures Perspective in New York: “The demand numbers were very weak. We don’t really have a bull market unless we have stronger consumer demand.”[4]
Warum steigt der Preis trotzdem? Durch reine Spekulationsgeschäfte? Teilweise. Hier ist ein Auszug aus einem aktuellen Interview, das Sheikh Zaki Yamani, der frühere Öl-Minister Saudi Arabiens, John Defterios von CNN gab.
“JD: Interesting, OPEC today as you know, OPEC sits on three quarters of the world’s reserves, what’s going to be the role, the essential role of OPEC in the future?
SY: Well I think, OPEC will not have the same role as it had started, well they went from one phase to another but now on the economy of the world, the alternative sources of energy and then the pricing system. What is prevailing now is not really a good pricing system. It involves those who like to speculate and make money so it’s not the supply-demand as it should be.
JD: So you’re suggesting that this range of around $80 a barrel is artificial today?
SY: It does not represent the exact situation; it represents the speculation of what we call them the non-commercial and they put billions of dollars and
JD: So you’re suggesting it’s the Hedge-funds in particular, who are at play?
SY: It’s the hedge-funds, the insurance companies, anyone who wants to make quick money but he will lose money as well.
JD: So within OPEC do you think some of the countries have gotten too complacent with this price and think this is the new floor: $80 per barrel?
SY: Well I don’t take it this way, I mean if anyone is knowledgeable about oil, whether it is 80, it is 70, it is whatever it is, it doesn’t represent the exact facts.“[5]
Als wir ihn um seine Einschätzung dieser Interpretation von Sheikh Yamani baten, schrieb Mike Norman, der Chief Economist der Wall Street-Firma John Thomas Financial (www.johnthomasbd.com), an chaostheorien.de:
„Die aktuellen Fundamentaldaten des Ölmarkts rechtfertigen nicht den Preis. Die Rohöl-Bestände in den USA sind in unmittelbarer Nähe zum Rekordniveau, und doch ist der Preis mehr als doppelt so hoch wie vor einem Jahr. Das Gleiche ist der Fall beim Benzin. Alles das Resultat von Spekulation. Die gesamten offenen Kontrakte für Rohöl an der NYMEX entsprechen 1.4 Millionen oder ungefähr 1.4 Milliarden Barrel Rohöl. Das Tagesvolumen von Rohöl, mit dem an der NYMEX gehandelt wird, beträgt über 1 Milliarde Barrel pro Tag. Insgesamt ist die weltweite Nachfrage nur 83 Millionen Barrel pro Tag. Die Menge, die an nur einer einzigen Börse gehandelt wird, beträgt also mehr als das zehnfache des gesamten täglichen Konsums. Es ist ein riesiges Casino mit Preisen, die durch Spekulanten angetrieben werden, und es sind die Verbraucher, die mehr und mehr zu zahlen haben.“
Das stimmt soweit. Jedoch muss auch gesagt werden, dass die Rohstoffpreise generell steigen, und sie steigen primär deswegen, weil der Wert des US-Dollars durch die Politik der Federal Reserve abnimmt. Die spekulativen Elemente, die am Öl-Markt aktiv sind, dürften auf exakt dieses Vorgehen der Fed reagieren. Jedenfalls gibt es, das ist einwandfrei festzustellen, eine umgekehrt verlaufende Entwicklung des Dollar-Index und der Rohstoffpreise. Dies wiederum ist der Korrelation zwischen der von der Fed kontinuierlich gesteigerten Geldmenge und der schwindenden Kaufkraft geschuldet. Denn wenn die Preise insgesamt in einer so großen Volkswirtschaft wie den Vereinigten Staaten steigen, kann es im Grunde nur zwei mögliche Ursachen geben: entweder ist das Angebot aller Güter gefallen oder die Geldmenge steigt. Ersteres sehen wir als extrem unwahrscheinlich an. Bliebe also die Geldpolitik der Federal Reserve, dem privaten Monopolinhaber der US-Währung.
Man mag über diese vertretende Position, warum die Preise steigen, lange debattieren. Jedoch scheinen die Märkte laut und klar davon zu sprechen, dass sie dem Wert des US-Dollars zunehmend misstrauen. Unter dem Strich kaufen die Investoren harte Vermögenswerte, weil sich mit dem Dollar jeden Tag weniger kaufen lässt – und das hat, falls diese Analyse valide ist, nichts mit Spekulieren im eigentlichen Sinne zu tun. Noch einmal Sheikh Yamani:
“Right now if the dollar comes down, oil goes up. So it is not oil, it is the currency and I don’t think that will really representing the exact situation with the pricing situation right now.“[6]
Warum wir das so recht ausführlich erörtern? Nun, Öl wird bekanntlich ausschließlich in US-Dollar fakturiert. Ein an Wert verlierender Dollar ist für die Ölproduzenten der OPEC alles andere als begrüßenswert. So erklärten ihre Vertreter, dass sie sich gegenwärtig einen Ölpreis von 100 US-Dollar wünschen. Die Schwäche der US-Währung (der Dollar-Index, bei dem der US-Dollar mit sechs wichtigen Währungen der Welt im Vergleich steht, ging seit Juni um 13 Prozent zurück) würde letztlich bedeuten, dass der „reale Preis“ ungefähr 20 Dollar weniger sei als das Preisniveau am New York Mercantile Exchange, sagte unlängst der Energie- und Öl-Minister Venezuelas, Rafael Ramirez. Und Shokri Ghanem, der Vorsitzende der libyschen National Oil Corp., erklärte, dass ein höherer Rohölpreis der OPEC helfen würde, die Einnahmeverluste durch einen geschwächten Dollar auszugleichen. „We would love to see $100 a barrel. …We‘re losing real income.“[7]
Ein steigender Ölpreis besitzt aber noch eine strategische Dimension von Seiten der USA gegenüber der Volksrepublik China. Der jährliche Ölkonsum Chinas ging in den letzten Jahren im Durchschnitt um je 10 Prozent nach oben. Die Versorgung mit Öl ist Chinas verwundbare Stelle, insofern über die Hälfte des Angebots importiert werden muss. James R. Norman, ein ehemaliger Redakteur des Forbes-Magazins, schreibt in seinem Buch “The Oil Card. Global Economic Warfare in the 21st Century“, dass höhere Ölpreise Teil strategischer Erwägungen der US-amerikanischen National Security Administration seien, um China in seinem Streben nach weltweiter Dominanz aufzuhalten. Künstlich hoch getriebene Ölpreise könnten, so die Analyse von Norman, diesen Zweck erfüllen.
Zwar hätten sie auch für die USA unbequeme Konsequenzen; für China könnten sie allerdings ein Abwürgen ihrer industriellen Wirtschaftskapazitäten bedeuten. Auch vor diesem Hintergrund muss betrachtet werden, dass China immer wieder dabei ist, Verhandlungen mit den arabischen Ölstaaten zu führen, um die Anbindung des Ölhandels am US-Dollar zu beenden. Stattdessen strebt man in Peking einen Währungskorb an, in dem Öl gehandelt werden soll. Partner der Chinesen sind bei dieser Absicht vor allem Russland und Brasilien. Interessant, so meinen wir, ist übrigens, dass eine Komponente des möglichen Währungskorbs, die im Gespräch ist, Gold sein könnte. Jenes gelbe Metall also, das seit geraumer Weile mit dem Dollar um den Status der globalen Leitwährung ringt. In diesem Zusammenhang „Dollar / Gold“ möchten wir auf den Sonntag erschienenen Artikel „Der Währungskrieg und die deutschen Goldreserven“ verweisen, der hier nachgelesen werden kann.
Wohin die Reise für den Ölpreis genau geht, ist, wie man hieran ablesen kann, derzeit schwer zu prognostizieren: “So far oil‘s gains have been relatively modest — compared with say gold which has hit a series of record highs — as the dollar impact on oil has been countered by weak market fundamentals of nearly record-high fuel inventories and sluggish demand.
Some analysts say there is a risk of a strong oil rally, while others say the market could drop if a disconnect with supply and demand fundamentals becomes too great.“[8]
Spannend bleibt es mithin allemal. Wie der Finanzjournalist Max Keiser unlängst chaostheorien.de bezüglich dem Zusammenhang „Gold / Öl“ ins Notizbuch sprach:
„Wo sehen Sie den Goldpreis im nächsten Monat? Ist jetzt eine besonders wichtige Phase im Markt angebrochen?“
„Es ist schwer vorherzusagen, und zwar jeden Tag, jede Woche und jeden Monat – aber ich sage voraus, dass Gold dieses Jahr so gut abschließen wird, wie in den letzten neun Jahren.“
„Wenn der Ölpreis in den nächsten drei Monaten bedeutend steigen sollte, welchen Effekt würde das auf die Edelmetalle und die Aktien von Minen-Unternehmen haben?“
„Es wird eine Konsolidierung in der Industrie antreiben, halten Sie Ausschau nach Zusammenschlüssen und Aufkäufen in diesem Bereich.“
„Erwarten Sie, dass der Ölpreis alsbald steigt?“
„Wie Gold, so ist auch Öl eine Währung – sie wird vom Kollaps des Papiers profitieren.“
Siehe hierzu: Preistreiber beim Gold: die Gauner, die das System beherrschen
Quellen:
[1] Tobias Vanderbruck: “Can the World Survive the Impending Oil Crisis?“, veröffentlicht auf Oil-Price.Net am 11. Oktober 2010 unter: http://oil-price.net/en/articles/survive-impending-oil-crisis.php
[2] Grant Smith and Fred Pals: “OPEC Members Seek $100 Oil to Counter Dollar Weakness“, veröffentlicht auf Bloomberg am 15. Oktober 2010 unter: http://www.bloomberg.com/news/2010-10-15/opec-members-seek-100-a-barrel-oil-as-sliding-dollar-cuts-real-revenue.html
[3] Ebd.
[4] Ebd.
[5] “Opec will play a different role in the future, says Sheikh Yamani“, veröffentlicht auf Business Intelligence Middle East am 17. Oktober 2010 unter: http://www.bi-me.com/main.php?id=48966&t=1&c=38&cg=4&mset=1011
[6] Ebd.
[7] Siehe Endnote 1.
[8] Amena Bakr and Alex Lawler: “OPEC holds output steady as oil price firms“, veröffentlicht auf Reuters am 14. Oktober 2010: http://www.reuters.com/article/idUSTRE69D28Q20101014