Zukunft der Immobilie Truppenübungsplatz Senne in NRW
Nationalpark soll die Verwendung als zweihundertjährigen Übungskampfplatz für die Armee beenden und an die Natur zurückgegeben werden – CDU dagegen
(Abbildung: Truppenübungsplatz Senne in der Nähe von Paderborn, NRW, 1912 – Wikipedia)
Vor einer Woche jagte die Meldung durch die Medien, dass die britische Rheinarmee vorzeitig ihre Truppen aus Deutschland abziehen wird – die Hälfte bis zum Jahr 2015. Premierminister David Cameron teilte mit, dass das Verteidigungsministerium sparen müsse und die Soldaten bis zum Jahr 2020 zurückgerufen werden statt wie vorgesehen bis 2035 stationiert zu bleiben.
Betrachtet man die neue NATO-Strategie der Neuausrichtung ihrer zukünftigen Einsätze bei ihren globalen Ambitionen, macht das auch in diesem Kontext durchaus Sinn und hat nicht nur mit völligem Sparen des britischen Haushaltes an dieser Stelle zu tun.
Rheinarmee-Sprecherin Helga Heine erklärte auf Nachfrage der Neuen Westfälischen:
„Wir haben zwar Gerüchte gehört, wurden von der Nachricht aber selbst überrascht.“ Merkwürdigerweise weiss Heine aber zum heutigen Zeitpunkt schon, dass sie erst in einem halben Jahr, frühestens im März 2011 mehr darüber sagen kann. (1)
„Für uns wird das Leben erst mal so weitergehen wie gehabt“, sagte Heine – auch Projekte wie die umstrittenen Kampfdörfer in der Senne.
„Die Truppen werden auch weiterhin nach Afghanistan verlegt und müssen für den Einsatz ausgebildet werden. Das bleibt Priorität.“
Um die Zukunft des Truppenübungsplatzes Senne nördlich von Paderborn, der unter britischer Verwaltung steht, ist ein politischer Schlagabtausch in Nordrhein-Westfalen ausgebrochen. Die ostwestfälisch-lippische CDU und FDP fordern, dass die Bundeswehr das 116 Quadratkilometer grosse Gelände übernehmen soll.
CDU-Bezirkschef Elmar Brok, einer der ewig Gestrigen, sagte am 24.Oktober 2010 in der Neuen Westfälischen:
Die Senne sei „für einen Nationalpark völlig ungeeignet“ und es sei verfrüht, über eine andere Nutzung des Truppenübungsplatzes nachzudenken und fordert die Übernahme des Manöverplatzes durch die Bundeswehr.
Die Bundeswehr hat noch keine Entscheidungen zur Übernahme des Truppenübungsplatzes getroffen. Ein Sprecher des Bundesverteidigungsministeriums sagte auf Anfrage der Neuen Westfälischen, dass man bereits über etliche militärische Übungsplätze verfüge und die anstehenden Entscheidungen zur Strukturreform der Bundeswehr abwartet.
Der britische Heeresminister Nick Harvey hätte Elmar Brok gegenüber geäussert, dass es sich bei dem angekündigten Abzug der britischen Rheinarmee bis zum Jahr 2020 bislang lediglich „um eine vage Ambition“ handeln und die britische Armee auch nach dem Jahr 2020 weiterhin Übungsplätze in Norwegen und eventuell auch in Deutschland benötigen würde. (2)
Zunächst jedoch geht alles wie bisher seinen streng geregelten militärischen Ablauf weiter und vom 25. bis 29. Oktober 2010 stehen im Kreis Lippe wieder Manöverübungen der britischen Armee in den neuen Kampfdörfern auf dem Plan. (3)
Foto: Nordwestlicher Teil des Truppenübungsplatzes (Standortübungsplatz Stapel). Im Hintergrund der Teutoburger Wald – Nikater/Wikipedia
Die Eigentümerin des Truppenübungsplatzes, die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben, hält sich bedeckt, ihr würden „noch keine konkreten Planungen der Britischen Streitkräfte vorliegen“. (4)
Die Umweltverbände machen sich grosse Sorgen um die Zukunft des weitläufigen Geländes und fordern die Ausweisung als Nationalpark.
Der FDP-Landtagsabgeordnete Kai Abruszat aus Minden wiegelte ab:
„Bevor wir über einen Nationalpark diskutieren, müssen wir erst einmal über die Verfügbarkeit der Flächen sprechen.“
Auch der Paderborner CDU-Landtagsabgeordnete Daniel Sieveke ist gegen die Vorstellung, einen Nationalpark einzurichten. Für ihn kommen höchstens ein Naturpark oder ein sogenanntes Biosphärenreservat in der Senne in Frage, diese würden „für die Menschen und den Tourismus mehr bringen“ als ein Nationalpark.
Elmar Brok meinte:
„Nationalpark ist Urwald. 75 Prozent der Fläche müssen dort sich selbst überlassen werden.“
In der Senne sind aber aus Sicht des Naturschutzes die wertvollsten Flächen Heide und Trockenrasen, die von Menschen gepflegt werden müssen. Eine Quote von 75 Prozent Urwald lasse sich nur erzielen, wenn auch der Teutoburger Wald und die Egge dem Nationalpark zugeschlagen würden, so Brok.
Die Vorsitzende des Fördervereins Nationalpark Senne-Eggegebirge, Ute Röder, widerspricht den Aussagen Broks und wirft ihm falsche Berechnung vor:
„Nur 21 Prozent der Fläche des Truppenübungsplatzes Senne besteht aus ökologisch wertvollem Freiland. Nur die Ausweisung eines Nationalparkes in der Senne kann in Zukunft den höchsten Schutz für Flora und Fauna sowie grösste touristische Attraktivität gewährleisten“,
sagte Röder. und das andere Modelle aus ihrer Sicht „völlig indiskutabel“ sind.
„Das Freihalten der Heide und Trockenrasenflächen von Bewuchs mit Bäumen und Sträuchern muss auch im Nationalpark erfolgen und ist mit höchsten europäischen Standards vereinbar.“
Die Heide-, Trockenrasen- und Dünenflächen der Senne beherbergen zahlreiche seltene Tier- und Pflanzenarten.
Nach einem Abzug der Briten würde „eine unkontrollierte Begehbarkeit aller Flächen im Verein mit anderen Nutzungsintensivierungen die wertvollen Lebensräume sehr schnell zerstören“, sagte Ute Röder.
Der Sprecher der britischen Armee, Mike Whitehurst sicherte zu, dass man die Anlagen in renaturiertem Zustand verlassen würde:
„Wir hauen hier nicht einfach ab. Vor einer Übergabe des Truppenübungsplatzes wird man sehr eng mit der Forstverwaltung, der Bezirksregierung und den Umweltverbänden zusammenarbeiten.“
Whitehurst sicherte zu, dass dann auch die neuen Kampfdörfer wieder dem Erdboden gleichgemacht werden – vorläufig werden diese aber noch benötigt.
Im Jahr 1991 hatte der Landtag von Nordrhein-Westfalen festgelegt, dass nach der Beendigung der militärischen Nutzung in der Senne „unverzüglich ein Nationalpark geschaffen“ werden soll.
Dieser Beschluss ist als historisch zu bezeichnen, denn das Gebiet wurde seit dem Jahr 1817 – also zweihundert Jahre lang – für Kriegsspiele vereinnahmt.
Das Schicksal der Senne als Armeeschauplatz wurde besiegelt, als am 24. Februar 1817 das „General-Commando“ in Münster die Königliche Regierung in Minden aufforderte, für die jährlich abzuhaltenden Manöver mehrere schickliche Plätze zu benennen, wo verschiedene Truppen zusammenrücken und auch exerzieren könnten. Die Größe dieser Plätze solle in alle Richtungen nicht unter 1600 Schritt betragen.
Der Truppenübungsplatz liegt am Westrand des Teutoburger Waldes inmitten der Senne und ist etwa zur Hälfte mit Wald bedeckt, wovon der überwiegende Teil aus Nadelwald besteht.
Etwa 2900 Hektar des Platzes sind mit Heide bedeckt. Zur Pflege der Heide unterhält die Biologische Station Kreis Paderborn-Senne seit 1987 eine etwa 1000 köpfige Heidschnucken-Herde auf dem Truppenübungsplatz, außerdem sind in den Wintermonaten ehrenamtliche Landschaftspfleger, der Biostation im Einsatz, um die Heide zu erhalten, da sie sonst verwalden würde. Im Süden des Platzes befinden sich auch Sumpfflächen, der Rest ist Grünland.
Auf dem Truppenübungsplatz entspringen von Nord nach Süd, der Bärenbach, Krollbach, Knochenbach, Haustenbach, Roter Bach, Mömmenbach, Grimke und Lutter. Ganz im Süden fließt auch die Strothe durch den Truppenübungsplatz. Einige der Bäche, insbesondere der Haustenbach haben sich im Lauf der Zeit in bis zu 10 Meter tiefe Täler eingegraben. Der Krollbach und der Knochenbach setzten sich oberhalb ihrer Quellen noch einige Kilometer als Trockentäler fort. Der Truppenübungsplatz befindet sich überwiegend leicht wellig im Flachland nach Osten leicht ansteigend, wobei er im Teutoburger Wald aber bis auf 382 m ü. NN ansteigt.
Quellen:
(1) http://www.nw-news.de/owl/3867234_Briten_ziehen_Rheinarmee_schneller_aus_OWL_ab.html
(2) http://www.nw-news.de/top_news/3885139_CDU_Bundeswehr_soll_Briten_in_der_Senne_abloesen.html
(3) Neue Westfälische vom 23.10.2010 / Bielefeld Lokales
(4) http://www.nw-news.de/owl/3874992_Briten_wollen_Uebungsplatz_Senne_renaturieren.html