Karte von Google Maps: Nicaragua und Costa Rica
Mit der Veröffentlichung von Karten auf Google Maps ist eine hervorragende kostenlose Dienstleistung für alle privaten Nutzer im Internet entstanden. Wenn Firmen oder Behörden diese Karten für kommerzielle Zwecke benutzen, so gibt es keine Gewähr auf richtige oder aktualisierte Darstellungen. Sollten sie dennoch davon ausgehen, unterliegen sie einem selbst verursachten Irrtum. Schadenersatzansprüche können in solchen Fällen nicht eingeklagt werden, da Google keine amtliche Autorität für völkerrechtliche Grenzen ist.
Wer sich als Regierung auf die unkorrekt eingezeichneten Grenzverläufe auf den Googlekarten zu seinen Gunsten beruft und deshalb Streit mit dem Nachbarstaat sucht, ist ein übler, heuchlerischer Patron, weil sie es besser weiss und nur nach einem Anlass für eine neue Intervention greift – in solchen Fällen eine recht durchsichtige Angelegenheit, denn diese Regierungsbehörden wissen ganz genau, was sie tun. Die Ursachen für neu aufflammende Grenzkonflikte gab es schon vorher und wurden bisher nicht gelöst.
Sergio Ugalde vom Aussenministerium Costa Ricas sagte zu den aktuellen Ereignissen: „Google ist in dieser Angelegenheit nicht beteiligt. Es ist ein privates Unternehmen, das auf seinen Webseiten Karten der ganzen Welt anbietet. Wenn man die angezeigten Grenzlinien überprüft, wird man überall Ungenauigkeiten feststellen. Aber Google ist keine offizielle Instanz.“
Google hat nach Rücksprache mit dem US-Aussenministerium inzwischen eingeräumt, den Grenzverlauf falsch eingezeichnet zu haben. Die Seite soll nun korrigiert werden, berichtete die Tagesschau am 9.November in ihrer Online-Ausgabe. (1)
Bedauerlicher haben sich in den letzten Monaten weltweit Fälle dieser Art von Konflikten unter Berufung auf Google Maps wieder zugetragen. Costa Rica und Nicaragua sind nicht der einzigste, wohl aber der eindruckvollste Streit, der auch in den deutschen Medien Beachtung fand. Es geht um den Rio San Juan, ein Grenzfluss zwischen den beiden lateinamerikanischen Staaten. Grosse Flüsse haben es in der Regel so an sich, wenn an ihren Ufern zwei Staaten angrenzen, dass meistens die Mitte des Flusses die Staatsgrenze markiert. Dieser Fluss nun beginnt als Abfluss am südöstlichen Ende des Nicaraguasees und mündet nach knapp 200 km östlich bei San Juan del Norte in das Karibische Meer.
Sogar die UNO, die Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) und die US-Regierung werden jetzt dazu bemüht, den Frieden in diesem mittelamerikanischen Kartenkrieg wieder herzustellen.
Die Präsidentin von Costa Rica, Laura Chinchilla, hatte in der vergangenen Woche auf einer in Washington einberufenen Sondersitzung der Organisation Amerikanischer Staaten das wieder aufgeflammte Problem ihres Landes vorgetragen, aber nach einem ganzen Tag mit Gesprächen wurde keine Lösung erzielt. Während der Debatten unterstützte Venezuela Nicaraguas Position während Panama stark dagegen votierte.
Präsidentin Chincilla teilte am Mittwoch, den 10.November mit, dass sie nun diese Frage vor den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen bringen wird und hat wieder gefordert, dass die nicaraguanischen Soldaten aus dem Gebiet Costa Ricas abziehen sollen.
Und das alles, obwohl der Internationale Gerichtshof in Den Haag im Juli des vergangenen Jahres von der Regierung in Costa Rica zu den Grenzstreitigkeiten zur Klärung angerufen wurde und das Gericht nach sorgfältiger Prüfung der historischen Karten, der vorherigen Verträge und Einbeziehung der Geländeeigenschaften entschieden hatte, dass das südliche Flussufer die Staatsgrenze bildet und hatte Costa Rica das Recht auf freie Passage seiner Schiffe auf dem Fluss eingeräumt.
Abbildung aus der 4. Auflage des Meyers Konversationslexikons (1885–90) – zum Vergrössern Karte anklicken
Nicaragua beansprucht auch gegenüberliegende Ufergebiete und die Insel Calero auf costaricanischem Territorium, ein seit 1888 über ein Jahrhundert alter Streit – nun aber auch auf Verweis der eingezeichneten „Internet“-Grenze bei Google Maps.
Nicaragua hat grosse Pläne mit dem Rio San Juan vor (Radio Utopie berichtete am 19.Januar 2010: Zweiter Kanal zwischen Pazifik und Atlantik) und damit begonnen, das Flussbett zu vertiefen und Lager auf der anderen Seite seiner Grenze zu errichten und mit Militär abzusichern – obwohl Costa Rica auf eine eigene Armee verzichtet hat und sich nicht verteidigen und diesem Treiben kein Paroli bieten kann ausser diplomatische Hilfe in der Weltöffentlichkeit zu suchen.
Der ehemalige Guerillaführer der Sandinisten, Eden Pastora sagte laut Tagesschau: „Präsident Daniel Ortega hat mich beauftragt, den Rio San Juan zu säubern. Und dabei berufen wir uns auf das Grenzdokument von 1888. Genau diese Grenze wollten die Costaricaner noch nie anerkennen.“ Die Insel Calero gehöre „tausendmal zu Nicaragua. Das ist so klar wie die Mittagssonne“. Er könne beiden Völkern versichern, dass unser Militär nicht so dumm sei, costaricanisches Gebiet zu besetzen.
Und hier liegt mit der Anrufung der Diplomaten und Behörden der Weltorganisationen zur Schlichtung der Hase ganz gewaltig im Pfeffer.
Nicaragua verfolgt mit anderen Staaten das Projekt, einen Atlantik-Pazifik-Kanal unter Einbindung des Rio San Juan als Konkurrenz zum Panamakanal zu verwirklichen. Alle Länder, die sich davon Nutzen und grössere Unabhängigkeit ihrer Schifffahrt versprechen oder glänzende Geschäfte abwickeln können, werden sich bei diesem Grenzstreit tunlichst zurückhalten und hinter den Kulissen ihre Interessen verfolgen. Die Folge werden halbherzige und lauwarme Appelle an die Vernunft der Parteien ohne weitere Konsequenzen sein. Die Wirtschaft und strategische Vorteile hatten stets Vorrang vor der Gerechtigkeit und Logik.
Am 11.November behauptete die israelische Zeitung Haaretz, das Venezuela und der Iran Nicaragua bei dem Bau eines „Nicaragua-Kanals“ unterstützen und die Notwendigkeit bestehen würde, dazu die südlichen Ufer des Flusses und den Punkt, wo der Fluss in den Atlantik mündet, zu kontrollieren.
Vor einigen Wochen teilte das nicaraguanische Aussenministerium offiziell Costa Rica die Pläne der Arbeiten Nicaraguas mit, das Flussbett des Rio San Juan zur Verbesserung der Schifffahrt auf der Wasserstrasse zu vertiefen. Von Seiten Costa Ricas hätte es keine Einwände gegen die Pläne unter der Bedingung gegeben, dass die Arbeiten dem Fluss oder den Uferbänken auf der costaricanischen Seite des Flusses nicht schaden würden, so die Zeitung.
Das scheinbare Ingenieur-Projekt wurde überraschend unter die Aufsicht von Eden Pastora, besser bekannt als „Commandante Cero“ – ein bekannter Held des ehemaligen sandinistischen Untergrunds – gestellt. Dies war ein Hinweis darauf, dass die Arbeiten einem anderen Zweck dienen und mehr als nur einfaches Ausbaggern der flachen Flussstellen und Untiefen sind.
Ein Beamter des US-Aussenministeriums sagte am Mittwoch, den 10.November zu der Washington-Korrespondentin der Zeitung Haaretz, Natasha Mozgovaya, dass den USA nichts davon bekannt ist, dass Pläne des beabsichtigten Baus eines neuen Kanals in Lateinamerika umgesetzt würden. Westliche Geheimdienste würden jedoch aufmerksam den Weg von schwerer Maschinenausrüstung nach Nicaragua sowie die Aktivitäten der Iraner in der nicaraguanischen Hauptstadt Managua verfolgen, hiess es und weiter, dass im Jahr 2007 Hugo Chavez Pläne angekündigt hätte, eine 350.000.000 US-Dollar teure Wasserstrasse zwischen den beiden Ozeanen zu bauen und die Iraner hätten ihr Interesse an dem Bau eines Hafens am Atlantischen Ozean bekundet. Die USA haben sich bisher nicht besorgt über eine dieser Initiativen geäussert.
Was das Kartentheater wegen Google Maps betrifft, ist die beste Empfehlung hierzu: zum einen Ohr rein und schnurstracks zum anderen Ausgang des Köpfchens wieder raus damit. Das ist nur das berühmte, zum deutschen sprichwörtlich gewordenen – Niveau für den Bildzeitungsleser – die Redaktion möge das mit ihrem gewohnten Gleichmut nachsehen.
Was hier auf Kosten Costa Ricas als Bauer im Schachspiel der Nationen ausgetragen wird, ist der Zusammenprall des westlichen Systems und den sich von ihm unabhängig machen wollenden Staaten – eine unausweichliche Konfrontation wegen mangelnder Kooperation.
Artikel zum Thema
19.01.2010 Zweiter Kanal zwischen Pazifik und Atlantik
Unter der neuen politischen Lage in Lateinamerika mit der Übernahme der Verwaltung in Haiti durch das US-amerikanischen Militärs bekommen die jahrzehnte alten Pläne ein ganz neues Gewicht
Quellen:
(1) http://www.tagesschau.de/ausland/googlenicaragua100.html