AM SAMSTAGABEND vor zwei Wochen kehrten wir mit einem Taxi von der jährlichen Gedenk-Demo für Yitzhak Rabin nach Hause zurück und, wie üblich, kamen wir mit dem Taxifahrer in ein Gespräch.
Im allgemeinen verlaufen diese Gespräche freundlich mit viel Gelächter. Rachel mag sie, weil sie uns direkt mit Menschen zusammenbringen, denen wir sonst nicht begegnen. Die Gespräche sind notwendigerweise kurz, die Leute drücken ihre Ansichten genau aus, ohne ihre Worte besonders zu wählen. Sie sind recht verschieden, und im Hintergrund hört man die Radionachrichten, Talkshows oder Musik, die vom Taxifahrer ausgewählt wurde. Und natürlich hört man vom Sohn, der Soldat ist, und der Tochter, die studiert.
Aber dieses Mal ging es weniger glatt. Vielleicht waren wir provokativer als gewöhnlich, immer noch deprimiert von der Rallye, die keinen politischen Inhalt hatte, ohne Emotionen und ohne Hoffnung war. Der Fahrer regte sich immer mehr auf, auch Rachel. Wir hatten das Gefühl, dass dies mit einem Streit geendet hätte, wenn wir nicht zahlende Kunden gewesen wären.
DIE ANSICHTEN unseres Fahrers können, wie folgt, zusammengefasst werden:
Es wird nie Frieden zwischen uns und den Arabern geben, weil die Araber ihn nicht wollen.
Die Araber wollen uns abschlachten. Sie haben das immer gewollt und werden es immer wollen.
Jedes arabische Kind lernt von früh an, dass man die Juden umbringen muss.
Der Koran predigt Mord.
Tatsache ist, dass es da, wo es Muslime gibt, auch Terrorismus gibt. Wo immer Terrorismus ist, dort sind Muslime.
Wir dürfen den Arabern nicht einen Quadratmeter Land geben.
Was bekamen wir, nachdem wir den Gazastreifen zurückgegeben hatten? Die Qassam-Raketen.
Da kann man nichts machen. Wir können sie nur auf den Kopf hauen und in die Länder zurückschicken, aus denen sie kamen.
Nach dem Talmud: Töte den zuerst, der kommt, um dich zu töten.
DIESER FAHRER drückte in einfacher und ungeschminkter Weise die Überzeugung aus, die heute die große Mehrheit der jüdischen Israelis im Lande vereinigt.
Es ist nicht etwas, was mit irgend einem Bevölkerungsteil identifiziert werden könnte. Es ist Allgemeingut aller Schichten. Der Besitzer eines Marktstandes wird es ungehobelt sagen, ein Professor wird es in einer gelehrten Abhandlung mit vielen Fußnoten niederschreiben. Ein ranghoher Offizier akzeptiert es als selbstverständliche Annahme, ein Politiker gründet seine Wahlkampagne darauf.
Dies ist heute das wirkliche Hindernis, dem sich das israelische Friedenslager gegenüber sieht. Es gab einmal eine Zeit, in der diskutiert wurde, ob es überhaupt ein palästinensisches Volk gibt. Das liegt weit hinter uns. Danach mussten wir über „Groß-Israel“ diskutieren und „befreite Gebiete werden nicht zurückgegeben“. Das haben wir überwunden. Dann gab es die Diskussion, ob „Gebiete“ an König Hussein oder an einen palästinensischen Staat, der neben Israel errichtet werden solle, zurückgegeben werden sollten. Auch darüber sind wir hinweggekommen. Danach ging es darum, ob wir mit der PLO verhandeln sollen, die noch als terroristische Organisation definiert wurde – mit dem Erz-Terroristen Yasser Arafat. Auch das haben wir hinter uns . Alle Führer der Nation standen später Schlange, um ihm die Hand zu schütteln. Dann gab es Streit über den Preis – zurück zur Grünen Linie? Landtausch? Ein Kompromiss mit Jerusalem? Siedlungen evakuieren? Das liegt hinter uns.
All diese Debatten waren mehr oder weniger rational. Natürlich waren sie mit tiefen Emotionen verbunden. Aber auch mit Logik.
Aber wie muss man mit Leuten reden, die vollkommen davon überzeugt sind, dass die Diskussion als solche irrelevant ist? Dass sie sich von der Realität getrennt hat?
In den Augen der Gesprächspartner ist es sinnlos, zu fragen, ob es sich lohnt, Frieden zu schließen, ob Frieden gut oder schlecht für die Juden ist, diese Fragen sind unnütz, wenn nicht ausgesprochen dumm, da wir nur noch mit uns selbst eine Debatte führen.
Es wird niemals Frieden geben, weil die Araber niemals Frieden wünschen. Ende der Diskussion.
WER IST Schuld an dieser Einstellung? Wenn es da eine Person gibt, die schuldiger ist als jede andere, dann ist es Ehud Barak.
Wenn es einen Internationalen Gerichtshof für „Friedensverbrechen“ gäbe, wie den Internationalen Gerichtshof für Kriegsverbrechen, dann sollten wir ihn dorthin geschickt haben.
Als Barak die 1999er-Wahlen gegen Binyamin Netanyahu erdrutschmäßig gewann, hatte er keine Ahnung vom palästinensischen Problem. Er sprach so, als hätte er nie ein ernsthaftes Gespräch mit einem Palästinenser geführt. Aber er versprach, innerhalb von Monaten Frieden zu schließen, und mehr als hunderttausend jubelnde Leute feierten ihn am Abend der Wahl auf dem Platz, auf dem Rabin ermordet worden war.
Barak war sich sicher, dass er genau wisse, was er tun müsse: Arafat zu einem Treffen zitieren und ihm einen palästinensischen Staat anbieten. Arafat würde ihm dann mit Tränen in den Augen danken und alles andere aufgeben.
Aber als die Camp-David-Konferenz einberufen wurde, war er geschockt, als er sah, dass die Palästinenser – so böse wie sie sind – einige eigene Forderungen hatten. Die Konferenz endete als Fehlschlag.
Als Barak nach Hause kam, erklärte er nicht: „Tut mir leid, ich hatte keine Ahnung. Ich werde versuchen, es besser zu machen.“ Es gibt nicht viele Führer auf der Welt, die ihre Dummheit zugeben.
Ein normaler Politiker würde gesagt haben: „Diese Konferenz hat noch keine Ergebnisse gebracht, aber es gab einige Fortschritte. Es wird noch mehrere Treffen geben, und wir werden die Differenzen zu überbrücken versuchen“.
Barak aber produzierte ein Mantra, das jeder Israeli seitdem tausendmal gehört hat:
„Ich habe jeden Stein auf dem Weg zum Frieden umgedreht.
Ich habe den Palästinensern die großzügigsten Angebote gemacht.
Die Palästinenser haben alles zurück gewiesen.
Sie wollen uns ins Meer werfen.
WIR HABEN KEINEN PARTNER FÜR DEN FRIEDEN!“
Wenn Netanyahu so etwas gesagt hätte, wäre keiner beeindruckt gewesen. Aber Barak hatte sich selbst zum Führer der Linken und des Friedenslagers ernannt.
Das Ergebnis war katastrophal: die Linke brach zusammen, das Friedenslager verschwand beinahe. Barak selbst verlor die Wahlen durch einen Erdrutsch. Und das ist nur gerechtfertigt: wenn es keine Chance für den Frieden gibt, wer braucht ihn dann noch? Warum ihn wählen? Schließlich war Ariel Sharon, sein Gegner bei den Wahlen, viel besser für einen Krieg geeignet.
Das Ergebnis: der normale Israeli war schließlich davon überzeugt, dass es keine Chance für den Frieden gab. Schließlich hat ja Barak selbst gesagt, dass es keinen Partner für den Frieden gab.
KEINE EINZELNE Person, nicht einmal ein Genie wie Barak, wäre in der Lage gewesen, solch eine Katastrophe zu verursachen, wenn die Voraussetzungen nicht schon da gewesen wären.
Der Konflikt zwischen den Israelis und den Palästinensern begann vor 130 Jahren. Eine fünfte und sechste Generation ist in ihn hineingeboren worden. Ein Krieg vertieft die Mythen und Vorurteile, den Hass und das Misstrauen, die Dämonisierung des Feindes und den blinden Glauben an die eigene Rechtschaffenheit. Das liegt im Wesen des Krieges. Er schafft auf beiden Seiten eine geschlossene und fanatische Welt, die kein Gegenargument durchdringen kann.
Daher, wenn ein Araber seine Bereitschaft zum Frieden machen erklärt, bestätigt dies nur, dass alle Araber Lügner sind (und umgekehrt: wenn ein Israeli einen Kompromiss vorschlägt, bestärkt es nur den palästinensischen Glauben, dass die Tricks des zionistischen Feindes, der sie zu vertreiben plant, keine Grenzen kennt).
UND WAS am wichtigsten ist: die Überzeugung, dass „Wir keinen Partner für den Frieden haben“ ist äußerst bequem.
Wenn es keine Chance für den Frieden gibt, müssen wir uns auch nicht den Kopf über ihn zerbrechen, geschweige denn etwas für ihn tun.
Man braucht keine Worte über diese Albernheit verschwenden. Tatsächlich ist schon allein das Wort „Frieden“ altmodisch geworden. Es wird nicht mehr in der höflichen politischen Gesellschaft erwähnt. Höchstens spricht man über „das Ende der Besatzung“ oder das „Abkommen eines Endstatus“ – was beides natürlich ganz unmöglich ist.
Wenn es keine Chance für den Frieden gibt, kann die ganze Sache vergessen werden. Es ist unangenehm, über die Palästinenser nachzudenken und darüber, was mit ihnen hinter der Mauer in den „Gebieten“ geschieht. Lasst uns deshalb all unsere Aufmerksamkeit (die auch ihre Grenze hat) auf die wirklich wichtigen Dinge lenken, wie z.B. den Streit zwischen Barak und Ashkenazi, Olmerts Geschäftsaffären, die tödlichen Straßenunfälle und den kritischen Zustand des Sees Genezareth.
Und da wir gerade dabei sind: wenn es keine Chance für Frieden gibt, warum nicht Siedlungen bauen? Warum nicht Ost-Jerusalem judaisieren? Warum nicht die Palästinenser einfach vergessen?
Und wenn es keine Chance für den Frieden gibt, was sollen diese mitfühlenden Herzen in aller Welt uns für Lektionen erteilen? Warum belästigt uns Obama? Warum langweilt uns die UN? Wenn uns die Araber massakrieren wollen, dann müssen wir uns selbst verteidigen und jeder, der von uns wünscht, dass wir mit ihnen Frieden machen sollen, ist nichts als ein Antisemit oder ein selbst-hassender Jude.
DAS HEBRÄISCHE Sprichwort, „die Stimme der Massen ist wie die Stimme Gottes“ kommt aus dem Lateinischen „Vox populi, vox Dei“ („Die Stimme des Volkes, ist die Stimme Gottes“) Es wurde das erste Mal von einem angelsächsischen Geistlichen vor fast 1200 Jahren in einem Brief an Kaiser Karl den Großen verwendet – und zwar in negativem Sinne: Man solle nicht auf jene hören, die das sagen, da die Gefühle der Massen immer an Wahnsinn grenzen.
Ich bin nicht bereit, solch ein anti-demokratisches Statement gut zu heißen. Doch wenn wir etwas in Richtung Frieden verändern wollen, müssen wir zweifellos diesen riesigen Felsen aus dem Weg räumen. Wir müssen der Öffentlichkeit eine andere Überzeugung einflößen – die Überzeugung, dass Frieden möglich ist, ja dass er für die Zukunft Israels nötig ist und dass dies hauptsächlich von uns abhängt.
Zu solch einer Überzeugung zu bringen, wird uns nie durch Routinediskussionen gelingen. Anwar Sadat hat uns gelehrt, dass es möglich ist, aber nur durch dramatische Aktionen, die die Grundlagen unserer geistigen Welt erschüttern.
Zu Händen von Herrn Obama.
(aus dem Englischen: Ellen Rohlfs, vom Verfasser autorisiert)