Besorgniserregendes Sicherheitskonzept
Zur 6. Faktenschlichtungsrunde zu Stuttgart 21
Beim sechsten Gespräch zu Stuttgart 21 ging es heute um Geologie und Sicherheit. Die Runde wurde aufgrund von langwierigen Diskussionen über wichtige Themen um über zwei Stunden verlängert.
Quellen von Anhydrit
Als wesentlichen Punkt des Problems hielt der Geologe Sierig fest, dass der Prozess des Quellens von Anhydrit wissenschaftlich noch nicht vollständig geklärt sei (9:56 Uhr). Als Beispiel führte er u.a. den Engelbergtunnel bei Leonberg an (10 Uhr), der 100 Mio. Euro zusätzliche Kosten für nur 500 Meter Tunnellänge verursacht habe und immer noch problematische Querdrücke aufweise. Bislang seien erst 14 Tunnel im Gipskeuper gebaut worden, fügte Sierig hinzu, und lediglich bei zweien davon seien noch keine Probleme aufgetreten. Er veranschaulichte, dass die Probleme durch Quelldruck in der Regel 100-150 Jahre anhalten könnten.
Risikobeurteilung
Sehr interessant wurde es, als Palmer den Experten der Bahn, Prof. Wittke fragte: „Können Sie zu 100% ausschließen, dass es Wassereinbrüche geben kann?“ Wittke bezeichnete diese Frage als nicht zulässig (10:39 Uhr). Als nächstes fragte Palmer: „Ist es richtig, dass die Mehrzahl der Tunnel [in Anhydrit] problematisch ist und kann man ausschließen, dass es bei S21 ähnlich wie beim Adlertunnel [neuester Problemtunnel, Schweiz] läuft (10:46 Uhr)?“ Darauf Wittke: „Diese Frage kann man so nicht beantworten.“
Barrierefreiheit
Als Behindertenbeauftragter des Fahrgastverbandes Pro Bahn merkte Drewes 14:38 Uhr an, dass der vorhandene Bahnhof über den Nordflügel ab dem Auto barrierefrei bis zum Zug zugänglich sei. Neben weiteren Unzulänglichkeiten sei dies beim neuen Tiefbahnhof nicht möglich. Drewes fasste das Konzept von S21 zusammen: „Der Tiefbahnhof ist aus Sicht behinderter Menschen überhaupt nicht tragbar.“ Diese Aussage kommentierte Geißler 14:46 Uhr mit den Worten: „Vielen Dank, das musste mal gesagt werden.“ Drewes und Geißler stimmten überein, dass dies bis 2030 ca. 30 % aller Fahrgäste betreffen würde, nämlich nicht nur Behinderte, sondern auch die immer älter werdende Bevölkerung und Mütter mit Kinderwagen.
Brandschutzausstattung
Zu Fragen der Sicherheit bei S21 erklärte Bahnexperte Berger (14:06 Uhr): „Die Züge, die hier fahren haben eine höhere Brandschutzausstattung als die Züge die normalerweise auf freier Strecke fahren.“ Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass neben dem Signalsystem und dem Tunnelquerschnitt (zweiter Tag der Schlichtung) nun auch die Brandschutzausrüstung die Tunnelstrecken von S21 für vorhandene Züge unbenutzbar macht.
Evakuierung im Brandfall
Ing. Heidemann legte 15:06 Uhr eine Fluchtwegsimulation für den neuen Tiefbahnhof vor nach der es 21 Minuten dauere, bis der Tiefbahnhof evakuiert sei. (Dies wurde von Bahnexperte Berger um 15:58 Uhr bestätigt für den Fall, dass eine Ebene nicht mehr nutzbar sei. Ansonsten dauere die Evakuierung 15 Minuten.) Im Anschluss (15:09 Uhr) legte Heidemann eine anerkannte Simulation zur Verrauchung des Tiefbahnhofs vor, nach der schon bei relativ kleiner Brandlast (50% der Bahnvorgabe) alle Ebenen innerhalb 10 Minuten komplett verraucht seien. Danach (15:19 Uhr) deckte Stocker weitere Probleme bei den Sicherheitsräumen der Tunnelstrecke auf, was von der Bahn mit Antworten auf Detailfragen dankend aufgegriffen wurde. Diese Zerstreuungstaktik der Bahn beantwortete Geißler wütend um 15:30 Uhr: „Es ist unglaublich, man muss schon sagen, Sie retten doch Ihren Bahnhof nicht dadurch, dass Sie jetzt meine Fragen nicht beantworten.“
Hausaufgaben für die Bahn
Nach weiterem Hin und Her der Bahn zog Geißler 15:36 Uhr einen Schlussstrich: „Sie müssen in jedem Fall ein Sicherheitskonzept haben für den Worst Case und nicht nur für den Fall, dass der Rauch da hin geht, wo Sie das wollen. Dies bekommen Sie jetzt als Aufgabe von mir.“