Parkschützer bewerten 8. Schlichtungsrunde.
Kosten der Neubaustrecke weiterhin fraglich
Zu Beginn zeigte Vieregg auf, dass Kefer bei den von ihm vorgerechneten Kosten für die Neubaustrecke Wendlingen-Ulm offenbar falsche Tunnelquerschnitte angenommen hatte (9:27).
Mit korrekten Querschnitten kommt Vieregg anhand von Vergleichsprojekten auf Kosten von 4,6 Milliarden € statt den von der Bahn prognostizierten 2,89 Milliarden. Da die Bahn sich jedoch weiterhin weigert, die konkreten Zahlen und Berechnungen offen zu legen, bleibt hier Aussage gegen Aussage bestehen.
Zugleich ist aber die Finanzierung für die von der Bahn genannten 2,89 Milliarden € noch offen, und Gönner räumte dazu ein (09:51 Uhr): „Es gibt eine Unterfinanzierung des Bundes, und das werden wir hier nicht lösen.“
-> Die Neubaustrecke wäre realistisch viel teurer, die Finanzierung dazu ist aber nicht geklärt und die Landesregierung äußert sich dazu nicht. Gleichzeitig wurde mit dem Bau der Neubaustrecke entgegen der Freidenspflicht schon begonnen.
Ausstiegskosten der Bahn verpuffen
Erstmalig wurden die gebetsmühlenartig wiederholten Ausstiegskosten von 2,8 Mrd. € durch die Wirtschaftsprüfer aufgeschlüsselt, statt es nur als Endsumme in den Raum zu werfen. Hierbei stellte sich heraus, dass der Großteil dieser angeblichen Kosten nur zwischen den Projektbetreibern hin und her geschoben werden, aber in der Gesamtheit nicht anfallen. Z.B. rechnet die Bahn den Zuschuss des Flughafens für S21 (115 Mrd. €) für den Fall des Ausstiegs als Verlust an, weil dieser dann nicht bezahlt würde (10:29 Uhr). Nachdem dies als „linke Tasche – rechte Tasche“-Rechenkunststück aufgedeckt wurde, und die realen Kosten mit ca. 600 Millionen beziffert wurden (10:54), versuchte Kefer, dies mit den Worten zu widerlegen: „Wir werden die gesamten Kosten (2,8 Mrd. €), wie sie hier stehen, alle miteinander einklagen“.
-> Im Klartext heißt dies nichts anderes, als dass die Bahn als bundeseigener Betrieb im Namen des Bundes (als Eigentümer) von Bund und
Land vor Gericht Gelder einklagen will, die dann wieder als Gewinn an den Bund ausgeschüttet werden.
Nachgebesserter Fahrplan der Bahn deckt Schwächen auf
Palmer erklärte den neuen, nachgebesserten Fahrplan der Bahn für S21 (11:36 Uhr) und deckte auf, dass schon im Grundtakt pro Stunde 3 Doppelbelegungen von Bahnsteigen vorgesehen sind plus 10 Zugfolgen (dies
entspricht über 50% aller Züge) unter 5 Minuten auf demselben Gleis, was zwangsläufig zu großen Problemen bei Verspätungen führen würde.
Zugleich verhindern diese Zugfolgezeiten auch, dass Züge aufeinander warten können, und es kommt dadurch zu längeren Wartezeiten beim Umsteigen.
In der Spitzenstunde sieht der neue Fahrplan der Bahn sogar 7 Doppelbelegung vor, und für fast alle Züge weniger als 5 Minuten Zugfolge.
Da es sich hierbei ja bereits um einen nachgebesserten Fahrplan handelt, folgerte Palmer daraus (11:50 Uhr): „Besser kann man mit der
Infrastruktur von S21 keinen Fahrplan machen“ was Herr Leuschel (Bahn) ausdrücklich abnickte!
Die frühere Aussage, S21 biete 30% mehr Leistungsfähigkeit als der bestehenden Bahnhof (Prof. Martin 2005), ist dadurch in der Praxis für Palmer nicht haltbar (11:50 Uhr), weil darin keine Zulauf-Engpässe
berücksichtigt werden (Hauptproblem bei S21) und von 1 Min Haltezeit ausgegangen wurde.
Palmer zieht daraufhin das Fazit: „S21 kann unter vernünftigen Bedingungen gerademal die 37 Züge abwickeln, wie es der heutige Kopfbahnhof ohne Doppelbelegung bereits kann.“
Die von der Bahn angegebenen Mehrfahrten pro Tag entstehen, indem zu den Zeiten mehr Züge als bisher fahren, in denen sie gar nicht gebraucht werden. Dies wäre zwar mit dem bisherigen Bahnhof ebenso möglich, aber weder nötig noch wirtschaftlich.
Verspätungen werden zum Normalfall
Als nächstes demonstrierte Palmer, wie sich beim vorgestellten Fahrplan von S21 Verspätungen übertragen und aufschaukeln. Als Beispiel nahm er den ICE aus Richtung Horb, der nach dem S21-Fahrplan der Bahn in Herrenberg 1 Minute vor der S-Bahn auf die Strecke einfahren muss. Hat der ICE nur 1 Minute Verspätung, löst er damit Verspätungen im S-Bahn-Verkehr aus. Darüber hinaus ist dies auch nur 2x pro Stunde möglich, also für genau 1 ICE und 1 Nahverkehrszug.
Der nachgebesserte Notfall-Fahrplan der Bahn sieht nun bei Störungen im S-Bahn-Tunnel vor, bis zu 4 S-Bahnen pro Stunde durch den Tiefbahnhof zu leiten (12:18 Uhr). Abgesehen von der immer noch ungeklärten Kostenfrage, um hierfür entweder die S-Bahnen mit ETCS auszurüsten oder die Tunnel zusätzlich mit konventionellem Signalsystem zu versehen, entsprechen 4 Züge pro Stunde genau einer S-Bahn-Linie im Hauptverkehr (15 Minuten Takt). Es fahren jedoch 3 Linien, also 12 Züge pro Stunde nach Vaihingen.
Noch dramatischer wird die Lage bei einer Störung im Fildertunnel, bei der dann insgesamt nur noch 6 Züge pro Stunde verkehren können. Palmer führt dazu an, dass diese Störung, wie bei bestehenden Tunnel bereits vorgekommen, auch durchaus eine Sanierung wegen quellendem Anhydrit sein könnte, währenddessen die Tunnelröhre dann längere Zeit gesperrt wäre.
S21 aus Kostengründen zu knapp geplant
Als nächstes wies Palmer darauf hin (12:22 Uhr), dass selbst Prof. Heimerl (einer der Planer von S21 und in der Schlichtung als Experte pro S21) empfiehlt, 2 weitere Zufahrtsgleise von Zuffenhausen zu bauen, den Tiefbahnhof von 8 auf 10 Gleise zu erweitern, die Engstelle am Flughafen 2-gleisig auszubauen und die Wendlinger Kurve zu erweitern.
Die Experten der Gegner halten es zusätzlich für notwendig, die sogenannte 2-gleisige große Wendlinger-Kurve zu bauen, bei der sich die Züge nicht gegenseitig blockieren, die Neubaustrecke von Rohr bis Flughafen, um hier nicht wie geplant mit ICE per befristeter Ausnahmegenehmigung die S-Bahnstrecke zu befahren und die Gäubahn zu erhalten, um bei Störungen eine Ausweichmöglichkeit zu haben.
Geißler kommentierte den Vortrag von Palmer: „Es ist ja nicht von der Hand zu weisen, dass Probleme da sind.“ (12:30 Uhr)
Bahnvorstand Kefer antwortete auf diesen Vortrag von Palmer wie folgt (12:35 Uhr): „Herr Palmer, ich zolle ihnen Respekt und meine das ehrlich“. Weiter räumte er ein, „dass Probleme sich aufschaukeln, kann ich im Moment nicht ausschließen“ und zog daraus den Schluss: „Es muss untersucht werden, was passiert, wenn ich Verspätungen habe, schaukeln die sich auf oder dämpfen die sich wieder?“
-> Wenn damit aber selbst die Bahn erst untersuchen muss, ob S21 so wie geplant in der Realität funktioniert oder nur mit enormen Zusatzkosten, dürfen bis zu dieser Klärung keine weiteren Fakten geschaffen werden! Dies fordert auch Palmer ausdrücklich (13:10 Uhr).
Leistungsfähigkeit von S21 schrumpft weiter
Kefer räumte ein, dass bei den 44 Zügen des vorgelegten Fahrplans die Kapazität von S21 wegen der Infrastruktur vollständig ausgereizt sei (14:18 Uhr).
Dazu merkte Palmer dann an (14:25), dass dieser Fahrplan zum Teil 3 Minuten Zugfolge beinhaltet, während Hamburg bei 8 Minuten liegt, Köln mit ständigen Verspätungen bei 5 Minuten und Mannheim bei 6 Minuten. An die Bahn stellte er folgerichtig die Frage: „Welcher Deutsche Großbahnhof fährt 3 Minuten Zugfolge?“ Die Frage beantwortet Leuschel mit: „Die Berliner Stadtbahn.“
-> Der bestehende Bahnhof bewältigt bereits real 38 Züge pro Stunde, und dies als zweitpünktlichster Großbahnhof Deutschlands und laut ehemaligem Bahnhofs-Chef Hopfenzitz ohne dabei an seine Leistungsgrenze zu stoßen. Die maximal 44 Züge bei S21 sind jedoch mit Zugfolgezeiten errechnet, die in Deutschland bislang noch nie in einem Fahrplan gefahren wurden und noch nicht einmal in einer vollständigen Simulation bestätigt wurden.
Da dies in der Schlichtung von der Bahn eingeräumt werden musste und somit unstrittig ist, muss die Frage erlaubt sein, welcher tatsächliche Nutzen dieses Milliardenprojekt rechtfertigen soll?
Hinzu kommen bei S21 deutlich längere Umsteigezeiten, die sich ganz zwangsläufig aus der Halbierung der Bahnhofsgleise ergeben (kein integraler Taktverkehr möglich).
Finanzierung von K21 durchaus zeitnah machbar
Bei Beantwortung der Fragen zu K21 legt Palmer unter anderem dar (15:02 Uhr), dass die Bundesmittel an den Ausbau des Bahnknotens Stuttgart gebunden sind und nicht, wie ständig behauptet, an S21, womit sie auch für K21 zur Verfügung stünden.
Die schwierige Suche nach Schwachstellen von K21
Wie gut das Konzept K21 ist, zeigte sich deutlich dadurch, dass die S21-Befürworter sich ausführlich und inkl. Folienpräsentation z.B. darauf stürzten, dass jede achte(!) S-Bahn Richtung Schorndorf 3 kleinere Haltestellen auslässt und damit generell das Konzept von S-Bahnen in Frage stellen würde (15:44 Uhr).
Sämtliche Kritikpunkte der Befürworter fasste Palmer zusammen: „Wenn das alles ist, was sie daran kritisieren, bin ich selbst überrascht, wie gut wir waren“ (15:53 Uhr)
Risiken für das Mineralwasser plötzlich verschwunden?
Zum Schluss der 8. Schlichtungsrunde wurden unter Zeitdruck nochmals kurz die geologischen Risiken bezüglich der Mineralquellen behandelt. Nach der alten Konzeption des Mineralwasserschutzgebietes läge die Baugrube von S21 mitten in der höchsten Schutzzone und wäre somit niemals genehmigungsfähig gewesen, nach der neuen Konzeption weist die Kernzone „zufällig“ genau im Gebiet des geplanten Tiefbahnhofs eine Lücke auf (17:19 Uhr), in der dann mittels Ausnahmegenehmigungen Bautätigkeiten zulässig geworden sind.
Die vorgelegten alten und neuen Pläne des Mineralwasserschutzgebietes werden auch von der Befürworter-Seite nicht bestritten.
Anhand geologischer Messdaten wäre die nördliche Grenze dieser Kernzonen-Lücke noch diskutabel, die südliche Grenze jedoch verläuft mitten durch eine Formation, die ansonsten der Kernzone zugeschrieben wird (17:31). Die Grenzen der geänderten Kernzone verlaufen nun exakt am Baugebiet A3 (17:34)!
Rückfragen an Matthias von Herrmann, Pressesprecher der Parkschützer, Tel. 0174-7497868 oder an Carola Eckstein, Tel. 01525-3684818 oder an Fritz Mielert, Tel. 0176-66681817
Presseerklärungen und Hintergrundinfos / Presseportal: www.parkschuetzer.org/presse
Internet: www.bei-abriss-aufstand.de und twitter.com/AbrissAufstand und www.parkschuetzer.org