In Aussicht gestellter Haftbefehl für Dick Cheney potentieller Fall für Interpol
Schmiergeldaffäre in Nigeria geht in die nächste Poker-Runde vor den Präsidentschaftswahlen im kommenden April
Godwin Obla, Staatsanwalt der nigerianischen Antikorruptionsbehörde Economic and Financial Crimes Commission (EFCC) teilte laut einem Bloomberg-Bericht vom 1.Dezember 2010 mit, dass wegen dem Bestechungsskandal „Halliburton und Kompanien“ für den ehemaligen Vizepräsidenten der USA, Dick Cheney, Haftbefehl und ein dementsprechender Antrag bei Interpol ausgestellt werden wird.
Dick Cheney, von 1995 bis 2000 Aufsichtsratsvorsitzender und CEO von Halliburton, und Beamte aus fünf ausländischen Unternehmen, darunter aktuelle und ehemalige Vorstandsvorsitzende von Halliburton Co., sollen wegen Zahlung von Bestechungsgeldern in Höhe von 180 Millionen US-Dollar in Nigeria vor Gericht vernommen werden. Dabei handelt es sich um die Unternehmen KBR Inc. aus Texas in Houston, Technip SA, Europas zweitgrösster Ölfeld-Dienstleister, Eni SpA, Italiens grösster Ölkonzern, und Saipem Construction Co., ein Unternehmen der Eni.
Gestern teilte Obla in seinem Büro in der Stadt Abuja mit, dass die Anklageerhebung innerhalb der nächsten drei Tage bei einem Gericht in Nigeria eingereicht wird.
„Ein Haftbefehl für Cheney wird an Interpol, die weltweit grösste internationale Polizeiorganisation, ausgestellt und übermittelt“, sagte der Staatsanwalt. (1)
EFCC-Sprecher Femi Babafemi sagte gegenüber Reuters: „Wir bereiten eine Strafanzeige gegen Cheney vor“ und lehnte es ab, weiteren Details über den Inhalt der Anklage oder wo sie eingereicht werden wird, bekannzugeben. (2)
Obla liess wissen, dass Dick Cheney als ehemaliger leitender Geschäftsführer die Verantwortung für Handlungen, die in dieser Zeit aufgetreten waren, zu übernehmen hat.
Der Sprecher von Dick Cheney, Peter Long, sagte, er könne das nicht sofort kommentieren, als er am 1.Dezember zu der Angelegenheit kontaktiert wurde und teilte mit, er würde zu einer E-Mail Anfrage später mit einer Stellungnahme reagieren.
Terrence O‘Donnell, Cheneys Anwalt von der Williams & Connolly LLPsagte in einer Erklärung, die an der Sache beteiligten Aktivitäten liegen „weit über zehn Jahre“ zurück und „jede Beschuldigung von Fehlverhalten seinerseits jetzt, Jahre später, zu erheben, ist völlig unbegründet.“ und erklärte weiter
„Das US-Justizministerium und die Securities and Exchange Commission haben das Joint Venture ausgiebig untersucht und fanden keinen Hinweis auf eine Ungehörigkeit von Dick Cheney in seiner Rolle als CEO von Halliburton.“ (3)
In der vergangenen Woche wurden in Nigeria mindestens 23 Beamte der oben genannten Unternehmen sowie einer ehemaligen Tochtergesellschaft der Panalpina Welttransport Holding AG im Zusammenhang mit angeblich rechtswidrigen Zahlungen an nigerianische Beamte verhaftet.
Am 29.November 2010 wurden die Festgenommenen gegen Kautionszahlungen wieder auf freien Fuss gesetzt.
Am 30.November hatte die EFCC den Gebietschef für Nigeria von Halliburton zur Vernehmung vorgeladen.
Das in Houston, Texas, ansässige Ingenieurbüro Kellogg Brown and Root (KBR) – eine ehemalige Tochtergesellschaft von Halliburton – bekannte sich im Vorjahr schuldig, 180 Millionen US-Dollar an Bestechungsgeldern zwischen 1994 und 2004 an nigerianische Beamte gezahlt zu haben um so die Verträge über 6 Milliarden Dollar an dem liquefied natural gas (LNG) Projekt von Bonny Island an der südlichen Küste mit der Nigeria LNG Ltd, die grösster Aktionär der staatlichen Erdölgesellschaft ist, im Nigerdelta zu erhalten.
Cheney war vor seinem Amt als US-Vizepräsident der Chef von KBR und Halliburton, die sich im Jahr 2007 voneinander trennten.
Der US-Konzern Halliburton – der auch vor der Explosion der Ölplattform Deepwater Horizon im Frühjahr diesen Jahres im Golf von Mexiko an Zementierungsarbeiten am Bohrloch beteiligt war – teilte mit, dass der derzeitige Geschäftsbetrieb nichts mit der ehemaligen Verbindung zu tun hat. Es habe in der letzten Woche eine Razzia der EFCC gegeben, die der Sprecher als „einen Affront gegen die Gerechtigkeit“ beschrieben hatte und bei der seine Büros durchwühlt und Personal angegriffen wurden.
„Die Halliburton Ölfeldgeschäfte in Nigeria waren noch nie in irgendeiner Weise ein Teil des LNG-Projekts und keiner der Halliburton Mitarbeiter hatte jemals irgendeine Verbindung zu oder eine Teilnahme an diesem Projekt“, hiess es.
Halliburton hatte letztes Jahr gesagt, es sei „Grund zu der Annahme“, dass die Zahlungen an nigerianische Beamte von Agenten des TSKJ Konsortiums, welches den Bau der Flüssiggasanlage Bonny Island durchführte, veranlasst sein könnten. Technip, Snamprogetti SpA und KBR hatten zusammen mit der in Japan ansässigen JGC Corporation ein Joint Venture namens TSJK für die Beteiligung an den Ausschreibungen gegründet.
Im Jahr 2009 hatte allerdings Halliburton und sein Tochterunternehmen Kellogg Brown and Root (KBR) US-Angaben zufolge im Zusammenhang mit dem gleichen Korruptionsskandal einer Strafzahlung von 579 Millionen Dollar zugestimmt. Albert „Jack“ Stanley, ehemaliger geschäftsführender Direktor von KBR, der unter Cheney gearbeitet hatte, als dieser Halliburton leitete, bekannte sich im Jahr 2008 schuldig, zuständige nigerianische Beamten für die Arbeit an der Bonny Island Anlage bestochen zu haben.
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(1) http://www.bloomberg.com/news/2010-12-01/nigeria-to-file-charges-against-former-u-s-vice-president-over-bribery.html
(2) http://af.reuters.com/article/topNews/idAFJOE6B10E020101202?pageNumber=1&virtualBrandChannel=0
(3) http://blogs.wsj.com/corruption-currents/2010/12/02/nigeria-to-file-charges-against-dick-cheney-over-bribery/