Der derzeitige Bundesvorsitzende der „Freien Demokratischen Partei Deutschland“ (FDP), Guido Westerwelle, hat ohne Zweifel keine Leistung erbracht, die sich für seine Partei in irgendeiner Weise gelohnt hätte. Man könnte auch einfach sagen: raus mit ihm.
Nur kann man das nicht so einfach sagen, in dieser Demokratie. Weil diese Demokratie sich, auch dank Westerwelle, immer mehr von oben her auflöst und zu einer Finanzmonarchie plus Kriegerstaat transformiert wird. Deswegen heisst das auch nicht mehr „Abwahl“, sondern „Putsch“. Und einen Gegenkandidaten bei irgendwelchen Wahlen hat es auch nicht zu geben. Das ist schon Putsch genug. Ein Pre-Putsch, quasi.
Aber auch ein Pre-Putsch hat noch seinen Vorläufer. Und zwar den Rumerzähler. Wir erzählen jetzt mal, da könnte es einen Gegenkandidaten geben. Diese Art von Gerüchte werden also von Pre-Pre-Putschisten gestreut und von pre-pre-putschistischen Zeitungsorganen abgedruckt, nein, gepostet.
Sie sehen, wohin das alles führt. Also lieber überhaupt keine Kandidaten aufstellen. Ähm, naja, keinen Gegenkandidaten. Lieber überhaupt keine Wahl, sondern lieber eine Ernennung plus/minus, so mit ein bisschen Bewertung der Ernennung obendrauf, je nachdem ob der Erwählte über oder unter 90 % der Ja-Sager auf seine Seite ziehen kann.
Nur so geht das. Sonst käme man ja ganz durcheinander bei der Freien Demokratischen Partei Deutschlands. Und würde auch noch ein schlechtes Beispiel für die anderen Funktionärsmonarchien (ehemals „Parteien“) in der Finanzmonarchie (ehemals „Bundesrepublik“) in der neuen kapitalistischen Sowjetunion („Europäische Union“) abgeben.
Also keinen Gegenkandidaten. Der König muss zurücktreten. Sagt der „Schaumburger Kreis“. Wer ist der „Schaumburger Kreis“? Eine irrelevante Tischrunde voller Marktradikaler, die mit allem was sie gemacht haben immer versagt haben – außer wenn es um´s Geld machen ging. Dabei ist dieser „Kreis“ weder „einflußreich“, noch hat er irgendeine Bedeutung für die Wahlen. Ebenso wenig seine Mitglieder, wie der Witzwirtschaftsminister Rainer Brüderle, eines der unfähigsten Megafone der edlen Rausredungskünste, die die lange Ministerbank der Nieten in Berlin schon gedrückt haben.
Die FDP hat bei der letzten Bundestagswahl im September u.a. deswegen derart gut abgeschnitten, weil sie am 5. Oktober 2008 den putschartigen – und diesmal tatsächlich putschartigen – Versuch von SPD, CDU und CSU aufhielt, gleichzeitig mit der Vorbereitung des nur zwölf Tage später schon durch den Bundestag gejagten Banken-Fonds Soffin in Höhe von einer halben Billion Euro auch noch den Militäreinsatz im Inneren durchzusetzen. Die geplante Verfassungsänderung hätte selbst dem damaligen Innenminister Wolfgang Schäuble ohne Zustimmung eines weiteren Verfassungsorganes den Oberbefehl über das Militär gegeben, um auf den Straßen Berlins die Panzer rollen zu lassen. Nur die FDP – nur die FDP – verhinderte mit ihrem Stimmenanteil im Bundesrat, dass dieses von den damaligen SPD-Ministern Frank-Walter Steinmeier und Justizministerin Brigitte Zypries mitentwickelte Handbuch zum Militärputsch nicht Verfassungsrang bekam. Dafür muss die Republik den Liberalen bis heute dankbar sein. (01.10.2008, Biedermann und die Bundesregierung)
Entscheidend dafür war die vorher im September 2008 aus dem langjährigen Öffentlichkeitsexil wieder aufgetauchte strahlende Wahlsiegerin von Bayern – die heutige FDP-Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger. Ihre Beteiligung an der Landesregierung von Bayern beendete die bis dahin vorherrschende verfassungsbrechende Zwei-Drittel-Mehrheit von SPD, CDU und CSU im Bundesrat.
Ein weiterer Grund für den Wahlsieg und die Monate zuvor anschwellenden Umfragewerte, der neben dem Eintreten der FDP gegen Internetsperren, gegen die Vorratsdatenspeicherung und für die Bürgerrechte oft vergessen wird – die FDP versprach einen „Rückzugsplan“ aus Afghanistan. (19.August 2009, FDP fordert „Rückzugsplan“ aus Afghanistan-Krieg, Sozens in Panik)
Aber nachdem dann tatsächlich die FDP – nach seltsam widerwilligen Koalitionsverhandlungen seitens Merkel, der CSU und CDU – an die Ministerposten kam, was geschah dann? Westerwelle startete surreales Gefasel über die „spätromische Dekadenz“ verarmter Bevölkerungsschichten, ließ im Januar noch 850 deutsche Soldaten mehr nach Afghanistan schicken und stellte sich dann in den Bundestag und erklärte über acht Jahre nach dem Einmarsch von 28 Nato-Staaten in Afghanistan dort herrsche ein „nichtinternationaler (!) bewaffneter Konflikt“. Dann erklärte die FDP die Bundeswehr auch noch zur „Interventionsarmee“ gegen den „Weltterrorismus“.
Dass die Bevölkerung überhaupt noch FDP wählt, ist ein Wunder. (Eskalation in Afghanistan: Jetzt saust das Fallbeil über CDU, FDP und CSU, 26.Januar)
Nachdem wir die Gründe der augenblicklichen Situation der FDP (neben dem üblichen „Das Kapital, das Kapital, das hat immer Recht“, usw) ausführlich erläutert haben, widmen wir uns nun der laufenden Kampagne gegen Guido Westerwelle. Denn das es in der Tat eine Kampagne gegen Westerwelle ist, die immer mal wieder wellenförmig auftritt, sagte niemand anderes als Sabine Leutheusser-Schnarrenberger. Das Interview mit der Justizministerin vom 16.Dezember – die von jeder Beliebtheitsskala der Umfrageinstitute ganz schnell wieder runter genommen wird, weil dann klar wird wie hoch sie klettert wenn man ihr keinen Klotz ans Bein bindet – versteckte Bayern2 auf seiner Webseite nur mittelmäßig. So konnte es denn doch noch gefunden werden. Tonmitschnitt
Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger wandte sich in dem Interview gegen eine Personaldiskussion und war eine der ganz wenigen FDP-Vertreter, die Westerwelle beisprangen. Dabei war sie auch noch so fair, ihren eigenen Wahlsieg in Bayern im September 2008 – der wie oben beschrieben sich als entscheidend für den Fortbestand der zivilen Republik erweisen sollte – auch noch der „guten Zusammenarbeit“ mit der Parteizentrale und Westerwelle anzurechnen.
Nun gilt es schlicht ein paar Dinge klar zu benennen.
Westerwelle ist seit 2001 Parteivorsitzender. Er machte in Berlin eine Bauchlandung nach der nächsten, nur dank dem damals noch zwischen Krieg und Frieden und nicht Krieg und Krieg wählenden Wähler nicht auch noch in Bagdad. In Tritt kam die FDP ab 2005 erst wieder durch den neuen Generalsekretär Dirk Niebel. Er ließ die liberalen Kräfte bei den Liberalen einfach machen, ließ Charaktere und Persönlichkeiten zu und quatschte sie nicht tot. Er quatschte eigentlich überhaupt nicht. Vor allem war er loyal. Für seinen Vorsitzenden Westerwelle muss dies eine quasi surreale Erfahrung gewesen sein.
Nach dem Regierungsantritt 2009 muss irgendjemand mit aller (neuen) Macht vorgehabt haben, die FDP nun als liberale Kraft möglichst gründlich und schnell auszuschalten. Neben der ganzen bekannten Lobby-Witzwirtschaftspolitik macht die FDP den haarsträubendsten aller Fehler mit der Versetzung vom bulligen Niebel in das Entwicklungsministerium. Bei jedem Bild von einer Weltreise dieses sich einfach nicht entwickelnden Ministers mocht´ es einen schaudern, so grenzwertig war das.
Als zweites kam die Versetzung – so muss man es in einer anständigen Funktionärsmonarchie nennen – des politischen Talentes Christian Lindner auf den Posten des Parteigenerals. Eine Katastrophe. Lindner kann Politik machen, ist sympathisch-einnehmend, hat Ideen (gut, wer will die schon?), verfügt über Geschichtsbewusstsein und begreift die Tradition des Liberalismus. Aber was Christian Lindner einfach nicht kann, ist auf den Tisch hauen. Man stelle sich das mal vor. Er würde noch schnell ein „Entschuldigung“ ins Holz murmeln. Was Christian Lindner nicht kann, ist, sich 2 Zentimeter vor das Gesicht eines Parteifreundes zu stellen und ihm klar zu machen, dass er ihn fertig macht, wenn der noch einmal so eine Intrige abzieht und das dann auch zu tun, wenn der das nochmal macht.
Aber genau das muss man als Generalsekretär. Gerade in einem so autoritär geprägten Haufen von Wohlsituierten, die hinter jedem Armen einen potentiellen Kommunisten und Kretin vermuten, sich denken „Klug verdient gut“ und dann wohlig-seufzend und zufrieden in sich hinein zu nicken.
Es gibt eigentlich nur eine Möglichkeit für die Liberalen wieder Tritt zu fassen, soll heissen: für die Liberalen der Liberalen. Nicht für diese Witzfiguren der Marktradikalen, die mit ihrer miesen Besetzung in den Bundesministerien den Absturz Richtung Fette Drei Prozent-Partei erst verursacht haben.
Diese eine Möglichkeit ist die Ernennung von Sabine Leutheusser-Schnarrenberger… (Stille)… Diese eine Möglichkeit ist die Wahl von Sabine Leutheusser-Schnarrenberger zur Bundesvorsitzenden und zwar für ungefähr zwei Jahre. Danach ist Christian Lindner, den man bis dahin irgendwo verstecken kann, für eine ziemlich lange Zeit der denkbar beste Vorsitzende einer liberalen FDP. StatistInnen wie Birgit Homburger oder Claudia Pieper sind zu vernachlässigen.
Es ist genau dieses Szenario, etwa während des regulären Bundesparteitages im Mai, welches die Marktradikalen aufgeschreckt hat und welches dieses nun mit einem Sonderparteitag verhindern wollen. Eine Abspaltung des marktradikalen Flügels – vielleicht mit ein bisschen Sarrazin und Anti-Euro-Schmuck, egal was, Hauptsache Erfolg – ist eine durchaus realistische Option. Die (geklauten) Vergleiche vom schleswig-holsteinischen FDP-Fraktionsvorsitzende Wolfgang Kubicki, „Spätphase der DDR“, etc, sind in diesem Zusammenhang zu sehen. Wenn eine etablierte Partei nämlich tatsächlich vom Zerfall bedroht ist, dann entsteht in den allermeisten Fällen sofort eine neue. Und sowas will durchdacht sein.
Die Tea Party-Bewegung in den USA, ein übler, rechtsradikaler Haufen von Schurken und rückständigen Heuchlern, ist ein Beispiel dafür, wie man unruhiges und von allen linksdemokratischen, liberalen oder fortschrittlichen Funktionären verlassenes Potential mit verlogenen Reminiszenzen an die Verfassung wieder einfangen kann. Auch bei der Tea Party wird nach der alten neokonservativen Methode vorgegangen: dem Gegner vorzuheucheln, man sei einer von ihm, diesem fröhlich zuzuwinken und in die Falle zu locken. Das Endergebnis ist, dass alles durch die scheinbaren Hoffnungsträger noch schlimmer gemacht wird. Die Liberaldemokraten in Großbritannien mögen da ein zweites Beispiel abliefern.
Allerdings geht es in Deutschland um eine neue Partei. Diesen Schritt ist die Tea Party nie gegangen, wohlweisslich, um ihren Bossen bei den „Republikanern“ nicht das Wählerwasser abzugraben. In Deutschland aber ist aus strategischer Sicht der Neokonservativen und Neoliberalen – als zwei Seiten der gleichen Medaille – eine neue, eigene Partei notwendig; erstens um die eigenen Privilegien zu sichern, zweitens um Potential abzufangen, bevor es sich selbst organisiert.
Mit der Gründung von „Die Linke“, inklusive der Gründung des vorherigen Auffangbeckens ist dies ab 2004 bereits schon einmal geglückt. Man stelle sich vor, jemand aus der CDU hätte in 2005 von „Fremdarbeitern“ geredet und das Folterverbot in Frage gestellt. Da war es doch viel besser das den Kollegen Oskar Lafontaine machen zu lassen. 2008 schließlich brach das kapitalistische Finanzsystem nach eigenen Angaben vor Schreck fast zusammen und musste sich (allein in Deutschland) mit einer halben Billion Euro Steuergelder beruhigen lassen. Auch die Partei Lafontaines, der in den Aufsichtsräten mehrerer Skandalbanken sitzt, kollaborierte dabei und stimmte der dafür notwendigen Änderung der Geschäftsordnung zu. Die Frage, was daran links sein soll, wurde nicht nur in Staatsmedien und Informationsindustrie, sondern vor allem im surreal befriedeten organisierten linken Spektrum totgelächelt. Jetzt war man ja dabei. Was hast Du gesagt? Ich hab Dich nicht verstanden. Ich muss weg.
Nun drehen die Marktradikalen, Neoliberalen und Neokonservativen wieder am Wahrnehmungsbild. Nachdem man sämtliche (vom Selbstverständnis oder Etikett her) linken Organisationen im US-Einflußbereich zu einem konterlinken Haufen Verräter, Heuchler und/oder untätiger Feiglinge gemacht hat, definiert man nun den drohenden Staatsbankrott halb Europas, horrende Staatschulden und gleichzeitige Bezahlung von Bankenschulden in Billionenhöhe, die Zerstörung der sozialen Strukturen, Milliardengeschenke an Konzerne und Reiche, die Erhöhung des Rentenalter für Arbeiter (Banker brauchen keine Rente), das brutale Zusammenstreichen von Lehrstätten, Schulen und Universtäten, städtischen und kommunalen Zentren, von allen Geldern für Kultur, Kunst und Sport, die gleichzeitigen Bankentribute an Hypo Real Estate, WestLB, IKB, BayernLB[, HSH Nordbank, usw, nicht etwa als genau den Kapitalismus vor dem alle Linken schon immer ihre Eltern gewarnt haben, sondern allen Ernstes als „Planwirtschaft“ und Folge staatlicher Einmischung in den quasi natürlichen Urmarkt aller Dinge, auf dem sich durch käufliches Erwerben von allem und jedem auch alles mit jedem regeln werde. Das gute alte Mittelalter eben.
Dabei tarnt sich, ähnlich wie die Tea Party in den USA, dieser alte neue Hang zum Feudalismus durch geschicktes Anschleichen an ganz normale Normalität; also etwa der Meinung, nein, man möchte einfach nicht noch mehr als 148 Milliarden Euro Steuergelder an eine Luxemburger Aktiengesellschaft verschenken, damit die „zur Beruhigung“ damit Banken ausbezahlt, die innerhalb der Euro-Zone durch ein irres Geldsystem Staaten nach Belieben erpressen und verschulden können.
Am 21.Mai sagte der FDP-Bundestagsabgeordneten Frank Schäffler „Nein“ zu der 148 Milliarden Vollmacht an die luxemburgische Aktiengesellschaft EFSF („Euro-Rettungsschirm“), die erst gegründet wurde als die Vollmachten für ihren 440 Milliarden Euro-Fonds schon erteilt worden waren. Das Nein Schäfflers dazu war richtig. Aber hören Sie sich mal diese Begründung an (1):
„Das vereinte Europa ist von seinen Gründungsvätern Konrad Adenauer, Robert Schumann, Jean Monnet, Alcide De Gasperi und anderen als ein Hort der Freiheit gegen alle Formen von Diktatur, Unfreiheit und Planwirtschaft erträumt worden. Das heutige Europa ist auf dem Weg in die monetäre Planwirtschaft und den politischen Zentralismus.“
Verstehen Sie: wenn Banken und Ratingagenturen schon Regierungen erpressen und ganze Staaten bedrohen, dann ist das nämlich „Planwirtschaft“?!
„Die Hauptursache unserer Finanz- und Überschuldungskrise von Staaten und Banken liegt in der Geld- und Kreditschöpfung aus dem Nichts und der Möglichkeit, staatliches ungedecktes Zwangspapiergeld unbegrenzt vermehren zu können. Ohne diese Alchemie des Geldes hätte kein weltweites Schneeballsystem aus ungedeckten zukünftigen Zahlungsverpflichtungen entstehen können.“
Staatliches Zwangspapiergeld?! In diesem Augenblick leihen sich kommerzielle Geschäftsbanken bei der Europäischen Zentralbank (EZB) für faktisch Null Zinsen Geld, kaufen damit Anleihen von Staaten aus der Euro-Zone und kassieren dann darauf bis zu 15 Prozent oder mehr Zinsen. Nur Banken und die von jeder demokratischen Kontrolle „befreite“ Zentralbank haben die Möglichkeit der unbegrenzten (weil ungeregelten) Geldvermehrung über ihr Geldschöpfungsmonopol. Das Schneeballsystem der ungedeckten zukünftigen Zahlungsverpflichtungen – also den Aberbillionen-Haufen von Derivaten z.b. – haben die Banken erfunden. Nur sie hatten dazu überhaupt die Möglichkeit.
Die Staaten haben keinerlei Kontrolle über das Finanzsystem, welches von den Banken und der Zentralbank kontrolliert wird. Aber die Staaten haben die Schulden der Banken, also deren erfundenes Geld mit derem erfundenen Geld zu bezahlen und das wo und wann die Gelderfinder es wollen. Das ist die Alchemie des Geldes, das ist leistungsloser Wohlstand, das ist Ausbeutung und Finanzdiktatur – das ist der Kapitalismus.
Es ist die Natur dieser Zwiedenkerei der letzten neun Jahre Krieg, dass liberal nicht mehr liberal, konservativ nicht mehr konservativ, Links nicht mehr links und sozialdemokratisch schon mal gar nichts ist. Es geht schlicht darum die Herde irgendwie im Griff zu behalten, ohne dass die überhaupt merkt was vor sich geht. Es ist einzig und allein die Weltpolitik und deren Geostrategien, welche die Politik des innersten Zirkels der Bundesregierung und damit des mächtigsten Teils der Brüsseler Regierungsräte bestimmt. Wer dies nicht begreift, der begreift weder Westerwelle noch den derzeitigen Machtkampf. Das Allerletzte, was Westerwelle kümmert, ist diese Partei in der er immer noch ist. Und auch noch deren Vorsitzender. Was hast Du gesagt? Ich hab Dich nicht verstanden. Ich muss weg.
Westerwelle denkt doch gar nicht an die FDP. Die Partei FDP schert in diesem Gezerre niemanden, jedenfalls niemanden aus Berlin. Die Landesverbände der Liberalen sind offenbar entsetzt darüber, was die Berliner Parteizentrale da abzieht. Das haben die Landesverbände der FDP mit denen aller anderen etablierten Parteien gemeinsam. Guido Westerwelle zieht schlicht seinen Stiefel durch, dem ihm andere geschustert haben und weder das Schicksal seiner Partei, noch das irgendwelcher Landesverbände schert ihn einen feuchten Kehricht.
Nur irgendwann kommt dann eben der Punkt, an dem sich dieses Dings da bemerkbar macht. Na dieses Dings. Neiiin, nicht die Partei, wen schert den die? Neiiiin, nicht der Staat, der bin doch ich. Ich meine das Dings Wähler. Das Wähler-Dings.
Und genau an diesem Punkt befindet sich die FDP. Alle wissen – wirklich alle, außer die es wissen sollten, wie z.B. Westerwelle – dass die FDP bei den kommenden neun Landtagswahlen in 2011 aus mindestens drei Landtagen rausfliegen wird. Spätestens dann stellt sich die Existenzfrage der FDP völlig neu.
Was aber treibt eigentlich die Gegner Westerwelles an? Die zunächst erhobenen Forderungen nach einem Rücktritt Westerwelles als Parteivorsitzender wichen nach dem ersten positiven Medienecho blitzschnell der Forderung nach seinem Rücktritt als Außenminister. Vorne mit dabei: der FDP-Marktradikale Frank Schäffler. Und hören sie sich mal seine Begründung an (29):
„Es ist nach wie vor ein Fehler, dass wir das Finanzministerium nicht besetzen. Beim Poker um die Zukunft des Euro ist der Außenminister der Diplomat. Dadurch sitzen wir als FDP in der Falle.“
Schäffler war übrigens dem Gesellschaftsgenetiker Thilo Sarrazin (zufällig auch „planwirtschaftlicher“ Bundesbanker) inhaltlich zur Seite gesprungen (3):
„Sarrazin spricht die Integrationsprobleme in Deutschland zwar überspitzt an, das muss aber nicht falsch sein, um eine Diskussion über den richtigen Weg zu führen.“
Am 5.Dezember warnte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble, dem hier von Schäffler schon mal der Mantel gereicht wurde, vor der Gründung einer „Anti-Euro-Partei“ (4). Vorher hatte sich monatelang die Sarrazin-Gespenster-Kampagne um eine neue „Rechtspartei“ durch die Gazetten gequält. Summa summarum ergibt sich durchaus das Bild, dass hier andere Faktoren als die Sorge um die FDP eine Rolle spielen.
Derzeit steigen die Umfragewerte für die alten Regierungsparteien CDU/CSU und SPD wieder. Das passiert immer dann, wenn nichts passiert, etwa nach einer Terrordrohung, äh, Warnung der Geheimdienste. Auch wenn Merkel einfach nichts macht, dazu nichts sagt und mit den Händen erklärt, reicht das vollkommen aus für die Umfragen. Merkels Problem – und das der Bundesregierung aus CDU, CSU und FDP – ist aber, dass man ab und zu den Reichen geben und den Armen nehmen muss. Dazu muss man dann tatsächlich etwas machen. Jeder Raubzug ist eine Art von Tätigkeit. Sogar steuerfrei, wenn man einfach bei allen Staatsausgaben spart, weil die Banken ja auch von was leben wollen.
Wenn jetzt aber – laut dem der linken Umtriebe relativ unverdächtigen ZDF-Politbarometer (5) – schon 54 Prozent der Wähler die Erhöhung der Armutssätze von Hartz IV um fünf Euro für zu niedrig halten, wenn 63 Prozent der Meinung sind. dass die desaströsen Umfragewerte der FDP mit Guido Westerwelle zu tun haben und wenn 70 Prozent der Meinung sind, dass die miesen Werte andauern und damit als Landtagswahl-Ergebnisse tatsächlich passieren werden und wenn überdies 62 % nicht mehr gewillt sind „hoch verschuldete EU-Staaten“ stärker finanziell zu unterstützen – also nicht mehr deren Gläubiger, die Banken bezahlen wollen – dann ist erstens das Wähler-Dings im Anflug und hat zweitens keine Partei mehr die seinen Willen respektiert geschweige denn umsetzt; von einem Kriegsende in Afghanistan, dem Stopp des Überwachungswahns auch durch die Brüsseler Minister- und Regierungs-Räte und einer allgemeinen Verfassungstreue der Parteien mal ganz zu schweigen.
In so einer Situation entstanden früher, ganz früher, vor Ewigkeiten mal echte Parteien. Sie entstehen auch heute noch, aber haben auf Bundesebene keine Gelderfinder auf ihrer Seite, also keinen Erfolg. Heutzutage entstehen in solchen Situation nun gerne wohlfinanzierte Parteien unter Falscher Flagge, dazu gebildet und geschaffen um gesellschaftliches Potential von aktiven Unzufriedenen anzulocken, aufzufangen, einzusammeln und dann je nach Wahl anzuzapfen oder einfach stillzulegen wie ein Kraftwerk.
Die Operateure, welche nun aus einer sterbenden FDP Potential für diese neue Marktpartei hinüber schaffen könnten, sitzen nicht im irrelevanten „Schaumburger Kreis“. Sie sitzen in der Gruppe der FDP-Bundestagsabgeordneten um Frank Schäffler.
Die Entwicklung in der FDP sollten alle genauestens verfolgen. Nicht zuletzt deshalb, weil es eine der wenigen Entwicklungen in der Parteienwelt ist, die z.Z. überhaupt existieren. Weil die Parteien insgesamt genauso an Bedeutung verlieren wie der gesamte Staat Bundesrepublik Deutschland.
Weil auch die Parteien gerade von oben aufgelöst werden und dabei nicht einmal begreifen, was überhaupt vor sich geht.
Quellen:
(1) http://www.frank-schaeffler.de/bundestag/initiativen/1282
(2) http://www.stern.de/politik/deutschland/fuehrungskrise-in-der-fdp-druck-auf-westerwelle-waechst-weiter-1635618.html
(3) http://www.bild.de/BILD/politik/2010/08/26/thilo-sarrazin-debatte/wirft-die-bundesbank-sarrazin-nach-migranten-schelte-raus.html
(4) http://www.welt.de/politik/deutschland/article11410807/Schaeuble-warnt-vor-Gruendung-einer-Anti-Euro-Partei.html
(5) http://politbarometer.zdf.de/ZDFde/inhalt/4/0,1872,8172516,00.html