Bundesverfassungsgericht zu Razzia in Hamburger Radio-Redaktion
Urteil: Der Beschwerdeführer wurde in seinem Grundrecht auf Rundfunkfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG eingeschränkt und die Durchsuchung war eine Störung der redaktionellen Arbeit sowie bestand somit die Möglichkeit einer einschüchternden Wirkung, was zu einer Beeinträchtigung des Grundrechts aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG führen kann
Die 1. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts hat zu dem Fall – 1 BvR 1739/04 – am 10.Dezember 2010 folgende Entscheidung einstimmig getroffen:
„Der Beschluss des Amtsgerichts Hamburg vom 4. November 2003 – 163 Gs 2340/03 – und der Beschluss des Landgerichts Hamburg vom 1. April 2004 – 622 Qs 27/04 – verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 5 Absatz 1 Satz 2 des Grundgesetzes. Die Beschlüsse werden aufgehoben.
Die Sache wird zur Entscheidung über die Kosten an das Landgericht Hamburg zurückverwiesen.
Die Freie und Hansestadt Hamburg hat der Beschwerdeführerin ihre notwendigen Auslagen zu erstatten.“
Der Lokalsender „Freies Sender Kombinat (FSK)“ in Hamburg hatte Verfassungsbeschwerde gegen die unverhältnismässige Durchsuchung der Redaktionsräume durch die Staatsanwaltschaft und den Staatsschutz eingelegt.
Am 24. Oktober 2003 hatte der Sender in einem Beitrag über vermeintliche Übergriffe von Polizeibeamten bei einer kurz zuvor stattgefundenen Demonstration in Hamburg diskutiert. Der Moderator hatte dazu einen Pressesprecher der Hamburger Polizei zu den Übergriffen telefonisch befragt, dabei einen Zeugen dieser Übergriffe zitiert und die Antwort des Polizisten in der Sendung ohne dessen Wissen ausgestrahlt, da der Moderator annahm, dass ein solches Gespräch mit einem öffentlichen Statement gleichzusetzen wäre, zumal er sich offiziell als Vertreter dieses Radios bei dem Anruf gemeldet hatte. Eine Leitstelle der Polizei habe bestätigt, dass Demonstranten verletzt worden seien. Der Pressesprecher gab auch auf mehrfaches Insistieren des Anrufers nur bekannt, dass auf Seiten der Polizei keine Erkenntnisse zu derartigen Vorfällen oder zu verletzten Demonstrationsteilnehmern vorlägen. Der Moderator in der Radiosendung kommentierte die ausgestrahlten Gesprächsmitschnitte dahingehend, dass die Kommunikationsstrategie bei der Hamburger Polizei nicht sehr ausgereift sei.
Das Landeskriminalamt Hamburg hatte die Radiosendung aufgezeichnet und Strafanzeige wegen des Verdachts der Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes, § 201 Abs. 1 StGB, erstattet. Die Staatsanwaltschaft leitete dann auch ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts einer Straftat nach § 201 Abs. 1 StGB ein.
Das Amtsgericht Hamburg hatte gestützt auf § 103 StPO die Durchsuchung der Geschäfts-, Büro- und sonstigen Betriebsräume des Beschwerdeführers angeordnet. Unbekannte Beschuldigte seien verdächtig, unbefugt das nichtöffentlich gesprochene Wort eines anderen auf einen Tonträger aufgenommen und die so hergestellte Aufnahme gebraucht zu haben, indem ein Mitarbeiter des Beschwerdeführers die Pressestelle der Hamburger Polizei angerufen, sich dort als ein Herr P. vorgestellt und die Telefongespräche mit dem Zeugen K. ohne dessen Wissen und in bewusstem und gewollten Zusammenwirken mit anderen noch unbekannten Mitarbeitern des Beschwerdeführers aufgezeichnet und am 24. Oktober 2003 auf der Frequenz des Beschwerdeführers ausgestrahlt habe. Es lägen auch begründete Tatsachen für die Annahme vor, dass die Durchsuchung zum Auffinden von Beweismitteln führen werde, insbesondere des Tonträgers, auf dem die Gespräche aufgezeichnet worden seien, sowie von Unterlagen, die Aufschluss über die Identität des Anrufers und der weiteren Verantwortlichen gäben.
Die Durchsuchung wurde am 25. November 2003 durchgeführt. Während dessen gaben sich der Beschuldigte P. als Urheber der Telefonmitschnitte und später der weitere Beschuldigte T. als an der Ausstrahlung der inkriminierten Sendung Beteiligter zu erkennen. In den Räumen der Beschwerdeführerin wurden drei Ordner mit organisatorischen Redaktionsunterlagen vorläufig sichergestellt.
Der Beschuldigte P. wurde nach einer ersten Verurteilung und deren Aufhebung durch das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg mit Urteil des Amtsgerichts Hamburg vom 26. September 2006 auf Grundlage seines Geständnisses und der Angaben des Zeugen K. wegen der Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes unter Vorbehalt der Verurteilung zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 18,00 € verwarnt.
Ausführlichere Informationen zu dem Fall und die Argumentationskette der Richter sind auf der Seite des Bundesverfassungsgerichtes veröffentlicht.
Quelle: http://www.bundesverfassungsgericht.de/entscheidungen/rk20101210_1bvr173904.html