Heinz Josef Algermissen: „Der Einsatz ist völkerrechtlich und ethisch nicht mehr gerechtfertigt – Bundesregierung kalkuliert sehenden Auges mehr Todesopfer ein.“
Am vergangenen Mittwoch stellte das Bundeskabinett den Text für die erste Lesung im Bundestag zur Verlängerung des Afghanistaneinsatzes vor.
Darin ist auf Druck des Bundesverteidigungsministeriums der Passus enthalten, dass der genannte Abzugstermin Ende 2011 je nach „Lage vor Ort“ gehalten werden kann oder eben auch nicht.
Ein festgelegter Rückzug ist erst einmal ganz gut für das Gewissen der abstimmenden Bundestagsabgeordneten und sie werden wie immer ohne ihrer Verantwortung für das Leben Anderer gerecht zu werden in ihren bequemen warmen Sesseln dem Mandat zustimmen.
Dabei sollten sie bedenken, dass hier nur „im Zuge der Übergabe der Sicherheitsverantwortung die Präsenz der Bundeswehr ab Ende 2011 reduziert werden kann.“
Sollte es die Lage in Afghanistan – wovon zum gegenwärtigen, seit zehn Jahren andauernden Zeitpunkt, überhaupt nicht auszugehen ist – tatsächlich politisch „erlauben“, eine Reduzierung vorzunehmen, so bedeutet das noch lange nicht, dass weniger Soldaten am Hindukusch im Einsatz sind.
Wie immer gibt es die berüchtigten Hintertürchen raffinierter Regierungsvertreter und die sind schon geöffnet.
Outsourcing – Auslagerung ist das Zauberwort. Arbeiten wie Wartung, Reparaturen, Büroarbeiten, Luftraumüberwachung und vieles mehr wird im Rahmen einer Einsparung des Bundeswehrpersonals an private Dienstleister vergeben. Auf diese clevere Weise können Stellen wie die eines Bundeswehrmechanikers herausgestrichen und mit einem Soldaten für die praktische Kriegsführung mit Feindberührung ersetzt werden.
Letztendlich kämpfen so mehr Soldaten als zuvor in Afghanistan.
Die ausgebrochenen Diskussionen und Streitereien in den etablierten Parteien um die Zustimmung des Mandats-Entwurfes eines so festgelegten Rückzugtermines sind unter diesen Gesichtspunkten eine Farce und ausschliesslich parteipolitischer Schlagabtausch, um die Wähler zu täuschen.
Der Textentwurf des Bundeskabinetts ist mit Absicht völlig schwammig formuliert und gehört unter diesen Voraussetzungen von allen Abgeordneten abgelehnt, die sich nicht hinter das Licht führen lassen wollen, falls sie wenigstens über etwas Intellekt und Achtung vor dem eigenen Ich verfügen.
Heinz Josef Algermissen, katholischer Bischof von Fulda, fand am gestrigen Dienstag zu dem Rückzug deutlichere Worte zu der bevorstehenden Bundestagsabstimmung als die deutschen Parteifunktionäre.
Es sind nur wenige gesellschaftliche Stimmen in diesem hochentwickelten Land, die öffentlich den Mut aufbringen, für die sofortige Beendigung des Krieges zu votieren und von den Medien nicht entsprechend beachtet werden.
Dom-Radio zitierte am heutigen Mittwoch, den 19.Januar 2011 die Argumente von Algermissen, an denen sich die Bürgerrepräsentanten ein Beispiel nehmen und Rückendeckung holen sollten:
„Eine Fortsetzung des Krieges, an dem Deutschland nun schon seit neun Jahren beteiligt ist, ist nicht zu rechtfertigen.
Es besteht keine hinreichende Wahrscheinlichkeit mehr, dass die Fortsetzung der Gewalt ihr Ziel erreicht. Der Einsatz ist gescheitert.
Der NATO-Einsatz, an dem Deutschland seit neun Jahren beteiligt ist, hat in der afghanischen Bevölkerung, unter Aufbauhelfern sowie unter den Kämpfenden viele Opfer gefordert. Angesichts der hohen Zahl von Kriegstoten bedeutet die von der Bundesregierung geplante Fortsetzung der Kämpfe nichts anderes als sehenden Auges für die Jahre 2011 bis 2014 weitere Todesopfer einzukalkulieren.
Vorsichtigen UN-Schätzungen zufolge sind das jährlich 2.500 Menschen und mit Blick auf die zu erwartenden Folgen ist der Einsatz völkerrechtlich und ethisch nicht mehr zu rechtfertigen.“
Quelle: http://www.domradio.de/aktuell/70852/nichts-ist-gut-in-aghanistan.html