Ölkonzern und Politik erzeugen Kohlendioxidkatastrophe in Kanada
Die Farm des Ehepaars Jane und Cameron Kerr liegt direkt über dem CO2-Lager des Energiekonzernes Cenovus in der Nähe der Stadt Weyburn im kanadischen Bundesstaat Saskatchewan.
Cenovus Energy verpresst in diesem Carbon Capture and Storage Projekt (CCS) jeden Tag 6.000 Tonnen Kohlendioxid in den Erdboden. Seit elf Jahren wurden insgesamt 16 Millionen Tonnen CO2 auf diese Weise 1,4 Kilometer tief unter die Erde verbracht.
Das Projekt Weyburn-Midale Carbon Dioxide Project zur geologischen Kohlendioxidverpressung bei Weyburn ist eine der weltweit grössten Forschungsinitiativen der Internationalen Energiebehörde (International Energy Agency IEA) in einem Ölreservoir, an dem Cenovus Energy , Apache Canada und das Petroleum Technology Research Center (PTRC) von Saskatchewan beteiligt sind.
An der Oberfläche auf dem Land der Kerrs zeigte sich, dass es keine sicheren unterirdischen Endlagerstätten für Gase gibt: auf den Gewässern bildeten sich durch das entweichende Kohlendioxid, das sich den Naturgesetzen gemäss nach oben Bahn bricht, Blasen und Schaum und es kam zu einer ungewöhnlichen Algenbildung. Fische starben ganz offensichtlich an Sauerstoffmangel.
CO2, das aus dem Erdboden „ausdünstet“, kann man logischerweise nicht sehen und riechen. Das wurde vielen Tieren zum Verhängnis, die an einer CO2-Vergiftung starben. Betroffen waren seit einigen Jahren auf diesem Gebiet auch grössere Säugetiere wie Hunde, Ziegen, Hasen und Katzen – tote Fliegen fallen da eher nicht auf. Kadaver toter Tiere lagen in der Nähe ihrer Teiche, in denen das Wasser zu blubbern und schäumen anfing sowie die Algen im Wasser sich enorm ausbreiteten.
Sehr bedenklich sind Explosionen, bei denen Grundwasser aus dem Boden schoss. Es kam auch zu unerklärlichen Löchern in den Wänden eines Steinbruchs.
„In der Nacht konnten wir diese Art von Knall wie die Schüsse einer Kanone hören“, sagte Jane Kerr und ihr Ehemann fügte hinzu, dass aus den Löchern Schaum austrat „So wie wenn du eine Flasche Cola schüttelst, den Finger darüber hältst und es spritzen lässt.“ Das Wasser, das aus dem Boden kam war spritzig und schaumig, so Jane Kerr. (1), (2)
Das Ehepaar Kerr ist nach Regina umgezogen und hat sein Heim verlassen „Es war zu gefährlich, dort zu leben“, sagte Cameron Kerr.
Hier das Video „Farmer says land fizzing with CO2“ vom 11.Januar 2011 auf Globe and Mail zu den Gasaustritten aus der Erde auf der Farm.
Zum Glück kam bisher kein Mensch ums Leben. Das Szenario des Todes eines auf der Wiese liegenden Kindes, das erstickt, ist nicht von der Hand zu weisen. Schon nach wenigen Atemzügen kommt es durch einen zu hohen Kohlendioxidanteil in der Atemluft zur Bewusstlosigkeit.
Bisher scheinen die Kohlendioxidgase sich allmählich durch die Erdbodenoberfläche durch Lecks zu bewegen. Diese können dadurch grösser werden und eine Kohlendioxid-Eruption auslösen – 16 Millionen Tonnen werden dann auf begrenzter Fläche auf einmal in die Atmosphäre entweichen und in ihrem Wirkungsbereich den Lebewesen die Luft zum Atmen nehmen.
Cameron und Jane Kerr hatten zum ersten Mal Veränderungen in den Oberflächengewässern und Brunnen auf ihrem Grundstück im Jahr 2004 bemerkt, ein Jahr nachdem die CO2-Einbringung in ihrem Bereich begann und berichteten diese Vorfälle dem Ministerium für Energie und Ressourcen von Saskatchewan.
Die Kerrs mussten sich einen Anwalt nehmen, denn die Politik hüllte sich in Schweigen. Barry Robinson, ein Rechtsanwalt von Ecojustice, der die Kerrs vertritt, sagte:
„Cenovus Energy und das Ministerium für Energie und Ressourcen haben in den letzten sechs Jahren die Flächen nicht richtig überwacht und die Möglichkeit von CO2-Lecks nicht in Betracht gezogen. Darüber hinaus liessen sie die Kerrs in der Position, zu beweisen, dass es damit ein Problem gab, dabei war es die Pflicht des Ministeriums, Freisetzungen durch Öl- und Gas-Aktivitäten zu untersuchen.“
Cenovus, das Ministerium und die Kerrs vereinbarten im Herbst 2007, dass das Ministerium eine einjährige Untersuchung des Bodens, der Wasser- und Luftqualität durchführen wird, um die Ursachen zu bestimmen. Das Ministerium nahm nur an einem einzigen Tag im Juli 2008 Wasser- und Luftproben, ein Test für CO2 war nicht dabei. Seitdem haben Cenovus und das Ministerium sich geweigert, weitere Untersuchungen auf dem Grundstück durchzuführen. Ein auf Erdöl spezialisierter Geologe, der zur Unterstützung der Kerrs hinzugezogen worden war, hatte vorgeschlagen, dass die CO2-Austritte durch vorhandene Störungen und Brüche oder durch aufgegebene Öl- und Gasquellen entstanden waren.
Im Juli 2010 erteilten die Kerrs Petro-Suche Geochem, einem Saskatoon-Beratungsunternehmen den Auftrag, Boden-Luft-Studien auf ihrem Grundbesitz durchzuführen.
Die Untersuchungen zu den austretenden Gasen ergaben laut Angaben des Wissenschafters Paul Lafleur von der Consulting-Firma Petro-Find Geochem, dass der Boden eine ungewöhnlich hohe Kohlendioxid-Konzentration von 23000 parts per million aufweist und eine Analyse der Isotopenzusammensetzung durch ein Forschungslabor an der Universität von Saskatchewan ergab eindeutig, dass diese in der Natur nicht natürlich vorkommende Isotopenzusammensetzung des Kohlendioxides nur aus dem nahe gelegenen Ölfeld stammen kann. Die höchste Konzentration betrug sogar 110607 parts per million. Ausserdem wurde Methan festgestellt.
Lafleur stellte ausserdem klar, dass die Überwachung des Geländes im Jahr 2005 durch die Behörden eingestellt wurde.
In dem Bericht hiess es weiter, dass „das darüberliegende dicke Deckgebirge von Anhydrit über dem Weyburn Reservoir keine undurchlässige Barriere für die Aufwärtsbewegung von leichten Kohlenwasserstoffen und CO2 darstellt als allgemein angenommen wird.“
„Es ist klar, dass hier etwas nicht stimmt, und es ist auch klar, dass die Verantwortung beim Ministerium liegt und eine Full-Scale-Untersuchung der Auswirkungen des Carbon Capture and Storage auf die Umwelt anzuordnen hat“, sagte Robinson.
Rhona Delfrari, die Sprecherin des Energiekonzerns Cenovus äusserte Zweifel an diesen Feststellungen und wies darauf hin, dass sie der jahrelangen Forschung von anderen Wissenschaftlern – einem Bericht von 2004 des Saskatchewan‘s Petroleum Training and Research Centre – widersprechen. „It‘s not what we believe“, so Delfrari und teilte mit, dass ihr Unternehmen drei unabhängige Berater angeheuert hat, um Lafleurs Arbeit zu bewerten. In dem Bericht aus dem Jahre 2004 des PTRC hiess es: „Es gibt bisher keinen Beweis für die Flucht des eingebrachten CO2 aus der Tiefe“ und der Bereich wurde als „sehr gut“ für die langfristige Speicherung von Kohlendioxid befunden.
Diese unhabhängigen Berater gehören zum Institut IPAC-CO2, das im Jahr 2009 mit einem Etat von 14 Millionen kanadischen Dollar gegründet wurde, das Geld stammte einerseits von der kanadischen Provinz- und Landesregierung, andererseits von Royal Dutch Shell – jenem Öl-Multi also, der massiv auf CCS setzt. (3)
Weitere Stellungnahmen sind auf der Firmen-Webseite von Cenovus nachzulesen.
Bill Boyd, der Minister für Energie und Ressourcen von Saskatchewan sagte, dass seine Regierung bereit ist, einen anderen Blick auf die Situation zu nehmen, aber das Projekt weder stoppen noch verlangsamen würde.
Die Regierung von Alberta hat Mittel in Höhe von zwei Milliarden Dollar an ähnliche Pilotprojekte gebunden. Die Vereinigten Staaten haben sich zu Ausgaben in Höhe von 3,4 Milliarden Dollar für die Abscheidung und Speicherung von CO2 verpflichtet.
CO2-Endlagerstätten dienen nicht dem Schutz des Klimas sondern den Profiten der Energiekonzerne.
In dem Weyburn-Ölfeld wurde das CO2 unter die Erde gepresst, um die Ausbeute bei der Ölförderung zu erhöhen und zugleich damit das Gas loszuwerden.
Das Kohlendioxid in Weyburn stammt aus einer Anlage zur Kohlevergasung in den USA – dem Great Plains Synfuels Plant. Kohlevergasung gilt als ein extrem klimaschädlicher Prozess, bei dem Braunkohle zu Methan verarbeitet wird, welches wiederum ins Gasnetz eingespeist wird. Doch die Dakota Gasification Company spricht Greenhouse zufolge von sauberer Energie – da etwa die Hälfte des entstehenden Kohlendioxids in Weyburn eingelagert wird.
Somit ist der Kreis des finanzstarken, milliardenschweren Projekts Weyburn-Midale Carbon Dioxide Project zur geologischen Kohlendioxidverpressung bei Weyburn als Forschungsinitiative der Internationalen Energiebehörde (IEA) unter Beteiligung der Cenovus Energy, Apache Canada und dem Petroleum Technology Research Center (PTRC) von Saskatchewan sowie der kanadischen Regierung samt ihren Lobbyverbänden rundum geschlossen und muss von Umweltorganisationen und betroffenen Bürgern durchbrochen werden.
In Deutschland kämpfen Bürgerinitiativen gegen die Vorhaben der Bundesregierung, CO2-Endlagerstätten einzurichten. Der schwedische Energiekonzern Vattenfall sucht nach geeigneten Orten wie in den Regionen Landkreis Oder-Spree und Märkisch Oderland.
Mike Kess von der Bürgerinitiative „CO2-Endlager stoppen“ aus Beeskow sagte zu dem Ereignis in Weyburn
„ CCS ist eine Hochrisiko-Technologie und darf nicht unter besiedeltem Gebiet angewendet werden. Leider scheinen Ministerpräsident Platzeck und die Kohlelobbyisten beratungsresistent“
und weiter, dass der Geologe Ralf E. Krupp erklärt hat, dass die Untersuchungsgebiete viel zu klein seien und die heutigen Methoden nicht ausreichen, um eine sichere Endlagerung des Klimagases zu gewährleisten. (4)
Sylvia Wadewitz von der Bürgerinitiative „CO2ntra Endlager“ aus dem märkischen Neutrebbin erklärte zu den Plänen der Regierung in Brandenburg
„Kohle-Platzeck macht einen Bückling und gestattet dem Kohlekonzern Vattenfall Industriemüll aus Kohlekraftwerken unter unserem Land zu lagern. Man muss bedenken, dass Kanada im Gegensatz zu Deutschland ein sehr dünn besiedeltes Land ist. Bei einem Austritt von CO2 in Ostbrandenburg dürften mehr Tiere und Menschen betroffen sein. Ab einer Konzentration von ca. 8 Prozent in der Atemluft wirkt CO2 tödlich.
Das ist wie eine Plastiktüte über den Kopf ziehen“.
Artikel zum Thema
15.06.2010 CO2-Endlager: Unterirdische Speicher kleiner als berechnet
19.03.2010 Lagerland
Quellen:
(1) http://www.winnipegfreepress.com/greenpage/environment/carbon-injected-underground-now-leaking-saskatchewan-farmers-study-says-113276449.html
(2) http://www.ecojustice.ca/media-centre/press-releases/sask.-family-demands-answers-on-carbon-capture-and-storage-risks
(3) http://derstandard.at/1293371050124/Carbon-Capture-and-Storage-Unterirdisches-CO2-Lager-in-Kanada-koennte-undicht-sein
(4) http://www.niederlausitz-aktuell.de/artikel_6_12847.php