Ägypten Ticker: Volksaufstand Tag 11

Live Bilder aus Ägypten: Einem Land platzt der Kragen
Volksaufstand in Ägypten: Ticker
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Öffentlich zugängliche Quellen:
Live TV Stream Al Jazeera: http://english.aljazeera.net/watch_now/
Twitter Al Jazeera: http://english.aljazeera.net/news/middleeast/2011/01/201112523026521335.html
Ticker Al Jazeera: http://blogs.aljazeera.net/node/3164

Freitag, 4.Februar. Tag 11 des Volksaufstandes in Ägypten ist angebochen. Es ist Mitternacht in Europa und 01.00 Uhr nachts in Kairo und es dringen nur noch wenige Nachrichten und Bilder vom Tahrir-Platz an die Weltöffentlichkeit. Bereits am Abend hatte Al Jazeera die Live-Übertragung vom Epicenter eines Geschehens, dass die Weltöffentlichkeit in Atem hält, einstellen müssen, da das Leben der Korrespondenten dort in ernster Gefahr ist.

Zwar haben die Straßenkämpfe größtenteils aufgehört; auf den Straßen rund um den Tahrir-Platz haben sich die regimetreuen Loyalisten gegen Abend – kurz vor einer Fernsehansprache von Vize-Präsident Omar Suleiman – schlagartig zurückgezogen. Doch gibt es Meldungen über Scharfschützen. Allein am gestrigen Donnerstag starben über ein Dutzend Tote, vor allem durch Schusswunden. Zudem hat es regelrechte Treibjagden auf Journalisten gegeben. Nach übereinstimmenden Medienberichten, denen sich wiederwillig auch die Washingtoner US-Regierung anschließen musste, waren es regimetreue Unterstützer des Diktators Husni Mubarak, die vom Innenministerium geführt wurden. Dieses musste, nach müden Protesten der Regierung Barack Obamas, zwei Reporter der „Washington Post“ wieder freilassen, die im Laufe des Tages verhaftet worden waren. Auch drei Al Jazeera Reporter, die plötzlich verschwunden waren, entpuppten sich als Gefangene des Mubarak-Regimes und wurden ebenfalls im Laufe des Abends wieder freigelassen. Über den Twitter Kanal Al Jazeeras bedankten sich die Korrespondenten für die öffentliche Unterstützung.

Neben der Live-Übertragung hat Al Jazeera auch den Ticker eingestellt oder dieser ist nicht erreichbar. Als einzige direkte Nachrichtenquelle des arabischen Fernsehsenders, der bisher als einziges Informationsmedium weltweit kontinuierlich direkt vom Ort des Geschehens berichtet hatte, ist der Twitter Kanal verblieben.

Dort berichten Al Jazeera Korrespondenten, dass allein in Alexandria im Volksaufstand gegen die Mubarak-Diktatur bisher über hundert Ägypter gefallen sind. Auf einem Spreadsheet von Google wird mittlerweile, wie ein Puzzle, die Liste der Toten zusammengetragen – aus öffentlichen Quellen, da das Regime keine oder keine glaubwürdigen Angaben über Toten und Verletzte macht. Den ganzen Mittwoch über war in den schweren Straßenkämpfen nach dem Überfall der Mubarak-Anhänger auf die Demonstrationen der Freiheitsbewegung am Tahrir-Platz dort kein einziger Krankenwagen und keine Feuerwehr erschienen.

01.00 Uhr

Reporter von Al Jazeera, die es bis zum Tahrir-Platz schaffen, berichten via Twitter. Die Menschen dort haben nach den schweren Kämpfen der letzten Tage, und kurz vor einer neuer Großdemonstration nach den heutigen Freitagsgebeten, nicht irgendeine zukünftige politische Entwicklung im Kopf – die steht in den Sternen, solange der Diktator nicht zurückgetreten ist. Das Einzige was die Menschen dort interessiert, ist den Diktator zum Rücktritt zu zwingen und den Tahrir-Platz, ihren „Platz der Befreiung“, zu halten, koste es was es wolle. Es läuft Musik. Alte ägyptische Lieder. Die Menschen klatschen und feiern gedämpft, im seltenen Auge eines ständigen Sturms.

Auf der Brücke des 6.Oktobers beim nördlich gelegenen Nationalmuseum, an den in den letzten Tagen die erbittertsten Straßenschlachten mit den anrückenden Mubarak-Unterstützern tobten und von der die zurückweichenden Regimetreuen ihre Molotow-Cocktails schleuderten, patroulliert nun die Armee und überwacht die Kreuzung.

Die Ägypter im Aufstand gegen ihren Diktator erwarten aus Washington nichts ausser Worte. Dort muss sich ein schwacher Präsident aus Finanzkreisen und ihren Medien wie dem „Wall Street Journal“ sogar gegen den Vorwurf verteidigen, man lasse mit Mubarak auch die Monarchien in Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten fallen.

Die Ägypter sind auf sich allein gestellt. Heute werden sie marschieren, zum Palast des Diktators.

06.00 Uhr

Reporter vom Tahrir-Platz: es ist ruhig. Die Menschen bereiten sich auf den „Tag der Abreise“ des Diktators vor.

Ein „Tag des sofortigen Rücktritts“ wäre natürlich ein Kompromiß, auf den man sich einlassen könnte.

06.45 Uhr

Der britische „Guardian“ veröffentlicht Bilder von improvisierten Helmen der Demokratie-Aktivisten im Straßenkampf mit den Regime-Anhängern.

07.20 Uhr

Bericht des Demonstranten Salma El Tarzi vom Tahrir-Platz via Telefon gegenüber Al Jazeera (Ticker wieder erreichbar): die Moral unter den Menschen ist hoch, ebenso die Stimmung, „wie auf einem Festival“.

08.00 Uhr

Mohammed al-Beltagi, Vertreter der Muslimbruderschaft, erklärt, dass keine Mitglieder seiner Organisation Ambitionen haben, an den kommenden Präsidentschaftswahlen teilzunehmen.

09.00 Uhr

Wie das Staatsfernsehen berichtet, wurde in der Nacht eines ihrer Kamerateams auf dem Tahrir-PLatz angegriffen. Bericht ist schwer überprüfbar.

09.30 Uhr

Wie Beobachter in Kairo via Twitter schildern, sind die Zugänge zum Tahrir-Platz  frei. Zufahrtsstraßen werden allerdings von der Armee blockiert.

Ein Bild geht mir durch den Kopf. Es läßt mich nicht mehr los.

Der Präsidentenpalast. Ein Balkon. Ein einzelner Kamerascheinwerfer beleuchtet gespenstisch US-Sonderbeauftragten Frank Wisner, der mit einem Militäroffizier zum Geländer vorschreitet. In der unruhigen Menge  zischen sie „psssssst“ und „Ruhe“.

„Wir sind zu Ihnen gekommen, um Ihnen mitzuteilen, dass heute seine Ausreise..“

Der Rest ist Geschichte.

09.50 Uhr

Gestern kündigte Al Jazeera noch an, live von dem Platz zu berichten, auf dem gerade Geschichte geschrieben wird. Doch statt Bilder vom Tahrir-Platz gibt es lispelnde dicke Choleriker aus Ljubljana und Enkel aus Vancouver, die über ihren Großvater bei der Musliimbruderschaft erzählen sollen.

Man stelle sich jetzt mal vor, es gäbe eine Bürgerbewegung in Deutschland und sie berichten auf Al Jazeera darüber. Was für Enkel in Vancouver buddeln sie dann aus?

10.00 Uhr

Der Tahrir-Platz füllt sich. Die Menschen strömen zusammen. Es sind bereits Tausende, vielleicht Zehntausende. Die Armee hat angekündigt, bei Auseinandersetzungen mit Regime-Anhängern einzuschreiten.

Per Telefon berichtet eine Journalistin, dass die Aktivisten der Freiheits- und Demokratiebewegung selbst jede einzelne Person kontrollieren, die den Tahrir-Platz betreten. Ausweise werden durch die Dissidenten kontrolliert, Taschen durchsucht. Die Armee assistiert ihnen dabei und sichert die langen Schlangen, die sich an den Kontrollpunkten gebildet haben. Die verhasste Polizei ist nirgends zu sehen.

Wie die Korrespondentin weiter berichtet, haben die Aktivisten des demokratischen Widerstands angekündigt, auch während eines Marsches auf den Präsidentenpalast den Tahrir-Platz zu halten und gegen Regime-Anhänger zu sichern.

10.30 Uhr

Es sind nun über 100.000 Menschen auf dem Platz. Zehntausende stehen vor den Kontrollpunkten der organisierten Dissidenten.

10. 35 Uhr

Eine Korrespondentin berichtet aus Teheran. Die dortige Regierung, die andere sicher ein Regime nennen würden, sieht eine Paralelle zu der iranischen Revolution gegen das US-gestützte Schah-Regime in 1979 und den Volksaufstand in Ägypten als „Niederlage der USA“. Bereits seit Tagen sprechen verschiedene Vertreter der Führung des theokratischen Staates, angesichts der Volksaufstände in Ägypten und Tunesien, von einem dortigen „islamischen Erwachen“.

Kommentar: Die Staatsführung in Teheran hat bereits in den letzten Tagen versucht, die Freiheits- und Demokratiebewegungen in Tunesien, Ägypten und anderen Diktaturen für die eigenen Zwecke einzusetzen. Die Behauptung, die dortigen Aufstände hätten religiöse Hintergründe oder Motive, sind schlicht lächerlich und jeder weiss das. Dass nun auch die schiitische Kirche, die in Tunesien und Ägypten eine verschwindende Minderheit darstellt, von neuen Bürgerrechten und einer verfassungsrechtlich garantierten Religionsfreiheit für alle Kirchen nun besser geschützt sein wird, ist sicherlich richtig.

Dass nun auch die (sunnitische) Muslimbruderschaft Ägyptens, die unter dem Diktator brutal unterdrückt wurde, politisch aktiv sein und sich als Partei freien und fairen Wahlen stellen kann, steht außer Zweifel. Jeder Vertreter säkularer Politik tritt schließlich auch für das Recht der „Christlich-Demokratischen Union“ in Deutschland ein, an Wahlen teilnehmen zu dürfen, obwohl ihre Vertreter die Invasion eines muslimisch-arabischen Landes mit einem Diktator Saddam Hussein gefordert haben, der durch die USA einst installiert und bewaffnet wurde. Für religiöse Parteien, auch für deren Fanatiker, muss man schließlich Verständnis haben, selbst für Staaten mit Staatsreligionen und den diesbezüglich unvermeidbaren extremen Spleens, wie Israel, z.B.

Es kommt nur einfach irgendwann der Zeitpunkt, an dem all diese zeitraubenden Spinner einfach mal die Klappe halten und sich hinten anstellen sollten, wenn die Zeit des Kampfes für eine Freiheit gekommen ist, von der sie nichts verstehen und für die sie nie gekämpft haben: die Freiheit der Andersdenkenden.

11.15 Uhr

Aufnahmen vom Freitag dem 28.Januar, die verdeutlichen, wem und was die sich Ägypter in ihren Demonstrationen für Freiheit und Demokratie gegenübersehen: ein Fahrzeug von „Diplomaten“ überfährt 20 Menschen.

Ein demonstrierender Ägypter auf dem Tahrir-Platz äußert gegenüber Al Jazeera-Reporter Ayman Mohyeldin, dass das Staatsfernsehen „Nazi-Propaganda-Chef Joseph Goebbels stolz machen würde“.

11.20 Uhr

Inzwischen haben sich Hunderttausende Ägypter auf ihrem „Platz der Befreiung“ versammelt.

11.30 Uhr

Aus einem Augenzeugenbericht von Kristin Jankowski in Kairo vom Mittwoch, erschienen in der „Linken Zeitung“:

„Ich spuerte wie meine Schritte immer langsamer wurden. Es roch nach Rauch in der Luft, ich rieb mir kurz die Augen. Traenengas. Vor mir standen zwei beige Panzer, ich hoerte Schuesse in der Luft. Mir kamen Verletzte entgegen. Blut floss ueber ihre Gesichter, sie hielten die Haende ueber ihre Wunden. Zahlreiche von ihnen hatten bereits ihre Verletzungen mit Mullbinden versorgt. Ich konnte aus der Ferne Steine fliegen sehen. Die Schreie der Menschen klangen panisch.

Irgendwer klopfte staendig mit harten Gegenstaenden gegen eine Absperrung.

Tack, tack, tack. Es droehnte in meinen Ohren. Es war Mittwoch abend, der 2. Februar 2010. Ich stand in der Naehe des aegyptischen Museums in Kairo vor dem sich Anti-Mubarak Demonstranten mit Pro-Mubarak Leuten blutige Gefechte lieferten.

Ein Mann kam mir barfuessig entgegen, seine Kleidung war dreckig, er hatte eine Kopfverletzung, er hatte Traenen in den Augen. Er betete und hielt seine blutigen Haende in den Himmel. Innerlich war ich fuer Minuten regungslos. Erstarrt.

Ich stand in der Menge der Menschen, die Steine an die Front trugen, die den Gehweg aushoben, die bluteten. Ich hatte das Gefuehl, als ob ich mitten im Krieg stehen wuerde. Jedesmal wenn ich Schuesse in der Luft hoerte, schaute ich an den Haeusern hoch. Ich sah, wie jemand von einem Dach in der Dunkelheit verschwand. Ich drehte mich um und ging einige Meter zurueck zum Tahrir-Platz. Ahmed kam mir entgegen und nahm mich in den Arm. „Wo warst du ?“ fragte er mich besorgt. Ich beschrieb ihm, was ich gesehen hatte. Ahmed humpelte, seine Hose war am Schritt aufgerissen. Nur einige Stunden zuvor hatte er einige Maenner festgehalten, die fuer Mubarak und sein blutiges Regime kaempften.

„Wir haben sie alle davon gejagt“ fuegte er hinzu. „Wir haben sogar einige Pferde eingefangen‘. Dann lachte er auf. ‘Ihr Aegypter seid so ein mutiges Volk, ich bin so bewegt von den Maennern und Frauen, die hier fuer Freiheit und Demokratie kaempfen“, sagte ich ihm. Ich laechelte. „Du bist doch auch mutig, weil du hier mit uns gemeinsam stehst“. Ich schuettelte meinen Kopf. Ich denke, es war nicht mein Mut, der mich wieder auf die Strassen trieb. Es war meine Angst um meine Freunde: „Ich bin Zuhause ausgerastet vor Sorge um euch. Ich musste einfach herkommen.“ „

11.35 Uhr

Hunderttausende beten auf dem Tahrir-Platz für ein Ende der Diktatur.

11.40 Uhr

Inhalt des Freitagsgebetes: Wir beten für einen Regimewechsel, eine Änderung der Verfassung (Verfassungszusätze, amendments) und eine Freilassung der politischen Gefangenen des Regimes. Diese Revolution ist nicht für ideologische oder religiöse Zwecke.

Nach dem Gebet erheben sich die Menschen. Der Ruf nach einem Rücktritt des Diktators erschüttert den Platz: „Er muss gehen, er muss gehen“.

12.10 Uhr

Hunderttausende auch in Alexandria auf den Straßen, singen die Nationalhymne.

12.15 Uhr

Twitter Meldungen auf Al Jazeera: Hacker greifen Webseite an, Journalist an Checkpoint von Mod mit Macheten bedroht (offenbar von Regime-Anhängern), Al Jazeera wird vorgeworfen die Situation anzuheizen.

Inzwischen gibt es Meldungen vom Platz, dass die Pro-Demokratie-Bewegung eventuell auf dem Tahrir-Platz verbleiben und lediglich eine symbolische Delegation an den Präsidentenpalast Mubaraks entsenden könnte, um ihn zum Rücktritt aufzufordern.

Um den Tahrir-Platz haben sich in einiger Entfernung Gruppen von Regime-Anhängern gesammelt.

12.45 Uhr

Offensichtlich gibt es hinter den Kulissen auf dem Tahrir-Platz ein Tauziehen darüber, ob jetzt auf den Palast des Diktators marschiert werden soll. Ein Vertreter der Partei „El Gahd“ drängte gerade in einem Telefon-Interview darauf, eine „Konfrontation mit der Armee“ zu vermeiden. Auf dem Platz befindet sich heute auch Amr Moussa, Generalsekretär der Arabischen Liga und ex-Außenminister des Diktators.

Analyse: Moussa ist in dem zehn Personen umfassenden Komitee der organisierten „oppositionsparteien“,  die während der letzten Tage auf dem Tahrir-Platz nirgendwo zu sehen waren. Zum Komitee zählt auch der ex-IAEO-Direktor Mohammed El Baradei. Baradei und die Oppositionsparteien, mitsamt ihrem Komitee, hatten bereits vor drei Tagen während des von Aktivisten der Freiheitsbewegung und Jugendgruppen wie dem „6.April“ initiierten „Marsch von Millionen“ dem Diktator drei weitere Tage Frist zum Rücktritt eingeräumt und einen Marsch auf den Präsidentenpalast Mubaraks verhindert. Ich schrieb bereits damals, dass sich das als historischer Fehler erweisen könnte.

Was sich nach dem abgesagten Marsch auf den Palast des Diktators abspielte, ist bekannt: die Vertreter der „Oppositionsparteien“ verschwanden, das Militär verschwand, der Volksaufstand gab die Initiative und das Momentum aus der Hand und die organisierten Angriffe der regimetreuen Kräfte begannen. Während die Aktivisten und Demonstranten der Freiheitsbewegung vor Ort unter großen Opfern den Tahrir-Platz verteidigten und dafür starben, drangen immer wieder Berichte über Verhandlungen der sogenannten Oppositionsparteien mit dem Mubarak-Regime an die Öffentlichkeit.

Die US-Regierung hat sich geweigert Diktator Mubarak zum Rücktritt aufzufordern. Die Regierungen sämtlicher Mitgliedsstaaten der „Europäische Union“ haben sich geweigert Diktator Mubarak zum Rücktritt aufzufordern. Die Vertreter der sogenannten Oppositionsparteien sind Figuren, die enge Kontakt zu diesen Regierungen pflegen, die wiederum die Mubarak-Diktatur über Jahrzehnte unterstützt und finanziert haben.

Alle Anzeichen deuten hier auf ein schmutziges Spiel hinter dem Rücken der Ägypter. Deren Volksaufstand, der zu einer lebendigen, starken und selbstorganisierten Bewegung für Freiheit und Demokratie geworden ist, soll offensichtlich ausgekontert, dann gebremst und schließlich kontrolliert werden.

13.16 Uhr

Al Jazeera live: Ayman Nour am Telefon, Chef der „El Ghad“-Partei. Er sagt, er sei „in der Nähe des Tharir-Platzes“.

Anmerkung: Dieser liegt in der Stadtmitte Kairos. Ist Nour in Kairo, ist er in der Nähe des Tahrir-Platzes.

Auch Ayman Nour ist Mitglied im ominösen, zehn Personen umfassenden Komitee der „Oppositionsparteien“.

Hunderttausende sind auf dem Tahrir-Platz; unter ihnen auch eine ganze ägyptischer Künstler, Schauspieler und Musiker.

Hinweis: Investieren Sie ein paar Sekunden und verbreiten Sie diesen Artikel über Facebook, Twitter, Bookmarks und andere Soziale Netzwerke, danke.

13.55 Uhr

Das Kairoer Büro von Al Jazeera wurde vor ein paar Minuten gestürmt, die Einrichtungen verwüstet.

Al Jazeera Korrespondent Adam Makary verlinkt auf seinem Twitter Kanal auf eine Meldung von „Januar 25 Voices“: selbst das Staatsfernsehen bestätigt nun offiziell – über eine Million Ägypter auf dem Tahrir-Platz.

14.20 Uhr

Ein Aufruf macht die Runde im Internet – die Webseite „Worldwide Tahrir“ ruft zum Sit-in in allen Botschaften Ägyptens weltweit auf, jeweils um 20 Uhr der eigenen Zeit.

14.25 Uhr

Es werden vereinzelte Zusammenstöße mit Mubarak-Anhängern in der Nähe vom nördlich des Tahrir-Platzes gelegenen Nationalmuseum / Ägyptischen Museum gemeldet. Die regimetreue Gruppe umfasst lediglich 200 Personen und befindet bereits auf dem Rückzug. Die Barrikaden der demokratischen Dissidenten sind nach zwei Tagen Straßenkampf gut organisiert und gestaffelt, es besteht keine Gefahr für die Demonstrationen der Freiheits- und Demokratiebewegung af dem Platz. Zudem sind Panzer des Militärs vor die Mubarak-Anhänger gefahren und haben diese blockiert. Die Armee scheint derzeit die Demonstrationen der Volksbewegung zu schützen.

Eine Übersicht via Google Maps:
Größere Kartenansicht

Östlich vom Tahrir Platz liegt der Talaat Harb Platz. Dort sind vor Barrikaden der demokratischen Dissidenten ebenfalls Regimetreue aufgetaucht, diese wurden wieder vertrieben.

14.50 Uhr

„Reuters“ meldet, dass der Verteidigungsminister des Mubarak-Regimes, Mohamed Hussein Tantawi, sowie hochrangige Generäle das Gelände vor dem Nationalmuseum in unmittelbarer Nähe des Tahrir-Platz besucht und die dort stationierten Truppen inspiziert haben. Sie trafen dabei auch auf Dissidenten und Demonstranten der Freiheitsbewegung und wurden von diesen freundlich begrüßt. Als diese Meldungauf dem Tahrir-Platz über Lautsprecheranlagen bekannt gegeben wurde, wurden Sprechchöre laut, „Das Volk und die Armee sind vereint.“

Laut einem Sprecher des Verteidigungsministerium sollen sich Tantawi und die Generale direkt auf dem Tahrir-Platz befinden. Dafür fehlt allerdings eine Bestätigung, es gibt auch keine Hinweise darauf in der laufenden Live-Übertragung Al Jazeeras.

15.10 Uhr

Auf dem Gipfel des obersten Regierungsrates der „Europäischen Union“ hat der ägyptische Diktator Husni Mubarak einen wahrlich mächtigen Unterstützer gefunden: Silvio Berlusconi. Der umtriebe Liebling diverser Prostituierter, auch in den Medien, sprach sich für einen Verbleib Mubaraks im Amt aus.

15.30 Uhr

Millionen von Ägyptern sind auf den Straßen und fordern den sofortigen Rücktritt des Diktators. Dieser krallt sich weiter an die Macht.

16.00 Uhr

Die Ereignisse geraten in Bewegung.

Mehrere offenbar hochrangige Personen, die von Soldaten eskortiert werden, sind am Rande des Tahrir-Platzes zu sehen, wie sie einen Bus betreten, offenbar zu Verhandlungen mit den Organisatoren der Demonstration und Aktivisten der Freiheitsbewegung vor Ort.

Gleichzeitig bricht die Menge auf dem Platz in Jubel aus. Rufe weren laut, nun zum Palast des Diktators zu marschieren.

Ebenfalls zeitnah: es wird bekannt, dass vier hochrangige Beamte des Innenministeriums verhaftet worden sind.

16.14 Uhr

Soeben bringt das Staatsfernsehen ein Live-Interview mit einem „Organisatoren der Proteste“ auf dem Tahrir-Platz, heisst es. Es ist nicht klar, um welche Person es sich handelt.

16.17 Uhr

Die vom Staatsfernsehen interviewte Person ruft dazu auf, nicht zum Präsidentenpalast zu marschieren.

Analyse: Die Kräfte der Diktatur versuchen jetzt wirklich alles um einen Marsch der freiheitsbewegung auf den Präsidentenpalast Mubaraks zu verhindern.

Das Staatsfernsehen behauptet, bei der Person die interviewt wurde, handele es sich um ein Mitglied der Muslimbruderschaft.

16.25 Uhr

Die (mittlerweile hoffentlich sattsam bekannte) Al Jazeera Korrespondentin Jacky Rowland bekundet wiederholt, dass sich niemand vom Platz in Richtung des Präsidentenpalastes in Bewegung setzt.

Gleichzeitig dringt an die Öffentlichkeit, dass offensichtlich Gerüchte in der Menge gestreut worden sind, dass der Diktator umgehend zurücktrritt. Wie der Al Jazeera Sprecher im Live-Studio (zutreffend) schildert, gibt es dafür aber keine Hinweise.

Der Jubel auf dem Platz ist merklich abgeflaut.

Bestätigung: eine Zeugin berichtet vom Platz, dass jemand bekannt gegeben hätte, dass Mubarak bereits zurückgetreten sei. Die Menschen reagieren enttäuscht.

Analyse: Hier läuft eine Operation der psychologischen Kriegführung (Psyop), um die Menschen auf dem Tahrir Platz zu manipulieren und vom Marsch auf den Palast Mubaraks abzubringen.

16.33 Uhr

Laut einer Twitter-Meldung ist die im Staatsfernsehen interviewte Person nach eigenen Angaben ein Parlamentsabgeordneter.

16.36 Uhr

Aus den Lautsprechern des Soundsystems ertönt Gesang. Ein Teil der Demonstranten läßt sich zum Gebet nieder.

16.40 Uhr

Analyst Shadi Hamid vom Brookings Doha Center ist wieder einmal da und spricht im Live Stream Al Jazeeras über Amr Moussa, den Generalsekretär der Arabischen Liga und Chef der “El Gahd”-Partei. Analyst Hamid bewirbt Moussa und warnt vor dem „derzeitigen Vakuum“.

16.45 Uhr

Neuer Auftritt Jacky Rowland.

16.48 Uhr

Immer noch Gesänge aus den Lautsprechern auf dem Tahrir-Platz. Das Gebet geht weiter.

16.50 Uhr

Analyst Shadi Hamid spricht von der Möglichkeit, dass bei einbrechender Dunkelheit regimetreue Mubarak-Unterstützer möglicherweise erneut versuchen könnten den Tahrir-Platz zu stürmen, obwohl es sehr unwahrscheinlich sei, da es „starke Statements“ von Spionage-Chef Suleiman und der „internationalen Gemeinschaft“ gegeben habe.

Analyse: Das ist maximaler Zynismus. Es gab starken Widerstand durch die ägyptischen Dissidenten der Freiheitsbewegung vor Ort. Das allein brachte die Kräfte des Regimes zum Stehen. Erst nachher gab es jede Menge heuchlerische Erklärungen durch Politiker, die nichts lieber gesehen hätte als eine Kontinuität des Regimes und einen kontrollierten Wechsel im Regime, aber keinen Regime-Wechsel.

17.10 Uhr

Ein Insider namens Amr Hamsawy erläutert äußerst schnell und eindringlich spechend folgendes: das oben beschriebene selbst ernannte Komitee von „Oppositionsparteien“, die mit dem Volksaufstand nichts zu tun haben wollten bis er erfolgreich war, hat sich mittlerweile umbenannt in „Komitee der weisen Männer“ und hat sich mit dem Mubarak-Regime getroffen und verhandelt.

Analyse: Bitte vergessen Sie nicht: ich bin Künstler, ungebildet, Unterschicht und habe kein Geld, ergo auch keine Ahnung. Aber ist es nicht merkwürdig, dass genau diese ehrenwerten weisen Männer des Komitees wie Mohammed El Baradei, Ayman Nour, etc, bis jetzt immer bekundet haben genau dies nicht zu tun, nämlich mit dem Regime zu verhandeln, solange der Diktator an der Macht ist?

17.25 Uhr

Unser aller Analyst Shadi, der Hamid:

„Revolutionen brauchen starke, entschiedene Führer und diese Bewegung hat keine starken, entschiedenen Führer.“

und überhaupt: Amr Moussa. Amr Moussa. Der Amr, Amr, Amr Moussa. Das sei doch ein richtig Guter. Wie er sie alle in Flucht geschlagen hätte, wenn er da gewesen wäre.

Nur weiter so, ihr Schurken. Ich sitze hier und polier Euch die Schnauze.

17.30 Uhr

Auf dem Tahrir-Platz sind die Gebete der Religiösen vorbei. Offensichtlich genau die richtige Zeit die Mikrophone abzuschalten. Hunderttausende stehen herum und wissen nicht, was los ist.

17.36 Uhr

Auftritt Catherine Ashton in Brüssel. Die EU-Aussenbeauftragte weiss gar nicht, was die alle wollen. Schliesslich habe die EU bereits am 27. ein Statement veröffentlicht.

Auf die Frage, ob sie den sofortigen Rücktritt des Diktators fordere, antwortet sie, das sei Sache des ägyptischen Volkes die Sache zu entscheiden.

Kommentar: Es ist zu hoffen, dass dies das äygptische Volk zur Kenntnis nimmt.

17.45 Uhr

Immerhin, immerhin. Die Diktatur macht schon mal umgerechnet 864 Millionen Dollar Bakschisch für die Mittelklasse..Verzeihung, Mittelschicht locker. Autobesitzer und Unternehmer sollen es bekommen, für die vielen Schäden durch Chaoten.

Also irgendwoher kenn ich das…

17.55 Uhr

Al Jazeera Live-Übertragung: Brookings-Analyst Hamid Shadi packt jetzt richtig aus. Man müsse erstmal schauen, ob die Mehrheit der Ägypter wirklich den sofortigen Rücktritt des Diktators wolle. Überhaupt, ewig würden die Ägypter den Widerstand nicht durchhalten, es werde nachts immer so kalt auf dem Tahrir-Platz, usw.

Es habe für die Bewegung für Freiheit und Demokratie ein Fenster der Gelegenheit („window of opportunity“) gegeben. Das sei aber dabei sich zu schließen.

Was hier garantiert aufgeht, das ist ein ganz, ganz großes Licht.

18.00 Uhr

Die Dächer rund um den Tahrir Platz, von denen vor zwei Tagen noch regimetreue Mubarak-Anhänger Molotow-Cocktails auf die Menschen herunterwarfen, sind in den Händen der demokratischen Dissidenten. Wie sie Reporter Evan Hill auf dem Tahrir-Platz berichten, haben sie sich in Unterzahl Stockwerk für Stockwerk nach oben kämpfen und das Dach regelrecht erobern müssen.

Wie Evan Hill twittert, gleicht mittlerweile jedes Dach um den Platz einer Festung .

Ob solchen Leuten kalt wird, wenn sie Al Jazeera gucken?

18.35 Uhr

Auf Al Jazeera wird über alles und jeden berichtet, nur nicht darüber, was da nun vor Ort auf dem Tahrir Platz geschieht. Auch die Frage, warum der Marsch auf den Palast des Diktators nun schon zum zweiten Mal abgesagt bzw verhindert wurde – und vor allem: durch wen? – wird peinlichst vermieden.

Analyse: Am Ende des Tages 11 im Volksaufstand in Ägypten gilt es festzuhalten: der Diktator Husni Mubarak ist immer noch an der Macht. Alles andere ist irrelevant.

18.45 Uhr

Mohammed El Baradei hat in einem gegen 17 Uhr MEZ erschienenen Interview mit dem österreichischen „Standard“ erklärt, dass er nicht zu Präsidentschaftswahlen in Ägypten antreten werde.

„Standard: Werden Sie zu Präsidentschaftswahlen antreten?

ElBaradei: Nein, ich werde nicht antreten. Das Beste, was ich tun kann, ist als ein Agent für den Wechsel zu wirken. Ich bin ein Makler des Wechsels. Wenn er käme, hätte ich meine Pflicht getan. So stehe ich über den Parteien, das gibt mir mehr Flexibilität, mich klar auszudrücken. Natürlich möchte ich auch in der Zukunft eingebunden sein. Aber wer bei den Wahlen antritt, ist im Moment wirklich nicht so wichtig.

Standard: Aber Sie werden im Namen der Opposition mit der anderen Seite verhandeln?

ElBaradei: Es wird nicht viel zu verhandeln geben, wenn das Regime begriffen haben wird, was ein echter Wandel und was Demokratie ist.“

19.02 Uhr

Und nun erschliesst sich auch, was der „Agent für den Wechsel“ Mohammed El Baradei mit seinem präventiven Amtsverzicht beabsichtigt: im ZDF erklärt „Heute“-Agent Dietmar Ossenberg in einem zuvor aufgezeichneten Gespräch, es werde wohl Amr Moussa für die Präsidentschaft kandidieren.

Kommentar: Der große Vorteil des Digitalen Zeitalters ist einfach, dass man diese ganzen Schurken-Staatsmänner und ihre Kompagnions jetzt in Echtzeit hochnehmen kann und nicht mehr Dutzende von Jahren braucht.

19.30 Uhr

Auftritt Jacky Rowland. Neben Shadi Hamid Teil einer wirklich tiefgründigen U-Boot-Schau im arabischen Fernsehsender Al Jazeera. Nun sagt sie: die Freiheits- und Demokratiebewegung solle man ein bisschen vorsichtig sein. Die Parole für heute habe geheissen „Tag der Abreise“. Es sei aber niemand abgereist.

Diesbezüglich ist allen Hasenfüßen, die immer von „Globalisten“ reden und sich ganz doll fürchten, ganz, ganz doll, zu empfehlen einmal darüber nachzudenken, ob es vielleicht auch Andere als die „Entscheider“, die Nomenklatura der verschiedenen Einflußgebiete des Planeten und die Mächtigen dieser Welt gibt, die in der Lage sind das Große Bild zu sehen.

20.15 Uhr

Washington: Der Sprecher des Weissen Hauses tritt vor die Presse. Irgendwelche konkreten Aussagen – jedenfalls auf den ersten Blick erkennbare konkrete Aussagen – tätigt er nicht.

Allerdings äußert der US-Regierungssprecher die Ansicht, dass die „Instabilität“ in Ägypten wohl weiter zunehmen wird. Selbst dem Al Jazeera Studiosprecher, der schließlich genervt umschalten läßt, fällt auf:

„Ich weiss nicht wie oft er `konkrete Schritte` gesagt hat“

Bereits gestern hatte das Weisse Haus über die „New York Times“ die gewünschten konkreten Schritte erscheinen lassen: Übergangsregierung unter Spionage-Chef und Vize-Präsident Omar Suleiman (Garant für Kontinuität des Establishments), gestützt von Verteidigungsminister Marshal Mohamed Tantawi (heute beim Nationalmuseum, schon mal schnuppern bei den Dissidenten) und Generalstabschef Sami Enan (letzte Woche zu Besucht bei Michael. Michael heisst mit Nachnamen Mullen ist Generalstabschef des US-Militärs).

Die einzig relevante Zeile in dem Artikel lautet wie folgt:

„Manche Beamte (der US-Regierung) sagten, es gäbe keinerlei Anzeichen dafür, dass entweder Mr.Suleiman oder das ägyptische Militär Mr.Mubarak fallen lassen.

Analyse: Diktator Husni Mubarak ist immer noch an der Macht. Alles andere ist irrelevant.

20.40 Uhr

Während Al Jazeera weiter nichts berichtet und darauf wartet dass alle nach Hause gehen weil ihnen kalt ist, hier mal ein Beispiel dafür wer wie die Hosen voll hat. Vor wem, das lassen wir mal beiseite. Bestimmt Islamisten.

Der Generalsekretär des Nordatlantikpaktes (NATO), Anders Fogh Rasmussen, auf der ehemalig Wehrkundetagung genannten nichtstaatlichen, kommerziellen Kriegsgüterzusammenkunft namens „Münchner Sicherheitskonferenz“ (die unter Leitung des „Generalbevollmächtigten für Regierungsbeziehungen“ vom Allianz-Konzern, Wolfgang Ischinger, stattfindet):

„Was hier auf dem Spiel steht ist nicht nur die Weltwirtschaft, sondern die Weltordnung.“

21.04 Uhr

In den deutschen Leitmähdien tauchen gerade lauter Hatdochkeinenzweck-Artikel auf (thanx Josch). Die „Welt“ schreibt der Welt:

„Revolutionen zeigen die unangenehme Neigung, ihre Kinder zu fressen.“

Hallo „Welt“: Hier frißt nicht die Revolution ihre Kinder, sondern die Demokratie.

21.10 Uhr

Auf Al Jazeera fängt das Gejammer über die Unternehmer „draußen“ an, die ihre Diktatur wieder haben wollen. Die Menschen auf dem Tahrir-Platz, denen ginge es ja gut. Die hätten was zu essen, hätten Sicherheit, aber was wäre denn mit den vielen Millionen da draußen, die sich nicht der Diktatur widersetzten? Wer denke denn an die?

Die am Telefon berichtende namentlich nicht genannte Stimme klagt live auf Al Jazeera ausführlich, die gut die ohne „Führer“ auskommende Freiheitsbewegung organisiert sei: es gäbe ein Sicherheitskomitee, es gäbe Versorgung mit Lebensmitteln, es gäbe ärztliche Versorgung – ja was wäre denn mit der schönen Diktatur? Die stände doch jetzt ganz doof da. Ja das ginge doch nicht.

Zur Erinnerung: als nach der Ernennung von Spionage-Chef Omar Suleiman am Samstag (29.) dieser die erste Taktik zur Aufstandsbekämpfung versuchte, Polizei,Gefängnispersonal, Feuerwehr und Krankenwagen komplett verschwanden und Spione und Polizisten Verwüstungen und Plünderungen organisierten, bildeten sich in ganz Ägypten spontan und aus der Not heraus lokal und unabhängig „Volkskomitees“ (Popular Committees), die in der deutschsprachigen Presse prompt „Bürgerwehren“ genannt wurden. Diese selbstorganisierten Volkskomitees, nicht irgendeine „Partei“, bildeten fortan das Rückgrat des Aufstands gegen die Diktatur. Es waren die Aktivisten dieser Komitees, die nicht nur einen spontanen Volksaufstand zu einer oft in der Presse „organischen Bewegung“ wachsen ließen, sondern auch den zweiten Versuch der Aufstandsbekämpfung durch das Regime – den Angriff der bezahlten Regimetreuen auf den Tahrir-Platz – zurückschlugen und die Freiheitsbewegung der Ägypter erfolgreich verteidigten.

21.25 Uhr

Auftritt Barack Obama. Er sagt neben usw: die Ägypter müssen ihre Zukunft selbst bestimmen.

Endlich sind wir mal einer Meinung.

21.46 Uhr

Hier mal ein kleines Video über die barbarisch-arabischen Kopftuch-Islamisten, die gekommen sind um uns unseren Suezkanal zu rauben.

22.50 Uhr

Ladies und Gentlemen, bitte bringen Sie ihre Sitzlehnen in eine aufrechte Position…die Botschaft der Vereinigten Staaten von Amerika in Kairo an Al Jazeera:

„Wir haben ein Video gesehen, welches nahelegt dass ein Fahrzeug der US-Botschaft in einen Vorfall mit Fahrerflucht involviert war in dem Dutzende verletzt wurden. Wir sind sicher, das keine Angestellten oder Diplomaten der Botschaft in diesen Vorfall verwickelt sind.

Jedoch wurden am 28.Januar eine Reihe unserer US-Botschafts-Fahrzeuge gestohlen. Seit diese Fahrzeuge gestohlen wurden, haben wir Berichte über ihren Gebrauch in gewalttätigen und kriminellen Taten gehört. Wenn diese wahr sind, verurteilen wir diese Taten und die Täter.“

Wer das Video oben noch nicht gesehen hat – das ist die Erklärung der US-Botschaft für das da:

Zitat unseres Tickers von Tag 8 des Volksaufstandes, 15 Uhr:

„Das US-Aussenministerium in Washington veröffentlicht eine Erklärung. Es fordert alles nicht unbedingt notwendige Personal der US-Botschaft auf, Ägypten zu verlassen.

Analyse: Das könnte ein, zwei “Diplomaten” dort arg enttäuschen.“

Jeder weiss, dass die CIA, andere Dienste, Söldner und Militärs weltweit aus den US-Botschaften heraus operieren, wie in Norwegen, Deutschland, etc, dieSurveillance Detection Units“, die inländische Kollabateure aus dem Apparat (Polizei, Militär, Spionage-Dienste, Detekteien) anheuern um Dissidenten zu überwachen. (Hi, by the way. You guys suck.)

Allein in Norwegen wurden Hunderte „-isten“ überwacht, Islamisten, Pazifisten, Kriminalisten..nein, die nicht, Sozialisten, Zivilisten, etc, etc. Sowohl die Bundesregierung und die norwegische Regierung hatten natürlich nie davon gehört. Kommt der Ströbele und sagt, ja, öh, nee, bäh und dann war´s das. Man kann sich nun vorstellen wie das in Kairo ist.

Was mich an der Meldung wunderte, war die Motivation Clintons und Obamas die eigenen Agenten zumindest teilweise öffentlich zurückzurufen. Nun dürfte der Fall etwas klarer sein. Wer jetzt die Geschichte „Oops, wir sind die US-Botschaft und die haben mitten im Aufstand gegen unseren Husni unsere Nobelkarossen geklaut“-Story glaubt, soll bitte woanders lesen. Es gibt Grenzen.

Um die CIA und ihre Rolle in Ägypten gibt es in den USA einigen Wirbel. U.a. Dianne Feinstein, als Ströbele der USA Mitglied der „Gang of Eight“ und von Gesetz wegen in alle verdeckten Operationen der CIA eingeweiht, beschwerte sich lautstark darüber, dass die CIA mittlerweile sogar Schwierigkeiten habe Facebook zu lesen. Dort hatte bis zum 23.Januar die 25-jährige Asmaa Mahfouz von der Jugendbewegung „6.April“ in einem Video-Aufruf zu Protesten am 25.Januar bereits 84.667 Unterstützer gefunden. Aber das war vielleicht nicht ganz so interessant wie in Langley mit den guten Freunden in diversen Diktaturen oder hoffnungslos verblödeten Außenposten der Waffenexportweltmeisterei zu chatten.

23.50 Uhr

Immer weiter im Text: Finden Sie mindestens drei Fehler in vier Sätzen eines „Stern“ am Mähdienhimmel.

„Vor dem Ablauf eines Ultimatums der ägyptischen Opposition für einen Rücktritt von Präsident Husni Mubarak haben im Zentrum von Kairo am Freitag erneut zehntausende Menschen gegen die Führung des Landes demonstriert. Die Proteste auf dem Tahrir-Platz standen unter dem Motto „Tag des Abgangs“. Friedensnobelpreisträger Mohamed ElBaradei schloss eine Präsidentschaftskandidatur nicht aus. Die USA erhöhten währenddessen den Druck auf Mubarak.“

1.: Zehntausende nur für Blinde. 2.: Mohamed ElBaradei hat, wie sie oben lesen können, heute Nachmittag eine Kandidatur ausgeschlossen. 3.: Wenn die USA Druck auf Mubarak ausgeübt hätten, wäre er weg. Und so weiter.

23. 55 Uhr

Heute morgen schrieb ich:

„Heute werden sie marschieren, zum Palast des Diktators.“

Das sind sie nicht. Ich entschuldige mich herzlichst für meine Fehlprognose. Aber in einem sind sich, so glaube ich, die Meisten einig: es sind die Ägypter, die über ihre Zukunft entscheiden.

Wohl dem Volke, welches das von sich sagen kann.

Ägypten Ticker: Volksaufstand Tag 12

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