Verwaltungsgericht Köln: Verfassungsschutz-Observierung von Dr. Rolf Gössner rechtwidrig
Juristische Handschellen für das Bundesamt für Verfassungsschutz und somit für das Dulden von ungesetzlicher Spionage von Bürgern durch das Bundesinnenministerium und die Bundesrepublik Deutschland durch deutsches Gericht angeordnet: das BfV ist kein eigener Staat im Staat
Die 20. Kammer des Verwaltungsgerichts Köln hat am 3.Februar 2011 ihr Urteil in dem Verfahren des Juristen „Dr. Rolf Gössner gegen das Bundesamt für Verfassungsschutz und die Bundesrepublik Deutschland“ verkündet.
Radio Utopie berichtete am 19.November 2008 ausführlich in dem Beitrag „Verkehrte Welt“- Rolf Gössner: Kämpfer für Menschenrechte vier Jahrzehnte als brisanter Staatsfeind observiert über das laufende Klageverfahren „Dr. Gössner gegen die Bundesrepublik Deutschland“, in dem er von dem Rechtsanwalt Dr. Udo Kauß vertreten wurde.
Die Richter hatten zur Urteilsfindung nicht alle Fakten vom Bundesverfassungsschutz erhalten, da der BfV aus Geheimhaltungsgründen wie „Quellenschutz, Ausforschungsgefahr, Staatswohl“ – eine nur unvollständig vorgelegte 2000seitigen Personenakte übergeben hatte.
„Es wird festgestellt, dass die Beobachtung des Klägers bis zum 13.11.2008 einschließlich der während dieses Zeitraumes erfolgten Erhebung und –Speicherung von Daten zu seiner Person rechtswidrig gewesen ist. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.“, zitierte die Neue Rheinische Zeitung die Begründung der Richter zu ihrem Urteil.
Der Vorsitzende Richter stellte fest, dass in dem Verfahren „zwei Denkwelten“ aufeinander prallten und dass durch die einseitige Auswahl des erfassten Materials durch das BfV die Beklagte „zwangsläufig ein falsches Bild“ vom Kläger und von dessen beruflichen und politischen Aktivitäten entstehen müsse. Schon deshalb habe Rolf Gössner ein berechtigtes „Rehabilitierungsinteresse“, dem das heutige Urteil in vollem Umfang entspreche.
Das Urteil ist auf der Webseite des Kölner Verwaltungsgericht zum aktuellen Zeitpunkt noch nicht öffentlich zur Verfügung gestellt.
Für Dr. Rolf Gössner ging viel Lebenszeit und -kraft in dem lang anhaltenden Prozessverfahren verloren, der zu der Urteilsverkündung sagte:
„Aber dieser mühsame Kampf war nun mal notwendig, um wenigstens zu versuchen, ein wenig Licht ins Dunkel geheimdienstlicher Machenschaften zu bringen und solch ausufernde Geheimdiensttätigkeit künftig zu bändigen.
Mir war immer klar, dass mit mir gewissermassen eine ganze Generation von engagierten Menschen mitklagte, die sich seit den späten 60er Jahren in unterschiedlichen Aktivitäten und Berufen linkspolitisch betätigten oder weiterbetätigen, und dabei möglicherweise ebenfalls mehr oder weniger lang ins Visier des Verfassungsschutzes geraten sind. Vielleicht habe ich deshalb so viel Zuspruch und Solidarität empfangen, für die ich mich herzlich bedanken möchte, weil ich mich in gewisser Weise auch stellvertretend zur Wehr gesetzt und geklagt habe.“
Die Internationale Liga für Menschenrechte, deren Vizepräsident Dr. Gössner ist, sagte in einer Stellungnahme, dass dieser Einzelfall von grundsätzlicher Bedeutung ist und „welche Gefahren für Persönlichkeitsrechte, für Informationelle Selbstbestimmung, Meinungs- und Pressefreiheit, Mandatsgeheimnis und Informantenschutz mit Geheimdiensten und ihren klandestinen Aktivitäten verbunden sind.
Der Einzelfall ist darüber hinaus von grundsätzliche Bedeutung, denn es geht um ein brisantes Problem, das auch andere Publizisten, Rechtsanwälte und Menschenrechtler betrifft:
Welche Grenzen sind den kaum kontrollierbaren Nachrichtendiensten und ihren geheimen Aktivitäten gezogen – gerade im Umgang mit Berufsgeheimnisträgern und im Rahmen unabhängiger Menschenrechtsarbeit von Nichtregierungsorganisationen?
Es ist klar, dass diese Langzeitüberwachung nicht ohne drastische politische Konsequenzen bleiben wird, weil es sich dabei nicht um einen Einzelfall gehandelt hat.
Dieser Verfassungsschutz schützt nicht die Verfassung, sondern ist offenbar selbst eine Gefahr für den freiheitlich demokratischen Rechtsstaat. Diese aufwändige Überwachungsgeschichte ist auch ein ganz dringlicher Fall für den Bundesrechnungshof – wegen Verschwendung öffentlicher Gelder.“
Dr. Udo Kauß zu der Rolle der Geheimdienste in Deutschland:
„Dem Schutz der BürgerInnen vor staatlicher Überwachung wurde nach 5jährigem Rechtstreit zumindest rückwirkend Geltung verschafft. Die im Prozess vom Bundesamt für Verfassungsschutz für sich in Anspruch genommene Deutungshoheit über das, was in diesem Staat zulässiger Weise gesagt und geschrieben werden darf, ist diesem Geheimdienst entzogen worden.
Eine schallende Ohrfeige mit hoffentlich nachhaltiger Wirkung für die Erfassungspraxis nicht nur des Bundesamtes für Verfassungsschutz, sondern aller bundesdeutschen Geheimdienste. Das Amt wird seine Beobachtungs- und Erfassungspraxis gründlich ändern müssen.“
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