Deutsche Schienenstrang-Kultur der vollendeten Noblesse
Wenn eine Gewerkschaft zum Streik aufruft, dann möchte sie für ihre Mitglieder in der Regel bessere Arbeitsbedingungen aushandeln, die es ansonsten nicht zu erreichen gibt.
In Deutschland gehören Streiks der Arbeitervertretungen zum regelmässigen Ritual, das halt so zum Alltag dazu gehört und Gewerkschaften sind zum Selbstzweck verkommen.
Anders kann man sich nicht erklären, wieso der Vorsitzende der Lokführer-Gewerkschaft GDL, Claus Weselsky, heute mitteilte, dass die für morgen angekündigten Warnstreiks auf ein späteres Datum verschoben wurden.
„Die derzeit noch laufende Ski-Weltmeisterschaft in Garmisch-Patenkirchen soll nicht beeinträchtigt werden,“
so Weselsky und weiter zitierte die Nachrichtenagentur Reuters am 16.Februar den rücksichtsvollen Gewerkschaftsboss, dass die GDL auch ihre Verantwortung gegenüber den internationalen Gästen und einer anstehenden Bewerbung der Region für die Olympischen Spiele 2018 sehe.
Man könnte nun Herrn Weselsky den Vorschlag machen, generell auf Streiks zu verzichten, da der Standort Deutschland für Touristen und Investoren mit diesen Ruhezeiten unsägliche Rufschädigung erleidet, denn irgendeine Messe wird in so einem grossen Industrieland immer gelesen. Bestreikbar ungünstige Festivitäten wie Fastnacht und das Osterfest stehen auch schon vor der Tür, da muss der Kessel rund um die Uhr wieder glühen.
Eigentlich soll ein Streik den Arbeitgeber zu Zugeständnissen zwingen und ihn dann treffen, wenn es richtig weh tut – schliesslich sind doch die Angebote der Arbeitgeberseite eine Provokation laut dem GDL-Chef? Da wäre doch die Gelegenheit günstig, die Vorstandsetagen gerade jetzt zum Rotieren zu bringen.
„Wir wollen einen Flächentarifvertrag für alle Lokomotivführer, und dafür sind wir auch bereit zu streiken.“
Unter diesen Umständen, wie sie die GDL zelebriert, kann man sich gleich auf der Cafeteria der Bahn AG als Beschäftigungstherapie und Dokumentation seiner Daseinsberechtigung zum Schwatz setzen, verhandeln, rumklüngeln und dabei schwarzen Mocca mit einem Schuss Haselnusslikör schlürfen und den Tag wieder bestens mit persönlichem Wohlergehen herumgebracht zu haben.
Währenddessen können sich die Schicht fahrenden Lokomotivführer auf ihren inzwischen russfreien Tendern schwarz ärgern oder auch nicht.
Deutschland wäre ein ausgesprochenes Schlaraffenland, wenn Politiker ein derartig vornehmes Benehmen der Rücksichtnahme gegenüber ihren Wählern an den Tag legen würden wie das, welches die hiesigen Gewerkschaften pflegen.
Quelle: http://de.reuters.com/article/domesticNews/idDEBEE71F07Z20110216