Die Atomaffäre in Fukushima eskaliert sich selbst, in Ermangelung von Fakten. Eine Analyse.
Heute morgen reicht es Robert Hetkämper. Um 7 Uhr unserer und 15 Uhr japanischer Zeit fragt, live aus Tokio zugeschaltet, der Asien-Korrespondent des ARD im Morgenmagazin der öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten Deutschlands, was da in Fukushima eigentlich vor sich geht. Wie könne es sein, dass in einem schon vor dem Erdbeben stillgelegten Reaktorgebäude 4 des AKW Fukushima I nun auch noch ein Feuer ausbreche? Und warum werde dies von US-Soldaten gelöscht und nicht von den Angestellten des Kraftwerksbetreibers Tokyo Electric Power Company (Tepco), von dem man sowieso schon seit 20 Jahre wisse, dass die nicht ganz koscher seien? Warum seien nur noch 50 Mitarbeiter des Atomkonzerns auf dem gesamten riesigen Kraftwerksgelände? Und wie könne es sein, dass praktisch jeden Tag die Welt mit einer neuen Explosion in einem Atomkraftwerk aufwache? Das Ganze wirke, so ZDF-Asien-Korrespondent Hetkämper, „wie ein Comic“ mit den populären Endzeit-Szenarien eines menschenleeren, atomar verseuchten Tokios.
Robert Hetkämper, weiss Gott kein Quertreiber, sondern sehr konservativen Charakters, übertrifft mit dieser einfachen Nachdenklichkeit das Niveau fast jeden Journalisten, der über die seit Tagen andauernde Atomaffäre aus Fukushima berichtet.
Dass das laut den Angaben von japanischer Regierung und Energiekonzern ausgebrochene und von US-Soldaten gelöschte Feuer bei Reaktorblock 4 in der Tat in einem schon vor dem Erdbeben stillgelegten Bereich ausbrach, kann man dieser Meldung der Tokyo Electric Power Company nach dem Erdbeben entnehmen: sie besagt eindeutig, dass von den sechs Reaktorblöcken in Fukushima I (Fukushima Dai-ichi) nur die Reaktoren, 1, 2 und drei in Betrieb waren und automatisch herunterfuhren. (1)
Ergänzung: 10.30 Uhr
Dementsprechend ist auch die nun vom berühmten Regierungssprecher Japans, Yukio Edano, heute plötzlich nachgeschobene Horrormeldung, dass auch die Kühlungen der Reaktoren 5 und 6 im AKW Fukushima I „nicht zu funktionieren scheinen“, eine weitere bodenlose Unverschämtheit. Sie funktionieren nicht, weil sie nicht in Betrieb sind – weil die Reaktoren 4, 5 und 6 bereits vor dem Erdbeben nicht in Betrieb waren.
Hier zu eine weitere Quelle zum Status der Reaktoren: diese „Reuters“-Meldung????? besagt, dass die Reaktoren 5 und 6 wegen „geplanter Wartungsarbeiten“ nicht in Betrieb sind. Was schreibt die „Welt“? „Kühlung der Reaktoren 5 und 6 offenbar auch defekt“.
Hui, wie schrecklich. Aber wie gut, dass freie Presse auch frei von Recherche, Verstand und Verantwortung sein kann. Das ist doch die Freiheit, die Sie haben wollen. Oder.
Nachdem nun, durch die von der Partei „Demokraten“ geleitete japanische Regierung und den Energiekonzern Tepco, in der Nacht sowohl eine dritte Explosion (in der Nähe von Reaktorblock 2) und auch noch der Ausbruch eines Feuers (im stillgelegten Reaktorblock 4) gemeldet wurden, gab es zunächst einmal nur die Informationen von Regierung und Konzern zu diesem Vorfall, aber keine Bilder. Denn mittlerweile war eine Flugverbotszone um das Kraftwerksgelände verhängt worden und zwar mit dem beachtlichen Radius von 30 Kilometern.
Aber plötzlich, Wunder über Wunder, gibt es nach Tagen auf einmal ein Satellitenbild von der Atomanlage. Es taucht um 08.30 auch im ARD/ZWF-Morgenmagazin auf, mit der Quellenangabe des traditionsreichen alten japanischen ex-TV-Monopols und Staatsfernsehens NHK, heute „Japan Broadcasting Corporation“. Niemand fragt, warum erst jetzt ein Satellitenbild auftaucht. Niemand fragt, wo die Quelle des Bildes sitzt. Dafür widmet man sich ausführlich dem vielen Rauch auf dem Satellitenbild, was auch farblich nun an das Aussehen von Tschnernobyl nach dem Super-Gau 1986 erinnert. Erinnert. Aber was ist dort in Fukushima tatsächlich passiert?
Ein ehemaliger Ingenieur der US-Sondereinheiten (Special Forces), der unter dem Pseudonym „Sean Linnane“ (2) sein eigenes Portal betreibt, hat bereits vor Tagen ein weit verbreitetes Mißverständnis unmißverständlich geklärt: Leichtwasser-Reaktoren wie in Fukushima können nicht explodieren. Das ist physikalisch unmöglich. Also was ist da explodiert, angeblich, und zum dritten Mal unter der Verantwortung der Demokraten-Regierung von Premierminister Naoto Kan und Wirtschaftsminister Banri Kaieda, deren Namen man ebenso vorsichtig aussprechen wie ihre Aussagen beurteilen muss? Wieder einmal der berühmte Wasserstoff?
Gestern wunderte sich der Reporter der „Süddeutschen“ (3) in Fukushima, Henrik Bork, dass trotz der vermeintlichen Atomkatastrophe der Flugverkehr auf dem Flughafen von Fukushima recht entspannt weiter ging. Ihm fiel dabei auf, dass dort nicht nur Militärflugzeuge der japanischen „Selbstverteidigungskräfte“ herumstanden (die Tokio selbst am Hindukusch verteidigen), sondern auch die Black Hawks der lieben Kollegen aus den Sondereinheiten des US-Militärs.
Der von Selbstverteidigungsmanövern der Vereinigten Staaten von Amerika vor China und Nordkorea abgezogene US-Flugzeugträger USS Ronald Reagan lag offenbar einige Tage in der Nähe des Atomkraftwerks Fukushima. Jedenfalls wurde er dort nun abgezogen, meldete das US-Militär. 17 Soldaten hätte „leichte Radioaktivität“ abbekommen (4). Wobei denn? Und ja, man darf fragen. Manche sehen das sogar als Pflicht, wenn man nicht gleich den Kopf zu machen und sich nach Hause fürchten will.
Trotz aller anderen Widersprüchen und Unglaublichkeiten, die wir in vorhergehenden Artikeln aufgezählt haben, wirkt bei vielen immer noch die Karnickel-Starre. Dasitzen, gruseln und immer nur aggressive Energie entwickeln, wenn einem jemand das Schlappohr aufzieht und reinbrüllt.
Diese ganze „Atomwolke“, die da jetzt auf Tokio zurasen soll, die immer noch nicht existierende Kernschmelze, der virtuelle Super-Gau, die nicht stattgefundene weil physikalisch unmögliche Explosion eines Leichtwasser-Reaktors, all das ist eine miese, schlechte Schmierenkomödie, von schlechten, miesen Typen für schlechte, miese Typen. Wer darauf herein fällt, ist selbst schuld. Wer unbestätigte Berichte für Panikmache und plumpen Boulevard benutzt, ist selbst verantwortlich und kann es auf niemanden anderen schieben.
Und wer alles glaubt, was einem durch „Medien“, Regierungen, Militärs und Konzernen erzählt wird – ohne fähig zu sein eine einzige Frage zu stellen – der ist für jede Art von Politik oder Demokratie schlichtweg nicht zu gebrauchen, sondern repräsentiert genau das permanente Opfer, dass dieser psychologische Krieg braucht um gegen Japan und die Welt zu gewinnen.
Ergänzung 11.40 Uhr
Gucke da. Wer brüllt da so spät durch Atomnebel und Wind?
„Das Fernsehen berichtet von einer Explosion. Aber dem Büro des Ministerpräsidenten wird über eine Stunde lang nichts gesagt. Was zum Teufel ist hier los?“
Das ist die erste intelligente Äußerung des japanischen Ministerpräsidenten Naoto Kan seit Beginn der Atomaffäre vor vier Tagen. Er tätigte diese, wie „Kyodo“ (5) berichtet, während eines Treffens mit leitenden Funktionären des Kraftwerksbetreibers Tepco.
Japans Premier verurteilt den Konzern scharf dafür, seine Mitarbeiter aus der Atomanlage Fukushima abgezogen zu haben und forderte Tepco auf Entschlossenheit zu zeigen. Vorher hatte Fukushimas Gouverneur Yuhei Sato seinen Premier Kan angerufen und offensichtlich genau das von ihm gefordert. Die Angst und die Wut der Anwohner über die Informationspolitik der Tokyo Electric Power Company hätten „das Limit erreicht“, so Gouverneur Sato. Er forderte die Zentralregierung in Tokio auf, endlich die entsprechenden Maßnahmen einzuleiten, um die Krise in den Griff zu bekommen.
Satte vier Tage später scheint die Tokioter Regierung aber immer noch auf die Zusammenarbeit mit genau dem Kraftwerksbetreiber Tepco zu setzen, der verantwortlich ist für mittlerweile zwei bestätigte Explosionen und eine unbestätigte Explosion auf dem eigenen Kraftwerksgelände. Am Dienstag sei ein „gemeinsames Hauptquartier“ zur Leitung der Krisen-Maßnahmen betreffend des AKWs Fukushima I installiert worden, hiess es. Die Leitung habe Premier Kan. Vizeleiter seien der mächtige Wirtschaftsminister Banri Kaieda (der laut Regierungssprecher Yukio Edano am 12.März die Einleitung von Meerwasser in die Reaktoren angeordnet hatte), sowie der Präsident von Tepco, Masataka Shimizu.
Wollen wir mal abwarten, was nun als nächstes in die Luft fliegt. Es könnte eventuell auch die eine oder andere Darstellung der bisherigen Ereignisse sein.
(…)
Artikel zum Thema:
14.03.2011 Atomaffäre Fukushima: Versuchte Kernschmelze der Logik
Chinas Vizeminister für Umweltschutz, Zhang Lijun, erklärte nun am heutigen Morgen in Peking auf einer Pressekonferenz, man werde trotz der seit drei Tagen in Fukushima I und anderen Atomkraftwerken Japans anhaltenden Krise an den eigenen Plänen festhalten.
12.03.2011 Fukushima: Diesel-Generatoren des Kühlsystems eine Stunde nach Erdbeben abgeschaltet
In der allgemeinen Aufregung gab es offenbar auch ernste anzunehmende Unfälle in der Kommunikation zwischen der Washingtoner Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika mit ihrem Militär – und das bereits gestern, vor der Explosion in Fukushima I.
Quellen:
(1) http://www.tepco.co.jp/en/press/corp-com/release/11031103-e.html
(2) http://seanlinnane.blogspot.com/2011/03/situation-japanese-nuclear-plant.html
(3) http://www.sueddeutsche.de/panorama/atomkatastrophe-in-japan-weiteres-kuehlsystem-in-fukushima-kolabiert-1.1071579
(4) http://www.upi.com/Top_News/World-News/2011/03/14/US-carrier-moves-away-from-radiation/UPI-82931300087800/
(5) http://english.kyodonews.jp/news/2011/03/78228.html