Libyen-Einsatz deutscher Soldaten: Das verfassungsklägliche Placebo Bundestag
Die Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen kündigt wegen des im Februar ohne Beteiligung des Parlamentes erfolgten Einsatzes deutscher Soldaten in Libyen Verfassungsklage gegen die Regierung an. Dabei stellt sie keine einzige diesbzüglich von der Regierung aufgestellte Behauptung der Regierung in Frage. Die Linksfraktion ist noch konsequenter: sie tut überhaupt nichts oder sabotiert sich selbst und arbeitet in Teilen der Regierung sogar direkt zu. Dabei entsteht vor dem Gerichtshof der Öffentlichen Meinung der Eindruck eines Parlamentes, in dem die einen selbstbewusst lügen, die anderen nichts als wegrennen und der überwiegende Teil nicht einmal lesen kann oder will.
Im Libyen-Krieg spielt die deutsche Republik bekanntlich die entscheidende Rolle. Nicht umsonst tagten gestern die Aussenminister der Nato-Mitgliedsstaaten in Berlin. Nicht umsonst standen anschließend US-Außenministerin Hillary Clinton und die deutsche Kanzlerin Angela Merkel (wie immer mit den Händen penetrant ihre Pyramide formend) skurril lächelnd vor den Kameras. Nicht umsonst bekundete die nach verheerenden Wahlniederlagen der CDU innenpolitisch auf sehr dünnem Eis stehende Merkel ihre „uneingeschränkte“ Unterstützung (1) für die Ziele der uneingeschränkte Kriegsvollmacht UN Resolution 1973, welche die Grundlage für den uneingeschränkten Krieg in Libyen darstellt.
Nicht umsonst. Oder doch?
In Berliner „Regierungsviertel“, mit dem immer hilfloser und kläglicher agierenden Parlament im Reichstag, spielt sich derzeit wieder einmal eine unfassbare Posse ab. Ausgerechnet die bellizistische Parlamentsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen, die am vehementesten für einen Krieg gegen einen Diktator warb, dessen Sondereinheiten unter ihrer Regierungsbeteiligung von 1998 bis 2005 von deutschen Sondereinheiten aus Polizei und Bundeswehr selbst ausgebildet worden waren, kündigt als einzige Fraktion des Bundestages eine Verfassungsklage gegen die Bundesregierung an. Und zwar wegen eines bereits erfolgten bewaffneten Einsatzes von Sondereinheiten deutschen Militärs auf libyschem Boden, für den das deutsche Parlament weder vorab, noch im Nachhinein irgendein Mandat erteilt hat.
Wann, wie, wie oft, wo und mit wieviel deutschen Soldaten der „Parlamentsarmee“, ist immer noch völlig unklar. Und kein einziger Abgeordneter, geschweige denn eine Fraktion des Parlamentes, ist offensichtlich gewillt es heraus zu finden.
KLEINE ANFRAGE DER LINKSFRAKTION: „ENTSCHULDIGEN SIE, WIR HABEN DA WAS IN DER PRESSE GELESEN..“
Am 9.März erstellten die Abgeordneten Sevim Dagdelen, Christine Buchholz, Wolfgang Gehrcke, Annette Groth, Heike Hänsel, Inge Höger, Andrej Hunko, Harald Koch, Niema Movassat, Wolfgang Neskovic und Katrin Werner aus der Linksfraktion eine kleine Anfrage an die Bundesregierung bezüglich eines deutschen Militäreinsatzes auf dem Boden Libyens, der bereits Ende Februar erfolgt war. (2)
Nicht unter den fragestellenden Abgeordneten: Der Obmann der Linksfraktion im Verteidigungsausschuss, Paul Schäfer.
Die Anfrage (Drucksache 17/5002) bezog sich auf „Evakuierungen“ durch deutsche Militäreinheiten von Deutschen und anderen Staatsbürgern aus Libyen – also einem deutschen Militäreinsatz in einem Kriegsgebiet – von dem die Parlamentarier nach eigenen Angaben ihrer kleinen Anfrage aus der Presse, von der Regierung, oder von der Bundeswehr selbst erfahren hatte. Konkret erwähnte die Linksfraktion ihr durch Regierung, Militär und Presse zu Ohren gekommene Bundeswehreinsätze auf libyschem Boden am 22., 23. und 26.Februar.
Diese Daten gilt es sich noch zu merken.
Ein Mandat des Bundestages, vom Parlamentsbeteiligungsgesetz ParlBG bei allen potentiellen Kriegs- und Kampfeinsätzen zwingend vorgeschrieben, hatte nicht vorgelegen. Die Bundesregierung, damals noch mit dem Oberkommandierenden Karl-Theodor zu Guttenberg im Verteidigungsministerium, hatte dies (laut der Kleinen Anfrage der Linken) in der Bundespressekonferenz am 28.Februar mit „Gefahr im Verzug“ begründet und sich damit auf Paragraph 5 ParlBG berufen.
Paragraph 5 vom „Gesetz über die parlamentarische Beteiligung bei der Entscheidung über den Einsatz bewaffneter Streitkräfte im Ausland“ besagt (3):
“ § 5 Nachträgliche Zustimmung
(1) Einsätze bei Gefahr im Verzug, die keinen Aufschub dulden, bedürfen keiner vorherigen Zustimmung des Bundestages. Gleiches gilt für Einsätze zur Rettung von Menschen aus besonderen Gefahrenlagen, solange durch die öffentliche Befassung des Bundestages das Leben der zu rettenden Menschen gefährdet würde.
(2) Der Bundestag ist vor Beginn und während des Einsatzes in geeigneter Weise zu unterrichten.
(3) Der Antrag auf Zustimmung zum Einsatz ist unverzüglich nachzuholen. Lehnt der Bundestag den Antrag ab, ist der Einsatz zu beenden.“
„Unverzüglich nachzuholen“. Jeder kann lesen, der es will. Doch die Abgeordneten des deutschen Bundestages wollten offensichtlich nicht. Es geschah erst einmal nichts.
Am 9.März schließlich stellten die erwähnten Abgeordneten der Linksfraktion – ohne ihren Obmann im Verteidigungsausschuss, Paul Schäfer – nun erwähnte Kleine Anfrage. Die Regierung liess sich mit der Beantwortung viel Zeit und zog die Option, die im Regelfall vorgesehene Frist von 14 Tagen um weitere 14 Tage zu verlängern.
Wieder passierte nichts.
DIE MUTTI-PARTEI ALLER LINKEN
Am 24.März schließlich stellte die Linksfraktion in einer Parlamentssitzung einen von Verteidigungs-Obmann Schäfer erstellten (und u.a. von bekannten Bellizisten wie Stefan Liebich aus dem berüchtigten Landesverband Berlin unterstützten) Antrag mit dem Titel „Beachtung des Parlamentsbeteiligungsgesetzes bei dem Evakuierungseinsatz in Libyen“ (4) zur Abstimmung. Dieser enthielt, versteckt in seinem Nebensatz, wahrlich Erstaunliches.
„Am 26. Februar 2011 hat die Bundesregierung unter Berufung auf Gefahr im Verzug einen bewaffneten Einsatz der Bundeswehr zur Evakuierung deutscher und anderer europäischer Staatsbürgerinnen und Staatsbürger aus Libyen durchgeführt. Ein solcher Evakuierungseinsatz fällt unter die entsprechenden Bestimmungen von § 5 des Parlamentsbeteiligungsgesetzes. Daran hat auch die Bundesregierung keinen Zweifel gelassen, in dem sie im Vorfeld und nach der Operation die Fraktionsvorsitzenden und Obleute des Verteidigungsausschusses direkt gemäß § 5 Absatz 2 des Parlamentsbeteiligungsgesetzes unterrichtet hat – im Unterschied zu anderen Einsätzen der Bundeswehr, bei denen nicht mit der Anwendung militärischer Gewalt zu rechnen war, wie z. B. bei der Verlegung von Fregatten vor die libysche Küste.“
Die Linksfraktion eines Parlamentes, was über die Entsendung einer Parlamentsarmee zu entscheiden hat, entschied sich hier offensichtlich, nicht für irgendeine Parlamentsmarine zuständig zu sein. Des Weiteren konstatierte der von Verteidigungs-Obmann Schäfer erstellte Antrag allgemein, dass bei Einsätzen der Bundeswehr auf libyschem Territorium „nicht mit der Anwendung militärischer Gewalt zu rechnen“ sei. Außerdem ging der Antrag mit keinem Wort auf einenVorgang ein, um dessen Aufklärung sich im Bundestag ebenfalls niemand zu kümmern scheint.
Am 15.Februar, zwei Tage bevor der Aufstand in Libyen begann, liefen der Einsatzgruppenversorger (EGV) Berlin (A 1411), das Fregattenschiff (FGS) Rheinland-Pfalz (F 209) und die Fregatte Brandenburg (F 215, Klasse F 123) “Richtung Mittelmeer” aus Wilhelmshaven aus. Alle drei Schiffe gehören zur Einsatzflottille 2 (EF2), deren Standorthafen und Einsatzstab sich in Wilhelmshaven befindet. Die EF2 ist an vier internationalen Kriegseinsätzen beteiligt: Operation Atalanta (vermeintlich zur Jagd auf “Piraten”) an der strategisch wichtigen Meerenge zwischen Asien und Afrika, dem Golf von Aden zwischen Jemen und Somalia, am Unifil- Einsatz vor Libanon (der auf Drängen Israels nach dessen gescheiterter Invasion im Libanon 2006 durch die deutschen Staatsparteien beschlossen wurde), Operation Active Endeavor (“zur Entdeckung und Abschreckung terroristischer Aktivitäten”), sowie dem nach dem 11.September 2001 durch die USA, Nato und Alliierte begonnenen weltweiten “antiterroristischen” Krieg der Operation Enduring Freedom (OEF).
Mit welchem Auftrag die deutschen Kriegsschiffe zwei Tage vor Ausbruch des Aufstandes in Libyen ausliefen, ist bis heute unbekannt. Das Verteidigungsministerium machte widersprüchliche Angaben. (4.März, Deutsche Kriegsschiffe vor Libyen: Staatsparteien, Militär und Informationsindustrie decken Vorbereitung zum Angriffskrieg)
Schließlich gab man bekannt, die deutschen Kriegsschiffe vor Libyen seien auf einer „Evakuierungsmission“. Doch auch dazu wurden Nebelkerzen geworfen. Am 4.März hatte es aus dem tunesischen Hafen Ras Jedir an der libyschen Westgrenze noch geheißen, im Laufe des Tages würden die drei deutschen Kriegsschiffe anlegen. Stattdessen hiess es dann aus dem Einsatzführungskommando in Potsdam, die deutschen Kriegsschiffe hätten am Abend des 5. März aus dem tunesischen Hafen von Gabes abgelegt, Hunderte von Kilometern von der Grenze zu Libyen entfernt. Man sei mit 412 ägyptischen Flüchtlingen auf dem Weg nach Alexandria. (Libyen-Krieg: Regierung zieht deutsche Soldaten aus Awacs-Operationen und Seeblockade der Nato ab, 23.März)
Und all diese Vorgänge segnete nun am 24.März die Bundestagsfraktion von „Die Linke“ dadurch ab, dass sie nicht nur keine einzige Frage hinsichtlich des exakten Auftrages der Kriegsschiffe der Bundeswehr zum Zeitpunkt der Entsendung verlor, sondern auch noch attestierte, dass während deren Einsatzes vor Libyen „nicht mit der Anwendung militärischer Gewalt zu rechnen“ gewesen sei – 5 Tage nach dem Angriff einer internationalen Kriegsallianz von Kriegsschiffen im Mittelmeer aus und nachdem der libysche Diktator Muammar el Gaddafi angreifenden Marineverbänden mit Vergeltung gedroht hatte.
Seltsam war auch, dass die Linksfraktion nicht einmal darauf bestand, dass ihr Antrag tatsächlich debattiert wurde. Sämtliche Reden, auch die der linken Abgeordneten Inge Höger, wurden „zu Protokoll gegeben“, also nie gehalten, sondern in Schriftform dem Bundestagspräsidium auf das Pult gelegt.
Für die exorbitante Hartnäckigkeit und das ausgesuchte Tempo der Fraktion mit dem Namen „Die Linke“ ist dabei ebenfalls kennzeichnend, dass sie am gleichen 24.März mit Drucksache 17/4671 einen Antrag vorlegte, in dem sie zu folgender weisen Erkenntnis kam:
„Die Forderung der ägyptischen demokratischen Bewegungen nach Rücktritt von Präsident Hosni Mubarak ist völlig berechtigt“
Nun hatten aber die Ägypter ihren Diktator aber bereits am 11.Februar aus dem Amt gejagt, erstaunlicherweise auch ohne die Solidaritätsbekundungen der Linksfraktion im Bundestag. Man müsste die Ägypter eigentlich verklagen, wegen Missachtung der Mutti-Partei aller Linken weltweit.
CDU/CSU: GADDAFI-REGIME ÜBER BUNDESWEHR-EINSÄTZE „VORAB INFORMIERT“
Noch bizarrer wurde es am 24.März im Bundestag , als in einer nicht gehaltenen und „zu Protokoll“ gegebenen Debatte die Regierungsfraktionen von CDU und CSU nun den von der Linksfraktion selbst zu gespielten Ball aufnahm und ihre eigene Argumentation hinsichtlich der Nichtbeteiligung des Parlamentes am Militäreinsatz in Libyen um 180 Grad drehte. Nun hiess es nicht mehr, es habe sich entsprechend Paragraph 5 ParlBG um „Gefahr im Verzug“ gehandelt, nein – es sei gar keine bewaffnete Auseinandersetzung mit den bewaffneten deutschen Streitkräften zu erwarten gewesen. Der Abgeordnete Dr.Wolfgang Götzer (CDU/CSU) zu dem von der Regierung vermeldeten Evakuierungsflug am 26.Februar (5):
„Bei der Maßnahme handelte es sich um keinen Einsatz bewaffneter Streitkräfte im Sinne des § 2 Abs. 1 ParlBG, da nach der erfolgten Lageeinschätzung der Bundesregierung aus Ex-ante-Sicht nicht zu erwarten war, dass die Soldaten in bewaffnete Auseinandersetzungen einbezogen werden würden.“
Zur Begründung führte der Abgeordnete in seiner nie gehaltenen Rede etwas sehr Interessantes auf:
„Im Übrigen wurde das Gaddafi-Regime über die Aktion vorab informiert. Die fehlende Reaktion konnte als
konkludente Zustimmung gewertet werden.“
Das Gaddafi-Regime wurde also über den „streng geheimen“ und „hoch brisanten“ Einsatz deutschen Militärs auf libyschem Boden vorab informiert?! Diese Darstellung, ob sie nun zutrifft oder nicht, ist der letzte Beweis für die ganze Kläglichkeit unseres Parlamentes und das absurde Schauspiel, was hier die Regierung und ihre Parteien vor den penetrant geschlossenen Augen der „Opposition“ und den ungläubigen Augen der Öffentlichkeit betreiben.
Niemand hat bisher diese Ungeheuerlichkeit verifiziert oder diesbezüglich nachgehakt. Auch steht diese Behauptung natürlich im völligen Gegensatz zu den Heldenmeldungen aus dem Einsatzführungskommando, sämtlichen Presseberichten, der Darstellung der Bundesregierung und ganz nebenbei sogar der zuvor abgegebenen „Rede“ des Abgeordneten Michael Brand (CDU/CSU).
„Die Evakuierung deutscher und anderer Staatsangehöriger aus Libyen durch unsere Bundeswehr am 26. Februar 2011 war richtig und erfolgreich. Dafür danken wir den Soldatinnen und Soldaten sehr. Die Evakuierung duldete angesichts einer humanitären Notlage keinen Aufschub, zumal Gefahr im Verzug wahr.“
Also was denn nun? Gefahr im Verzug, wegen eines möglichen Angriffs eines vorab informierten Regimes in Tripolis während einer Evakuierungsmission vom Flughafen der Ortschaft Jakharrah (Nafura, Nafurah, Nafoora, etc, etc), Hunderte von Kilometern südöstlich von Ajdabiya mitten in der Sahara? Oder ein Einsatz bewaffneter deutscher Soldaten, bei dem nicht zu erwarten war, „dass die Soldaten in bewaffnete Auseinandersetzungen einbezogen werden würden“?
Nein, nein – schlicht beides.
BUNDESREGIERUNG: JA IST NEIN. JA, NEE.
Man lausche der legendären Darstellung des Auswärtigen Amtes vom 28.Februar (6):
„Dafür muss man sich das Parlamentsbeteiligungsgesetz genau ansehen; das würde ich Ihnen empfehlen. Es gibt nach den §§ 3 und 5 sozusagen die Pflicht, im Vorhinein zu unterrichten, wenn sich ein bewaffneter Einsatz abzeichnen könnte. Wenn sich im Nachhinein herausstellt, dass es tatsächlich ein bewaffneter Einsatz war, muss die nachträgliche Zustimmung des Deutschen Bundestages eingeholt werden.
In diesem Falle war es so, dass ein bewaffneter Einsatz bevorgestanden haben könnte. Nachträglich war es ein gesicherter Evakuierungseinsatz mit humanitärer Zielsetzung, also kein bewaffneter Einsatz. Demzufolge muss auch nachträglich keine Zustimmung des Bundestages eingeholt werden.“
Dieser Linie asymmetrischer Logik-Unlogik folgte die Bundesregierung konsequent und gab am 31.März auf die Kleine Anfrage (Drucksache 17/5002) die entsprechende Antwort (Drucksache 17/53599). In dieser hiess es (7):
„Bei der Evakuierung deutscher und Staatsbürger anderer Länder aus Libyen wurden an insgesamt drei Tagen deutsche militärische Flugzeuge eingesetzt. So wurden am 22. und 23. Februar 2011 in zwei ungesicherten Luftabholungen aus Tripolis und am 26. Februar 2011 in einer gesicherten Luftevakuierung aus dem Raum Nafura insgesamt 262 Personen, davon 125 deutsche Staatsbürger, evakuiert.
Bei den Luftabholungen am 22. und 23. Februar 2011 waren die eingesetzten Soldaten unbewaffnet. In den beiden Flugzeugen der Bundeswehr, mit denen die Luftevakuierung am 26. Februar 2011 durchgeführt wurde, sind Waffen mitgeführt worden, die erwartungsgemäß nicht zum Einsatz gekommen sind...“
Bei den in der Vorbemerkung der Bundesregierung und der Antwort zu Frage 1 dargestellten Flügen zur Evakuierung deutscher und Staatsbürger anderer Länder auf der Basis des geltenden völker- und verfassungsrechtlichen Rahmens
handelte es sich nicht um Einsätze bewaffneter Streitkräfte, die dem Parlamentsbeteiligungsgesetz (ParlBG) unterliegen.“
Von dem ganzen Wahnwitz dieser Aussage der Regierung über „unbewaffnete“ deutsche Soldaten in Tripolis mal abgesehen – alle genannten Einsatztermine waren nicht durch das Parlament oder Abgeordnete benannt, an die Öffentlichkeit oder recherchiert worden, sondern beruhten sämtlichst auf Aussagen der Regierung, des Militärs oder Berichten in der Presse. Auch die Kleine Anfrage der Linksfraktion hatte sich ausschließlich auf diese bezogen.
WER LÜGT ODER KANN NICHT LESEN: REGIERUNG, PARLAMENT, ODER DER „SPIEGEL“?
Sehr geehrte Geschworene am Gerichtshof der Öffentlichen Meinung: lesen wir uns nun diesen vor Stolz und Eitelkeit strotzenden Artikel auf Dietmar Bartschs Arm vom 28.Februar durch (8):
„Tagelang hatte man in Berlin und London die Operation Nafurah geplant, am Ende ging alles ganz schnell. Innerhalb von rund 45 Minuten landeten am Freitagabend gegen 18 Uhr Ortszeit in der Wüste von Libyen, mitten im derzeit völlig unüberschaubaren Krisengebiet in Nordafrika, vier schwere Militärflugzeuge. Zwei Maschinen der Bundeswehr, zwei weitere der britischen Royal Air Force. Soldaten in Wüstenuniformen sprangen aus den Ladeklappen, sicherten mit ihren Schnellfeuerwaffen das Gelände. Derweil kletterten kleine Gruppen von jeweils 40 Europäern in die Militärflugzeuge. Die Piloten ließen die Motoren laufen, starteten sofort wieder durch. Ab in die Luft, raus aus Libyen, das im Chaos versinkt.“
Eine der „riskantesten Missionen der Bundeswehr der letzten Jahre“ sei dies gewesen, so SpOn, geplant unter „striktester Geheimhaltung“ – natürlich nur vor dem Parlament, nicht vor der Hamburger Haus- und Hof-Postille der Kriegslobby:
„Das Wehrressort bat SPIEGEL ONLINE am Freitag ausdrücklich, trotz eindeutiger Hinweise auf die Vorbereitungen einer militärischen Evakuierung nicht über diese zu berichten, damit die Operation ohne Störung ablaufen konnte.“
So, liebe Geschworene, jetzt die Preisfrage. Fällt Ihnen, abgesehen natürlich von der ganzen Erbärmlichkeit unseres Parlamentes, irgendetwas auf?
Nun, dann will ich sie nicht länger auf die Folter spannen. Der Freitag war der 25.Februar, nicht der 26.
EPILOG
Für den angeblich an drei Tagen unbewaffnet oder absehbar ohne Kampfhandungen abgelaufenen Einsatz mussten nach Militärangaben knapp 1000 Soldatinnen und Soldaten aufgestellt werden. Die Durchführung des Einsatzes lag bei der Division Spezielle Operationen, zu der auch das Kommando Spezialkräfte KSK gehört. Der stellvertretender DSO-Kommandeur Brigadegeneral Volker Bescht war vor Ort in Libyen Führer des Einsatzverbandes.
Bereits am Donnerstag, dem 24.Febuar konnte man im britischen „Telegraph“ (9) lesen, daß zu diesem Zeitpunkt britische Einheiten des „Special Air Service“ (SAS) bereits Evakuierungsmissionen in Tripolis durchgeführt hatten. Mit innerer Sicherheit ist anzunehmen, dass sie – allein schon aus Respekt für die Mutti-Partei aller Linken und dem erbärmlichsten Parlament der Welt – unbewaffnet waren.
Des Weiteren heisst es im „Telegraph“ vom 24.Februar:
„SAS Offiziere boten Unterstützung und Beratung für private Sicherheitsfirmen, die heran gezogen wurden um mehr als 170 Öl-Arbeiter zu retten, die in abgelegenen Wüstenanlagen gestrandet waren.“
Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen will nun, nach viel Gewimmer und Gebrumm, doch noch Klage beim Bundesverfassungsgericht wegen der Nichtbeteiligung am Bundeswehreinsatz in Libyen einzureichen – aber ausschließlich wegen einem von der Regierung vermeldeten Einsatz, der angeblich am 26.Februar stattgefunden hatte. Keine einzige der wahnwitzigen Ausreden und widersprüchlichen Darstellungen der Regierung wurden bisher in Zweifel gezogen. (10)
Der parlamentarische Geschäftsführer der grünen Bundestagsfraktion Volker Beck hatte noch am 11.März die Verfassung der Bundesrepublik Deutschland zu „gesetzgeberischen Sitten“ erklärt. Auf die Frage, warum die Grünen gegen fortgesetzten Verfassungsbruch der Regierung nicht vorgehen würden, antwortete der demophile Sittenwächter Beck mit einer episch-demokratischen Aussage, die dazu angetan wäre einen Kurt Tucholsky nochmal extra in den Selbstmord zu jagen:
„Weil wir das Bundesverfassungsgericht nicht mit Klagen überschütten wollen.“ (11)
Obwohl der wissenschaftliche Dienst des Bundestages inzwischen ein Gutachten erstellt hat, welches die Verfassungswidrigkeit des erfolgten Militäreinsatzes eindeutig feststellt, plant nach Informationen von Radio Utopie die Linksfraktion keine Verfassungsklage – wegen „fehlender Haushaltsmittel“.
Aber die Klage der Grünen, hiess es aus der Fraktion, werde sicherlich Erfolg haben.
(…)
Quellen:
(1) http://de.reuters.com/article/topNews/idDEBEE73E01M20110415
(2) http://dokumente.linksfraktion.de/drucksachen/21445_1705002.pdf
(3) http://www.gesetze-im-internet.de/parlbg/BJNR077500005.html
(4) http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/17/051/1705175.pdf
(5) http://www.bundestag.de/dokumente/protokolle/plenarprotokolle/17099.pdf
(6) http://augengeradeaus.net/2011/02/deutsche-transall-evakuierung-aus-der-libyischen-wuste/
(7) http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/17/053/1705359.pdf
(8) http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,748020,00.html
(9) http://www.telegraph.co.uk/news/worldnews/africaandindianocean/libya/8346608/Libya-SAS-drafted-in-to-rescue-hundreds-of-Britons.html
(10) http://www.volkerbeck.de/cms/index.php?option=com_content&task=view&id=2274&Itemid=1
(11) http://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2011/34097805_kw15_beck_interview/