DAS WANDERNDE AUGE: Bahrain stürzt das eigene Volk
Die Niederschlagung der Demokratie-Demonstranten in Bahrain, so der Investigativ-Journalist Pepe Escobar, ist in Wirklichkeit der Versuch einer Monarchie, sein Volk loszuwerden. Für die herrschende al-Khalifen-Monarchie, dem Gastgeber der US Navy Fifth Fleet, gibt es keine Sanktionen oder Flugverbotszonen, und für den Augenblick wenigstens sind beträchtliche anglo-amerikanische Investitionen in Bahrain “geschützt”.
Von Pepe Escobar, Übersetzung Lars Schall
Der 1954 geborene Pepe Escobar aus Sao Paulo, Brasilien ist einer der herausragendsten Journalisten unserer Zeit. Escobar, der vom früheren CIA-Analysten Ray McGovern schlichtweg “der Beste“ genannt wird, arbeitet für die Asia Times und ist ein Analyst von The Real News. Darüber hinaus ist er der Autor dreier Bücher: Globalistan: How the Globalized World is Dissolving into Liquid War, Red Zone Blues: a snapshot of Baghdad during the surge und Obama does Globalistan.
Er hat von verschiedenen Ländern und Konflikten berichtet, darunter Afghanistan, Pakistan, Irak, Iran, Zentralasien, U.S.A. und China. Für Asia Times Online ist er als ‘The Roving Eye’, das heißt: “Das Wandernde Auge“ unterwegs, um vor allem geopolitische Weltereignisse, aber auch die Art, wie sie in den Medien präsentiert werden, zu diskutieren. Diese Kolumne übersetzen wir mit freundlicher und ausdrücklicher Autorisierung von Pepe Escobar exklusiv für LarsSchall.com ins Deutsche.
DAS WANDERNDE AUGE
Bahrain stürzt das eigene Volk
von Pepe Escobar
Der 14. März 2011 wird in die Geschichte eingehen als der berüchtigte Tag, an dem das Haus Saud – mit voller Rückendeckung der Vereinigten Staaten – einen Teufelskreis der Konterrevolution startete, der dazu entwickelt wurde, um das Golf-Kapitel des großen arabischen Aufstandes 2011 zu zerschlagen. (Siehe dazu: Der Libyen-Deal zwischen USA und Saudi-Arabien auf LarsSchall.com vom 4. April 2011.)
Dies ist der Tag, an dem saudische Truppen – mit ein paar wenigen aus den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) – in Bahrain einmarschierten, theoretisch auf Anfrage der sunnitischen al-Khalifa-Dynastie, um bei der Niederschlagung der landesweiten Pro-Demokratie-Proteste zu “helfen“.
Das Wort in Riad ist, dass Saudi-König Abdullah die (böse) House of Saud-Show in diesen Tagen ohnehin nicht regiert. Das ist im Wesentlichen eine Operation des Prinzen Nayef. Der unheimliche Nayef, 77, Abdullahs Halbbruder, ist Saudi-Arabiens zweiter stellvertretender Premierminister – abgesehen davon, dass er für nicht weniger als 36 Jahre sein Innenminister ist. Der erste stellvertretende Premierminister – und gesalbte Thronfolger – ist Kronprinz Sultan, ein Achtzigjähriger, der Verteidigungsminister seit 48 Jahren ist.
Sollte Sultan sterben und ihm Abdullah sofort folgen – eine klare Möglichkeit -, würde der Chef-Inquisitor Nayef mit seinem ausgezeichneten Lebenslauf als jemand, der alle Andersdenkenden zum Verrotten ins Gefängnis wirft, Zensur der Presse betreibt, und die Rechte von Frauen und die der schiitischen Minderheit als nicht existent ansieht, der nächste saudische König werden. Das zeigt nur, dass die Konterrevolution des Hauses Saud noch nicht einmal begonnen hat.
Brecht ihre Schädel, niemand schaut zu
In der Zwischenzeit hat in Bahrain die staatliche Nachrichtenagentur BNA angekündigt: “Der Zustand der nationalen Sicherheit ist im Königreich Bahrain vom 1. Juni 2011 an aufgehoben.” Das ist ein Dekret von König Hamad al-Khalifa, der sich damit als ein Bewunderer des englischen Autors George Orwell erweist, indem er den Ausnahmezustand als “Zustand der nationalen Sicherheit” charakterisiert.
In diesem Fall umfasst “nationale Sicherheit”, dass der Staat – mit vollem Input der Saudis – über 20 schiitische Moscheen in Grund und Boden schleift, des Weiteren die Zerstörung von Häusern und den Abriss des Pearl-Kreisverkehrs betreibt – dem Symbol der Massenproteste -, und Hunderte von Demonstranten schlägt und inhaftiert. Der beste Kumpel von Nayef in Manama muss Bahrains Premierminister Scheich Khalifa ibn Salman al-Khalifa sein, 75, der diesen gemütlichen Job seit über 40 Jahren inne hat – ein Weltrekord.
In der Praxis ist das, was in Bahrain vor sich geht, eine Monarchie, die versucht seine Menschen loszuwerden. Die Taktik dazu kommt geradewegs aus dem Textbuch der kollektiven Bestrafung – wie von den Amerikanern in Falludscha im Jahr 2004 angewandt und von den Israelis in Gaza in den vergangenen Jahrzehnten. Die Opposition gegen die al-Khalifen kommt von der absoluten Mehrheit der Bevölkerung Bahrains und ist nicht ausschließlich schiitisch, worauf das Spinning der Regierung beharrt.
Nicht weniger als 24 Ärzte und 23 Krankenschwestern müssen in Bahrain vor einem Militärgericht stehen – ihnen wird eine Verschwörung zum gewaltsamen Sturz des Regimes vorgeworfen. Was sie tatsächlich taten: sie pflegten Demonstranten, die von Polizei und Armee stark zusammengeschlagen wurden. Laut den Physicians for Human Rights sind diese Ärzte und Schwestern so subversiv, weil sie bewiesen haben, dass sich die Polizei und Armee wie Bestien verhielten.
Die donnernde Stille der westlichen Unternehmensmedien zeigt lediglich an, wie sehr Washington und die europäischen Hauptstädte Komplizen bei der schmutzige Arbeit des Hauses Saud / der al-Khalifa sind. Man kann sich die Aufregung vorstellen, wenn dies in Syrien geschehen würde; der Beschluss zur Regimewechsel-Ermächtigung der Vereinten Nationen käme schneller als ein Nespresso.
Human Rights Watch (HRW) besaß zumindest den Anstand, einen Bericht zu erstellen (siehe hier). Sein stellvertreter Direktor im Nahen Osten, Joe Stork, hat zu diplomatisch das Offensichtliche betont: “Die Ziele dieses totalen Durchgreifens scheinen zu sein, alle einzuschüchtern, um zu schweigen.”
Bringt das Tränengas herbei
Am Sonntag, dem 1. Mai, dem Tag des Anschlags auf Osama bin Laden, wurde Matar Ebrahim Ali Matar – eines der 18 Mitglieder der al-Wefaq-Partei, der aus Protest aus dem Parlament zurückgetreten war – von maskierten Männern entführt, nachdem er zu einem getäuschten Treffen gerufen worden war. Ein Regierungssprecher sagte später, er sei “zur Untersuchung einberufen worden”. Das Gleiche geschah noch am selben Tag mit einem anderen ehemaligen Wefaq-Parlamentarier, Jawad Fairuz, dessen Haus von 30 maskierten Männern umzingelt war.
Einundzwanzig anderen Mitglieder der Opposition wurden ebenfalls vor spezielle Gerichte gestellt (Militärstaatsanwälte, ein militärischer und zwei zivile Richter), einschließlich des schiitischen Dissidenten Hassan Mushaimaa, dem Führer der oppositionellen Gruppe Haq, der zum Sturz der Monarchie aufgerufen hatte, und Ebrahim Shareef, dem sunnitischen Führer der säkularen Waad-Gruppe, die für eine konstitutionelle Monarchie eintritt.
Der Vorwurf: ein “Versuch, die Regierung mit Gewalt und in Verbindung mit einer terroristischen Organisation, die für ein fremdes Land arbeitet, zu stürzen” – letzteres heißt Iran. Sieben weitere werden in Abwesenheit angeklagt. Rechtsaktivisten betonen, ihnen könnte allen die Todesstrafe drohen.
Dann gibt es noch den neuen Sport des Hauses Saud / der al-Khalifa, der sich “Zertrümmere die Moschee” nennt. Mindestens 27 Moscheen und zahlreiche religiöse Gebäude wurden zerstört – auch die 400-jährige Amir Mohammed Braighi Moschee. Der Minister für Justiz und islamische Angelegenheiten, Scheich Khalid bin Ali bin Abdullah al-Khalifa, hat behauptet: “Das sind keine Moscheen. Das sind illegale Bauten.”
Das ist das Tüpfelchen auf dem i der al-Khalifa, nachdem sie praktisch das Gesundheitswesen in Bahrain (im Wesentlichen durch Schiiten betrieben) zerstört, über tausend schiitische Beamte gefeuert und ihre Renten entwertet, Dutzende von Schülern und Lehrern, die an den Protesten teilnahmen, zusammengeschlagen sowie Journalisten verhaftet und die einzige Oppositions-Zeitung geschlossen haben.
Im Rahmen des US / Saudi-Deals kann sich Bahrain – und durch Verlängerung das Haus Saud – alles erlauben, da die al-Khalifen die Gastgeber der US Navy Fifth Fleet sind. Es gibt keine UN-Sanktionen oder sogar einen Schlag auf das Handgelenk – keine Flug- oder Fahrverbotszone, die durch eine UN-Resolution gebilligt wird, keine Bewaffnung der “Rebellen”, keine Bombardierung durch die North Atlantic Treaty Organization, kein brennendes Verlangen für einen Regimewechsel wie in Libyen , keine Tomahawk-Diplomatie und natürlich keine gezielten Morde.
Für den Augenblick wenigstens sind beträchtliche anglo-amerikanische Investitionen in Bahrain “geschützt”. Soweit es die britischen Händler des Todes angeht, die Handgranaten, Sprengladungen, Rauchbomben und Donner-Blitze an die Repressions-Maschine der al-Khalifa verkaufen, kann das Geschäft nur gedeihen.