Sozialagentur Ostvorpommern: „Friss oder stirb“

Grosse Maschen im Sozialnetz können Betroffenen im Notfall das Hungern lehren

Rolf-Dieter Pranger, ein einundsechzigjähriger arbeitsloser Diplom-Psychologe und als Langzeitarbeitsloser ordnungsgemäss bei der „Agentur“ angemeldet, bekam als registrierter Leistungsempfänger die Härten und Lücken des Sozialstaates zu spüren.

Durch widrige Lebensumstände und ohne eigenes Verschulden verfügte Pranger von „heut auf morgen“ über kein Geld mehr, so dass er sich nichts mehr zu essen kaufen konnte.

Pranger wurde von seiner Gattin verlassen, die bei ihrem Auszug sämtliche Haushalts-Unterlagen und das gemeinsame Arbeitslosengeld mitgenommen hatte.

Um sich etwas zu essen kaufen zu können, begibt sich Pranger zu seiner zuständigen Sozialagentur, die ihm auch daraufhin einen Warengutschein im Wert von vierzig Euro aushändigte. Dieser Gutschein war auf einem ganz bestimmten Supermarkt in Züssow ausgestellt worden und so nur dort einlösbar.

Die Sozialagentur hatte wohlmöglich keine verbindliche Absprache mit dem Betreiber für Warengutscheine abgeschlossen, denn dieser lehnte ihn ab mit der Begründung, so einen Schein noch nie gesehen zu haben, berichtete die Ostsee-Zeitung am 13.Mai 2011.

In einer kleinen Ortschaft wie Züssow mit knapp 1400 Einwohnern, wo jeder jeden kennt, ist das Abweisen eines Warengutscheines an der Kasse des Supermarktes eine sehr peinliche und demütigende Angelegenheit, vor allem wenn das Kassenpersonal den Chef vor aller Augen hinzuzieht, der daraufhin den vorgewiesenen Zettel ablehnt. Immerhin ist der Abkassierungsfluss ins Stocken geraten und die wartenden Anstehenden hören jedes Wort der Erklärungsversuche. Hinzu kommt, dass Pranger unverrichteter Dinge den Laden ohne Lebensmittel verlassen musste.

Der zuständige Sachbearbeiter oder die Sachbearbeiterin mag es mit der Ausstellung des Gutscheines gut gemeint haben oder wollte den Mann nur abwimmeln. Wenn mit dem Supermarkt kein Vertrag über die Annahme eines Warengutscheines der Sozialagentur schriftlich abgeschlossen wurde, ist dieses Verhalten des Personals sehr kritisch zu beurteilen, denn dass bedeutet grobe Fahrlässigkeit durch Unkenntnis der betrieblichen finanziellen Vorschriften, Kompetenzüberschreitung, keine Einweisung von Vorgesetzten in der Verfahrensweise derartiger Notfälle und willkürliches eigenmächtiges gedankenloses Handeln auf Kosten der ihr ausgesetzten „Anvertrauten“. Immerhin ist so ein Schein, wenn er Gültigkeit hätte, eine Art Verrechnungsscheck eines staatlichen Amtes und Bargeld gleichzusetzen.

Ist dieser ausgestellte Warengutschein kein behördlich ordnungsgemässes Dokument, hätte der Betreiber des Supermarktes bei der Annahme an der Kasse sein Geld bei Einreichung beim Sozialamt auch nicht vom Staat zurückerhalten und wäre der Geprellte gewesen.

Wenn es um Beschneidungen und Minimierung des Komforts der Arbeitslosen geht, um durch Kürzungen Kosten zu sparen, drehen sich die Mühlen der Ämter jedoch wie die auf volle Leistung hochgefahrenen Turbinen eines Düsenjets, ohne die psychischen Belastungen und Lebensumstände der Betroffenen zur Kenntnis zu nehmen.

Die Sozialagentur teilte Pranger kurz darauf mit, er müsse sich eine kleinere Wohnung nehmen, da sein Haus nach dem Auszug von Frau und Kindern für ihn allein unangemessen sei, so die Zeitung und weiter hiess es, dass Gregor Kochhan, Sozialrechtler beim Landesverband des Diakonischen Werks empört reagiert hat: „Wie die Sozialagentur mit dem Mann umgegangen ist, ist schlicht eine Unverschämtheit!“

Die Ostsee-Zeitung, Ausgabe Mecklenburg-Vorpommern, wies darauf hin, dass in der Wochenendausgabe mehr zu diesem Fall veröffentlicht wird.

Quelle: http://www.ostsee-zeitung.de/vorpommern/index_artikel_komplett.phtml?param=news&id=3118933