„Stuttgart 21“: Nur ein Baustopp ist technisch zu verantworten
Ingenieure wenden sich gegen riskanten Weiterbau in Stuttgart
Stuttgart: Die Bahn tut, als wäre der offizielle Baustopp ein Entgegenkommen der Bahn an die S21-Kritiker. In Wahrheit ist er aus technischer Sicht dringend erforderlich, denn nach wie vor sind grundlegende Fragen ungeklärt, die Ingenieure der Bahn haben in den vergangenen Wochen zahlreiche erhebliche Risiken dargelegt. Angesichts der vorliegenden Informationen halten die Ingenieure für den Kopfbahnhof jede weitere Bautätigkeit für unverantwortlich. Bahn-Management und Politik sollten diese technischen Probleme endlich ernst nehmen und den Bau endgültig stoppen.
Beispielsweise hat die Bahn inzwischen eingeräumt, dass die Angaben zur abzupumpenden Grundwassermenge in Höhe von 3 Mio. m³ im Planfeststellungsbeschluss PFA1.1 viel zu niedrig sind. Tatsächlich muss mehr als die doppelte Menge Grundwasser, nämlich 6,8 Mio. m³, für die Bautätigkeiten abgepumpt werden. Das hat juristische und praktische Konsequenzen. Zunächst erlischt damit das Baurecht der Bahn, denn es basiert auf Annahmen, die inzwischen als unzutreffend erkannt sind. Einen entsprechenden Änderungsantrag hat die Bahn kürzlich beim Eisenbahnbundesamt (EBA) eingereicht, die Beurteilung wurde von der Stadt Stuttgart als zuständiger unterer Wasserbehörde zunächst zurückgewiesen. Es fehlen detaillierte Unterlagen zu den Auswirkungen auf die Grundwasser-Verteilung und die Schüttung der Heil- und Mineralquellen sowie auf den Baumbestand im Park und auf die Stadtgebäude (Erdsetzungen infolge absinkenden Grundwasserstandes).
Nach den bereits 2006 in einem Tagungsband des Regierungspräsidiums veröffentlichten Untersuchungen unterschreitet man durch die vorgesehenen Grundwasserabsenkungen den Druckspiegel des Mineralwassers an manchen Stellen um bis zu 40m. Inzwischen weiß man, dass die Schichten zwischen Mineral- und Grundwasser durchlässiger sind als erhofft. Wenn nun erheblich mehr Wasser abgepumpt werden muss als ursprünglich vorgesehen, muss das Risiko für die Mineralquellen neu bewertet werden.
Die geplante Re-Infiltrierung des Wassers ist in vielen Bereichen ebenfalls nicht ausreichend untersucht. An vielen geplanten Brunnenstandorten enthält der Untergrund Anteile an wasserlöslichem Gips und Anhydrit, d.h. der Grund neigt zur Verkarstung. Werden in diesen Bereichen große Mengen Wasser infiltriert, ist die Stabilität unter Umständen gefährdet. Es ist unlauter, wenn die Bahn versucht, sich wie in den letzten Tagen durch Haustürgeschäfte mit betroffenen Hauseigentümern aus der Verantwortung zu stehlen anstatt die notwendigen geologischen Untersuchungen durchzuführen und offen zu legen.
Neben dieser zentralen Problematik besteht in vielen anderen Bereichen dringender Klärungsbedarf. An erster Stelle steht die Frage nach der Leistungsfähigkeit des geplanten Bahnhofes. Die aktuelle Untersuchung von Dr. Christoph Engelhardt legt nahe, dass die prognostizierten Zugzahlen nicht zu realisieren sind, der bestehende Kopfbahnhof damit deutlich leistungsfähiger bleibt. Ebenso ungeklärt ist die immer noch ausstehende Baugenehmigung für den angestrebten Filderbahnhof. Die Liste ließe sich beliebig fortsetzen.
Rückfragen an Dipl.-Ing. Hans Heydemann, Sprecher der Ingenieure gegen Stuttgart 21 / für den Kopfbahnhof, Tel. 0152-04820170 oder an Dr. Carola Eckstein von den Ingenieuren gegen Stuttgart 21 / für den Kopfbahnhof, Tel. 0152-53684818.
Presseerklärungen und Hintergrundinfos / Presseportal: www.parkschuetzer.org/presse
Internet: www.ingenieure22.de und www.bei-abriss-aufstand.de