DAS WANDERNDE AUGE – Der besonders exklusive VIP-Club

Aufgrund der Tatsache, dass an diesem Wochenende die jährliche Zusammenkunft des geheimnisumwobenen Bilderberg-Clubs bevorsteht, dieses Mal in der Schweiz, veröffentlichen wir zwei übersetzte Artikel des investigativen Journalisten Pepe Escobar aus der Vergangenheit als Hintergrundinformation.

Zusätzlich zu den zwei Texten von Pepe Escobar möchte ich bezüglich des geschichtlichen Hintergrunds des Bilderberg-Clubs, insbesondere des nazistischen, auf einen Essay von David Guyatt hinweisen, der sich unter anderem damit beschäftigt, dass der erste Tagungsort des Bilderberg-Clubs 1954 in der Nähe der berühmten Brücke von Arnheim eventuell nicht ganz zufällig gewählt worden war. Dieser Text, der unter der Überschrift “PRINCES OF PLUNDER. THE SHAPE OF TREACHERY AND THE BRIDGE AT ARNHEM“ veröffentlicht wurde, ist auf der Website Deep Black Lies einzusehen: http://www.deepblacklies.co.uk/princes_of_plunder.htm.

Nachdem ich des Öfteren erfolglos versucht hatte, mit Herrn Guyatt, einem englischen Bankier, der in der City of London gearbeitet hat,  Kontakt aufzunehmen, wandte ich mich an Bob Chapman, den Herausgeber des “International Forecaster“. Herr Chapman schrieb mir daraufhin zurück:

“Ich bin mit David Guyatt etwa 15 Jahre, vielleicht auch 20 Jahre bekannt gewesen. Er hat ein Buch über Gold geschrieben und schien mir immer ein netter Mensch zu sein. Allerdings haben wir den Kontakt zueinander verloren. Ja, er ist sehr geheimnisvoll, und ich kann es ihm nicht verdenken. Heutzutage ist es in den USA so, dass wenn die Regierung eine starke Abneigung gegen jemanden hegt, dass man geselbstmordet wird oder einen Unfall hat. Das letzte Mal, dass ich Kontakt mit ihm hatte, war er in England, und ich weiß nicht, ob er noch lebt.“

Von daher kann ich leider keine Übersetzung des obigen Textes anbieten, weil partout kein Kontakt zu Herrn Guyatt für eine Genehmigung zustande kommen will.

Und damit nun zu Pepe Escobar und seinen zwei Texten zum Bilderberg-Club, der sich dieses Jahr vom 9. bis 12. Juni in St. Moritz, Schweiz im 5-Sterne-Hotel “Suvretta Haus” zusammenfindet.

Der 1954 geborene Pepe Escobar aus Sao Paulo, Brasilien ist einer der herausragendsten Journalisten unserer Zeit. Escobar, der vom früheren CIA-Analysten Ray McGovern schlichtweg “der Beste“ genannt wird, arbeitet für die Asia Times und ist ein Analyst von The Real News. Darüber hinaus ist er der Autor dreier Bücher: Globalistan: How the Globalized World is Dissolving into Liquid War, Red Zone Blues: a snapshot of Baghdad during the surge und Obama does Globalistan.

Er hat von verschiedenen Ländern und Konflikten berichtet, darunter  Afghanistan, Pakistan, Irak, Iran, Zentralasien, U.S.A. und China. Für Asia Times Online ist er als ‘The Roving Eye’, das heißt: “Das Wandernde Auge“ unterwegs, um vor allem geopolitische Weltereignisse, aber auch die Art, wie sie in den Medien präsentiert werden, zu diskutieren. Diese Kolumne übersetzen wir mit freundlicher und ausdrücklicher Autorisierung von Pepe Escobar exklusiv für LarsSchall.com ins Deutsche.

DAS WANDERNDE AUGE
Die Herren des Universums
von Pepe Escobar, 22. Mai 2003

Es kann aufschlussreich sein zu erfahren, was US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld und der “Prinz der Finsternis“ Richard Perle am vergangenen Wochenende taten. Vom 15. bis 18. Mai waren sie Gäste im Trianon Palace Hotel, in der Nähe des spektakulären Palastes von Versailles bei Paris, um das jährliche Treffen des Bilderberg-Clubs zu besuchen.

Je nachdem, welches ideologische Prisma man ansetzt, kann man den Bilderberg-Club als eine internationale Ultra-VIP-Lobby der Machtelite in Europa und Amerika betrachten, die fähig ist, die internationale Politik hinter verschlossenen Türen zu lenken; einen harmlosen “Gesprächskreis” von  Politikern, Wissenschaftlern und Industriemagnaten; oder eine kapitalistische Geheimgesellschaft, die vollständig im Eigeninteresse operiert und nach der Weltherrschaft strebt.

Der Bilderberg-Club wird von vielen Finanz- und Geschäftseliten als die oberste Kammer der Hohepriester des Kapitalismus angesehen. Für einen solchen Club kann man keinen Mitgliedsantrag stellen. Jedes Jahr stellt ein mysteriöser “Lenkungsausschuss“ eine ausgewählte Einladungsliste mit maximal 100 Namen zusammen. Der Ort für ihre jährlichen Sitzungen ist nicht wirklich geheim: sie haben sogar einen Hauptsitz in Leiden in den Niederlanden. Aber die Treffen sind umhüllt von größter Geheimhaltung. Teilnehmer und Gäste legen nur selten offen, dass sie anwesend sind. Ihre Sicherheit wird vom militärischen Geheimdienst durchgeführt. Was aber hat diese geheimnisvolle Gruppe wirklich vor? Nun, sie reden. Sie betreiben Lobby. Sie versuchen, ihren bereits immensen politischen Einfluss zu vergrößern, auf beiden Seiten des Atlantiks. Und alle versprechen absolute Geheimhaltung über das, worüber diskutiert wurde.

Bei den Bilderbergern mischen sich Zentralbanker, Verteidigungsexperten, Pressebarone, Staatsminister, Premierminister, Aristokraten, internationale Financiers und Politiker aus Europa und Amerika. Die Gäste in diesem Jahr, zusammen mit Rumsfeld und Perle (der stellvertretende US-Verteidigungsminister Paul Wolfowitz ist auch Mitglied), waren der Bankier David Rockefeller sowie verschiedene Mitglieder der Familie Rockefeller, Henry Kissinger, Königin Beatrix der Niederlande, Königin Sofia und König Juan Carlos von Spanien, und hohe Beamte verschiedener Regierungen. Bilderberg lädt – oder akzeptiert – keine Asiaten, Menschen des Nahen Ostens, Lateinamerikaner oder Afrikaner ein.

Einige der führenden Financiers und außenpolitischen Strategen der westlichen Welt nehmen an Bilderberg teil, ihrer Ansicht nach, um einen praktischen Konsens aufzupolieren und zu verstärken, eine Illusion, dass die Globalisierung, zu ihren Bedingungen, unvermeidlich und das Beste für die Menschheit ist – was gut für Banken und große Unternehmen ist, ist auch gut für alle anderen. Falls sie eine geheimen Agenda besitzen, dann ist dies die Tatsache, dass ihre unglaubliche Konzentration von Reichtum und Macht komplett losgelöst ist von ihrer Erklärung an ihre Gäste, wie die Globalisierung 6,2 Milliarden Menschen zugute kommt. Einige der früheren Gäste des Clubs wurden später zu wichtigen Akteuren. Bill Clinton wurde 1991 und Tony Blair 1993 eingeladen, und sie wurden von Bilderberg ordnungsgemäß “abgesegnet“, bevor sie ihre Ämter antraten.

Es gibt unzählige zwielichtige, immer noch ungeklärte Verbindungen zwischen dem frühen Bilderberg-Club und den Nazis über Prinz Bernhard der Niederlande, dem Vater von Königin Beatrix, der den Club 1954 gründete (der Name geht auf ein holländisches Hotel zurück), darauf abzielend, “das Verständnis zwischen Europa und Amerika zu verbessern”. Bernhard war Mitglied von Adolf Hitlers SS. Eines der Gründungsmitglieder von Bilderberg ist Otto Wolff von Amerongen, der aktiv die Geschäftsverbindungen zwischen Deutschland und dem Sowjetblock verbesserte und in 26 Vorständen, darunter dem der Deutschen Bank, arbeitete. Wenige Menschen kennen ihn, und das womöglich aus gutem Grund: er wurde mit dem Raub der Nazis von jüdischen Holdings vor und während des 2. Weltkriegs in Verbindung gebracht.

Rumsfeld ist ein aktiver Bilderberger. Ebenso wie General Peter Sutherland aus Irland, ein ehemaliger Kommissar der Europäischen Union und Vorstandsmitglied von Goldman Sachs und BP. Rumsfeld und Sutherland arbeiteten im Jahre 2000 zusammen im Vorstand des Schweizer Energieunternehmens ABB. Und ABB hat zufällig zwei Leichtwasserreaktoren an Nordkorea verkauft. Zu der Zeit war Nordkorea natürlich kein aktives Mitglied der “Achse des Bösen”.

Dieses Jahr ging das Treffen in Versailles bequemer Weise in das G8-Treffen der Finanzminister am 19. Mai in Paris über, eine 20-minütige Autofahrt von Versailles entfernt. Diese Prozedur besitzt Tradition: was bei Bilderberg geschieht, ist für gewöhnlich eine Vorschau auf das, was später beim vollen G8-Zusammentreffen diskutiert wird, das dieses Jahr vom 1. bis zum 3. Juni in Evian-les-Bains in den französischen Alpen stattfindet.

Am ersten vollen Arbeitstag des Treffens gab der französische Präsident Jacques Chirac eine Willkommensrede, in der er versuchte, die bitteren Spaltungen zwischen den Gästen aufgrund des Irakkriegs beizulegen, indem er betonte, dass die USA und Westeuropa Langzeit-Verbündete sind. Aber Chiracs Ansprache reichte vermutlich nicht aus, um die Falken in der US-Regierung, die wegen des “pazifistischen” Frankreichs noch immer verstimmt sind, zu beruhigen.

Ein einflussreicher jüdisch-europäischer Bankier enthüllt, dass die herrschende Elite in Europa ihren Lakaien nunmehr mitteilt, dass der Westen am Rande der finanziellen Kernschmelze steht; also sei der einzige Weg, ihre kostbaren Investitionen zu retten, der, auf die neue globale Krise im Mittleren Osten zu wetten, die die Krise des Kalten Kriegs ersetzte.

Laut einer Quelle in einer Bank in der City of London, die mit Versailles verbunden ist, vermochten die amerikanischen und die europäischen Bilderberger bei ihrem Treffen 2003 weder ihre Spaltung bezüglich der amerikanischen Invasion und Besetzung des Irak, noch bezüglich des harten Kurses des israelischen Premierministers Ariel Sharon gegenüber den Palästinensern zu kontrollieren.  Während die Bilderberger redeten, wies Sharon Bushs Fahrplan für den Mittleren Osten ab, der von den anderen Mitgliedern des so genannten Quartetts, den Vereinten Nationen, den USA, der EU und Russland, bereits gutgeheißen worden war. Dieser Fahrplan ist offenbar abgelaufen; nicht einmal  die Anwesenheit von US-Außenminister Colin Powell – der in Versailles stoppte, um die Bilderberger zu informieren – reichte aus, um Sharon davon zu überzeugen, den Abbau israelischer Siedlungen auf palästinensischem Gebiet auch nur zu erörtern.

Amerikanische imperiale Abenteuer werden üblicherweise auf Bilderbergtreffen einstudiert. Europas Elite stand einer amerikanischen Invasion des Irak seit dem Bilderberg-Treffen von 2002 in Chantilly, Virginia, ablehnend gegenüber. Rumsfeld selbst hatte ihnen versprochen, dass es nicht geschehen würde. Letzte Woche schlugen alle auf Rumsfeld ein und fragten nach den berüchtigten “Massenvernichtungswaffen”. Die meisten der europäischen Elite glauben den amerikanischen Versprechen nicht, dass das irakische Öl “dem irakischen Volk zugute kommen” wird. Sie wissen, dass Erträge aus dem irakischen Öl verwendet werden, um wiederaufzubauen, was Amerika zuvor zerbombte. Und die Diskussion dauert an, welche Art Verträge, die Bechtel und Halliburton belohnten, Westeuropa “zugute” kommen werden.

Europas Elite ist denen zufolge, die Bilderberg nahestehen, misstrauisch, dass die USA keine stabile legitimierte Zentralregierung im Irak brauchen oder auch nur wollen. Wenn das passierte, würde es keinen Grund mehr für die USA geben, in dem Land zu verbleiben. Europas Elite sieht, wie die USA “am Boden Fakten schaffen”: durch die Etablierung einer langfristigen Militärpräsenz und die Wiederankurbelung der Ölproduktion unter amerikanischer Kontrolle. Das könnte jahrelang so weitergehen, so lange, wie die Amerikaner ausreichend essentielle Dienste bereitstellen können, um die Iraker davon abzuhalten, sich in einem nationalen Befreiungskampf zu engagieren.

Es war auch extrem schwierig auf dem Treffen, einen Konsens über die Notwendigkeit einer europäischen Armee zu finden, die absolut unabhängig von der North Atlantic Treaty Organization (NATO) ist. Das amerikanische Establishment ist selbstverständlich gegen eine EU-Armee. Aber das sind auch einige Europäer, beginnend mit dem Anti-Armee-Anführer Lord Robertson, dem Generalsekretär der NATO. Europas Elite kann die Beherrschung der NATO durch die USA nicht mehr länger ertragen. Einige Europäer legen eine eigene Truppe nahe, aber von der NATO kontrolliert. Die Amerikaner argumentieren, dass eine eigene EU-Truppe die Rolle der NATO als die Armee der UN schwächen würde. Und die Amerikaner bestehen darauf, dass die NATO nicht mehr an die Verteidigung Europas gebunden ist; die Truppen können jetzt überall auf der Welt eingesetzt werden, mit oder ohne Auftrag des UN-Sicherheitsrats. Die Hängepartie bleibt bestehen.

All diese entscheidenden Entwicklungen wurden hinter verschlossenen Türen besprochen. Das Trianon Palace Hotel in Versailles war für die Öffentlichkeit geschlossen und alle Nicht-Bilderberg-Gäste mussten abreisen. Teilzeitkräfte wurden nach Hause geschickt. Denen, die blieben, wurde gesagt, dass sie entlassen werden würden, wenn sie dabei erwischt würden, irgendetwas über das Treffen zu verraten. Sie durften mit keinem Bilderberger sprechen, solange sie dieser nicht ansprach. Sie durften niemandem in die Augen sehen. Bewaffnete Wachen isolierten und riegelten das Hotel komplett ab. Einige Mitglieder der amerikanischen Presse waren anwesend – aber die Öffentlichkeit wird davon niemals etwas erfahren: Bilderberg-Nachrichten sind nicht geeignet, um gedruckt oder gesendet zu werden. Keinen Journalisten der Medien, die von multinationalen Bilderberg-Magnaten  wie Rupert Murdoch kontrolliert werden, wird es erlaubt, jemals darüber zu berichten. Selbst wenn sie es irgendwie schafften, in die Party hineinzuplatzen. Es gibt kein Business, so wie das (private) Eliten-Business.

DAS WANDERNDE AUGE
Bilderberg schlägt wieder zu
von Pepe Escobar, 10. Mai 2005

“Es wäre für uns ganz unmöglich gewesen, unseren Plan für die Welt zu entwickeln, wenn wir während dieser Jahre dem Licht der Öffentlichkeit ausgesetzt worden wären. Inzwischen ist die Welt aber sehr viel ausgereifter und darauf vorbereitet, einer Weltregierung entgegenzugehen. Die supranationale Souveränität einer intellektuellen Elite und der Weltbanker ist mit Sicherheit der nationalen Selbstbestimmung, die in den vergangenen Jahrhunderten praktiziert wurde, vorzuziehen.”

– David Rockefeller, ständiges Mitglied des Bilderberg-Club, 1991

Diese Unterredung hat nie stattgefunden. Nun, tatsächlich hat sie es. Datum: 5. bis 8. März 2005. Ort: das isolierte, voll ausgebuchte Dorint Sofitel Seehotel Überfahrt in Rottach-Egern, 60 Kilometer östlich von München in Deutschland. Wesentliche Ausstattung: Luxus-Zimmer, ein See, ein Golfplatz, keine Anzüge – und keine Ehefrauen. Teilnehmer: 120 sonderbare westliche Macher – Politiker, Industrielle, Bankiers, Industrie-Kapitäne, sogenannte strategische Denker -, die zum  Treffen 2005 des ultra-geheimen Bilderberg-Club eingeladen waren. Sicherheitsvorkehrungen: absolut drakonisch. Globale Medienberichterstattung: nicht vorhanden.

Sprechen wir über die Bürde des weißen Mannes (“White Man’s Burden“): Bilderberg ist streng “westlichen” Eliten, das heißt amerikanisch-europäischen vorbehalten. Bilderberg schließt resolut Asiaten, Lateinamerikaner, Bewohner des Nahen Ostens und Afrikas aus. Bilderberg arbeitet auf strengem “Meister des Universums“-Gebiet: was wir sagen, gilt. Nur wenn Ereignisse eintreten, werden die Konzernmedien sie berichten, obwohl es ausgewählten Medien-Menschen bewusst gewesen ist, was Wochen oder sogar Monate im Voraus beschlossen wurde. Die New York Times, die drei großen amerikanischen TV-Netzwerke und die Financial Times haben an vielen Bilderberg-Treffen teilgenommen. Aber sie sind durch das Schweigen der Lämmer eingeschränkt.

Bilderberg hat eine Adresse – in Leiden, Holland – und sogar eine Telefonnummer – immer auf  Anrufbeantworter-Modus mit weiblicher Stimme gestellt. Allerdings gibt es keine Website.(i) In einem jährlichen Ritual wurden Bilderberg-Treffpunkte und Tagesordnungen mühsam von einer kleinen Gruppe von unabhängigen Spürhunden wie dem Briten Tony Gosling oder dem Amerikaner James Tucker aufgedeckt – letzterer verfolgt Bilderberg seit 30 Jahren. Tucker wird ein Buch über Bilderberg später in diesem Jahr veröffentlichen.(ii) Der Historiker Pierre de Villemarest und der Journalist William Wolf haben bereits das zweibändige Buch “Facts and Chronicles Denied to the Public“ veröffentlicht, zu dem eine geheime Geschichte der Bilderberger gehört. Der belgische Soziologe Geoffrey Geuens von der Universität Lüttich hat auch ein ganzes Kapitel über Bilderberg in einem seiner Bücher aufgenommen. Obwohl Geuens die obsessive Geheimhaltung von Bilderberg verurteilt, schließt er sich nicht den Verschwörungstheorien an: er zieht es vor zu untersuchen, wie Bilderberg die Art, wie Macht funktioniert, und die inzestuösen Beziehungen zwischen Politik, Wirtschaft und Medien entlarvt.

Wann immer sich die Konzernmedien Bilderberg annehmen, spiegeln sie die Stille der Lämmer wider. 2005 veröffentlichte die Financial Times eine klassische Präventivschlag-Geschichte, um herunterzuspielen, was als Verschwörungstheorien gilt. In der Tat wird jeder, der den mächtigsten Club der Welt in Frage stellt, als ein Verschwörungstheoretiker verhöhnt. Bilderberger wie britische Lords oder amerikanische Politiker rechtfertigen ihn als “einen Ort, um Ideen zu diskutieren”, ein unschuldiges “Forum”, wo jeder “offen sprechen” kann, und verschiedene andere Klischees.

Der Bilderberger Etienne Davignon, ein ehemaliger Vizepräsident der Europäischen Kommission, betont hartnäckig:

“Dies ist keine kapitalistische Verschwörung, um die Welt zu kontrollieren.”

Thierry de Montbrial, Direktor des Französisch Instituts für Internationale Beziehungen und ein Bilderberg-Mitglied seit fast 30 Jahren, sagt, dies sei nur “ein Verein”. Die offizielle Bilderberg-Pressemitteilung von 2002 besagte zum Beispiel, dass

“Bilderbergs einzige Aktivität ihre Jahreskonferenz ist. In den Sitzungen werden keine Beschlüsse vorgeschlagen, keine Abstimmungen vorgenommen und keine politischen Stellungnahmen abgegeben.”

Bilderberg ist nur

“ein kleines flexibles, informelles und internationales Forum, in dem unterschiedliche Standpunkte zum Ausdruck gebracht werden und das gegenseitige Verständnis verbessert werden kann”.

Dies ist in der Tat das, worum es bei den viel gepriesenen “transatlantischen Beziehungen” geht.

Nur für Mitglieder

Die Bilderberg-Gruppe – die ihren Namen von einem niederländischen Hotel nahm – wurde 1954 von Prinz Bernhard von den Niederlanden gegründet. Der deutschgeborene Bernhard war ein Nazi und SS-Mitglied. Wie bekannt ist, war Prescott Bush ein Offizieller der WA Harriman & Co, die Adolf Hitler und die Nazis mit Hilfe von Averell Harriman und des deutschen Tycoon Fritz Thyssen finanzierte. Alden Hatch schrieb eine Biographie von Prinz Bernhard, in der er darauf insistiert, dass Bilderberg die Wiege der Europäischen Gemeinschaft wurde – später in Europäische Union umbenannt. Er beschreibt als das Endziel von Bilderberg die Eine-Welt-Regierung.

Die Bilderberg-Mitgliederschaft kreuzt sich stark mit dem Council on Foreign Relations, der Pilgrims Society, der Trilateralen Kommission und dem berühmten “Round Table” – einer britischen Elitegruppe aus Oxford und Cambridge, die sich aus der gleichnamigen Zeitschrift des Empire, das im Jahre 1910 gegründet wurde, herauskristallisierte. Der Round Table – der ebenfalls seine Existenz als formale Gruppe bestritt – forderte eine effizientere Form des globalen Imperiums, so dass die anglo-amerikanische Hegemonie im 20. Jahrhundert erweitert werden könnte.

Zu den Bilderberg-Stammgästen zählen/zählten Henry Kissinger, David Rockefeller (von JP Morgans International Council), Nelson Rockefeller, Prinz Philip von England, Robert McNamara (John F. Kennedys Verteidigungsminister und ehemaliger Präsident der Weltbank), Margaret Thatcher, der ehemalige französische Präsident (und Haupt-Redakteur der EU-Verfassung) Valery Giscard d’Estaing, US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld, der ehemalige Nationale Sicherheitsberater Zbigniew Brzezinski und der Vorsitzende der Federal Reserve Alan Greenspan. Die Familie Rothschild war Gastgeber vieler Bilderberg-Treffen. 1962 und 1973 waren auf dem Insel-Resort von Saltsjobaden, Schweden die Gastgeber die Bankiersfamilie Wallenberg.

Einige dieser Meister kontrollieren gewiss mehr vom Universum als andere. Sie sind die Mitglieder des Lenkungsausschusses, der Josef Ackermann (Deutsche Bank), Jorma Ollila (Nokia), Jürgen Schrempp (DaimlerChrysler), Peter Sutherland (ehemals NATO, nun bei Goldman Sachs), James Wolfensohn (der scheidende Präsident der Weltbank) und den “Prinzen der Finsternis” Richard Perle umfasst. Der Konzeptionist des Irak-Kriegs und werdende Weltbank-Präsident Paul Wolfowitz ist auch ein ständiges Bilderberg-Mitglied. George W. Bush war zufällig gerade in der Nachbarschaft – den Niederlanden, für die Gedenkfeiern zum Zweiten Weltkrieg – während Bilderberg 2005. Er könnte vorbeigeschaut haben. Bush traf auf jeden Fall Königin Beatrix der Niederlande, deren Anwesenheit bei jedem Bilderberg-Treffen ein Muss ist.

Zu wessen Vorteil?

Bilderberg ist sicherlich kein “Executive Council“. Der britische Ökonom Will Hutton kam der Wahrheit wahrscheinlich näher, als er sagte, dass der Konsens, der bei jedem Bilderberg-Treffen erreicht wird, “der Hintergrund ist, vor dem Politik weltweit gemacht wird.” Was Bilderberg beschließt, von dem kann erwartet werden, dass es später durch ein G-8-Treffen und Entscheidungen des Internationalen Währungsfonds und der Weltbank umgesetzt wird.

Für unzählige ernsthafte Kritiker in Europa sowie den USA ist Bilderberg alles – von einem zionistischen Komplott bis hin zu einem größenwahnsinnigen geheimen Kult. Die Serben, und nicht ohne Grund, haben Bilderberg für den Balkankrieg und den Sturz von Slobodan Milosevic 1999 getadelt: immerhin brauchten die USA die Kontrolle für wichtige Balkan-Pipeline-Routen. Von Bilderberg 2002 – wenngleich nicht unumstritten – wird angenommen, dass es die Invasion und Eroberung des Irak zementiert habe. In seinem bahnbrechenden Buch  “A Century of War: Anglo-American Oil Politics and the New World Order“ beschreibt F. William Engdahl Details, was bei Bilderberg 1973 in Schweden passiert ist. Ein Amerikaner skizzierte ein Szenario für eine bevorstehende 400%-ige Anhebung des Ölpreises durch die Organisation der Erdöl exportierenden Länder, OPEC. Bilderberg verhinderte die Ölkrise nicht, sondern plante, wie man die Mega-Gewinne handhaben würde – das, was Kissinger als “Recycling der Petrodollarflüße” beschrieb. Jeder, der zählte, war bei diesem Bilderberg-Treffen präsent: Ölkonzerne und Banken.(iii) Engdahls Fazit:

“Die mächtigen Männer, die rund um Bilderberg gruppiert waren, beschlossen offenbar, dass im Mai ein kolossaler Angriff gegen das industrielle Wachstum in der Welt gestartet werden würde, um das Gleichgewicht der Kräfte wieder zum Vorteil der anglo-amerikanischen Finanz-Interessen und des Dollar zu kippen. Um dies zu tun, bestimmten sie, ihre wertvollste Waffe zu benutzen – die Kontrolle über die weltweiten Ölflüße. Die Bilderberg-Politik war es, ein globales Öl-Embargo auszulösen, um einen dramatischen Anstieg der Ölpreise auf dem Weltmarkt zu erzwingen. Seit 1945 wurde weltweit gefördertes Erdöl nach den internationalen Gepflogenheiten in Dollar eingepreist, da die amerikanischen Ölfirmen den Markt der Nachkriegszeit dominierten. Ein plötzlicher starker Anstieg der Weltmarktpreise für Öl bedeutete daher einen ebenso dramatischen Anstieg der weltweiten Nachfrage nach US-Dollar, um das notwendige Öl zu bezahlen.“

Saudische Petrodollars bewegten sich dann zu den “richtigen” Banken in London und New York, um US-Defizite zu finanzieren. Spiel, Satz und Sieg für Bilderberg – wo die Mandarine der globalen Finanzen immer gewinnen.

Plutokratie international

Obgleich es keinem einzigen Wort, das innerhalb der Bilderberg-Gewölbe gesprochen wird, erlaubt ist, an die Öffentlichkeit zu gelangen, ist es möglich, eine fundierte Vermutung vorzunehmen, was sie bereden. Letzte Woche begann der allgegenwärtige Kissinger das Prozedere durch die Illuminierung der Bedeutung des Begriffs “Freiheit” – in der Bush-Version. Natan Sharansky, Bushs demokratischer Guru, war ein Teilnehmer.

Probleme, die Bilderberg 2005 logisch interessiert haben dürften, schließen die Rolle der NATO und die erforderliche Genehmigung der Europäischen Verfassung im Jahr 2005 durch alle 25 Mitglieder der EU ein. Die Folgen eines französischen “Nein” beim kommenden Verfassungs-Referendum am 29. Mai müssen berücksichtigt werden. Die verbreitet Auslagerung von Arbeitsplätzen in Europa nach Ukraine, China und Indien könnte die Totenglocke für die Verfassung erklingen lassen: die französischen Demonstranten – die die Deutschen und Niederländer erweckt haben – weisen darauf hin, dass das, was gut für große Konzerne ist, nicht unbedingt gut für die westeuropäischen Arbeitnehmer sein muss. Kritiker sagen, dass das Kapitel III der Verfassung in der Tat Möglichkeiten des Freihandels detailliert, die den europäischen Wohlfahrtsstaat effektiv töten könnten.

Sie haben ihre Gründe, um besorgt zu sein. In seinem Buch “The Grand Chessboard“ (iv) begrüßt der  Bilderberger Zbigniew Brzezinski ein “Westeuropa … das in einem großen Maß ein amerikanisches Protektorat bleibt”. Brzezinski betont auch, dass “Europa das Problem, das durch sein soziales Umverteilungssystem verursacht wird, lösen” muss, welches eine “europäische Initiative verhindert“. Der Vater der europäischen Verfassung ist niemand anderes als der Bilderberger Valery Giscard d’Estaing, der zufällig Kissinger sehr nahe steht.

Aus geopolitischer Sicht ist der Kern der ganzen Angelegenheit, dass die Verfassung rechtlich bestätigt, dass Europa keine Streitmacht abseits von der NATO haben kann, das heißt außerhalb der Kontrolle der USA.  Bilderberg-Überzeugungen weisen nur in eine Richtung: eine ständig wachsende, US-kontrollierte NATO, eine immer mehr nach Osten expandierende EU, eine massenweise Delokalisierung, massige Unternehmensgewinne und eine unangefochte US-militärische Überlegenheit. Kein Wunder, dass das der Mittelpunkt einer heftigen Debatte innerhalb der EU-Korridore in Brüssel ist, wo Dutzende von Diplomaten und Beamte der Kommission offen über das  Mobbing von Washington klagen und ihren Regierungen einen Ausverkauf vorwerfen. Günther Verheugen, der europäische Kommissar für die Erweiterung der EU, ist zufällig ein Bilderberger.  Wenn Mitglieder der Europäischen Kommission auf ein Bilderberg-Treffen gehen, werden ihre Reisekosten und Spesen von der Kommission bereitgestellt. Dies disqualifiziert sicherlich Bilderbergs Selbst-Präsentation als einen “privaten Club”.

Bilderberg 2005 verschmolz – zufällig? – mit Bushs Tour bei seinen baltischen Freunden und dem angespannten Treffen mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin. Die Eindämmung Rußlands stand wahrscheinlich ganz oben auf der Agenda für Bilderberg. Russland ist sehr über sein “nahes Ausland” besorgt und sieht keinen Grund, seine Armee aus Basen in Georgien oder die Marine aus  Sebastopol in der ukrainischen Krim zu entfernen – egal, wie viele farb-kodierte Revolutionen vor der Haustür geschehen.

Quellen aus der Europäischen Kommission versichern, dass Brzezinski eine äußerst einflussreiche Figur bleibt. Die Bilderberg-Diskussion über die Kontrolle von Eurasien bezieht sich immer noch auf “The Grand Chessboard“. Washington ist deshalb ein so begeisterter Cheerleader des Beitritts der Türkei zur EU, da dies eine Erhöhung des amerikanischen Einflusses in der Nähe des Kaspischen Meeres und über dem östlichen Mittelmeer bedeutet. Und es funktioniert auch in Richtung der  Eindämmung des Iran, Russlands und Chinas – denen es nach Brzezinski nicht erlaubt ist, als rivalisierende Mächte für die USA in Eurasien aufzusteigen.

Ein weiteres umstrittenes Thema, dass die Köpfen jener besetzt haben muss, die an Bilderberg 2005 teilnahmen, ist die Verhinderung, dass der Iran in den Besitz einer Atomwaffe kommt – das ist aber nur ein Detail: der eigentliche Punkt ist, wie der Iran daran gehindert werden kann, zu einer erstklassigen eurasischen Macht zu werden. Einige in Brüssel tun die Möglichkeit eines Szenarios nicht ab, wonach eine massiv aufgebaute Propaganda versuchen wird, die amerikanische und europäische öffentliche Meinung von der Notwendigkeit eines Militärschlags  gegen den Iran zu überzeugen. Wie Peking zur Aufwertung des Yuan gezwungen werden kann, dürfte auch ein Thema gewesen sein.

Von Pepe Escobar, Übersetzung Lars Schall

Anmerkungen des Übersetzers:

i Das hat sich inzwischen geändert. Die Website lautet: http://www.bilderbergmeetings.org/index.php

ii James Tucker: “Jim Tucker’s Bilderberg Diary: Reporter’s 25 year Battle to Shine the Light on the World Shadow Government“, American Free Press, 2005.

iii Vergleiche hierzu auch Lars Schall: “Wir sind inmitten einer epochalen tektonischen Verschiebung” – Teil 1, ein Interview mit F. William Engdahl, veröffentlicht auf LarsSchall.com am 27. März 2011 unter:

http://www.larsschall.com/2011/03/27/wir-sind-inmitten-einer-epochalen-tektonischen-verschiebung-%E2%80%93-teil-1/

iv Zbigniew Brzezinski: “The Grand Chessboard: American Primacy and Its Geostrategic Imperatives“, Basic Books, 1998.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert