Griechenlands Premierminister Giorgos Papandreou ist ein toter Mann der Politik. Aber noch ist Griechenland nicht tot.
Athen: Gestern um Mitternacht bekam Giorgos Papanderou – Ministerpräsident der einen von zwei Staatsparteien Griechenlands seit Ende der Militärdiktatur 1974, der Pasok – unter allen nur denkbaren Drohungen und Beschwörungen die Stimmen der Pasok-Abgeordneten im Athener Parlament, die noch nicht zurückgetreten oder aus der Fraktion ausgetreten sind. Das waren, summa summarum, immerhin 155 von 300. Er „gewann“ also das „Vertrauen“ (1) des Parlamentes der Griechen, die seiner Pasok-Partei noch ganze 20.1 Prozent der Stimmen geben würden.
Übrigens: für die andere Staatspartei, die Nea Dimokratia, würden derzeit 21 Prozent der Wahlberechtigten in Griechenland stimmen. Wem jetzt auffällt, daß da noch ein paar Prozent fehlen, dem sei gesagt: mittlerweile geben 19.1 Prozent aller Griechen an, daß sie aus lauter Verzweiflung über die verkommenen Betrüger in allen etablierten Parteien ihren Stimmzettel bei der nächsten Parlamentswahl ungültig machen werden. 19.1 Prozent. (2)
Endlich mal wieder ein Grund für die Geldmärkte, schon lange vor der Abstimmung in Athen die Kurse explodieren zu lassen (3). Jeder Kapitalist auf dem Planeten, der nur über ein bisschen Einfluss und „Kontakte“ verfügte, wusste schon vorher, wie abgestimmt werden wird. Das Dumme ist eben nur: wenn man so etwas wie eigene Vorinformationen und Betrug und die Manipulation und Korruption von Anderen zu Geld machen will, muss man ab einem bestimmten Punkt andere einweihen und es teilweise sogar öffentlich tun. Das sind eben die Börsen, die Geldmärkte.
Was aber hat sich verändert? Nichts. Der Staat Griechenland wird weiter systematisch zerstört und kann seine „Schulden“ – entstanden durch Geld, was Griechenland nie bekommen hat, Zinsen und Zinseszinsen – nie „zurück“ bezahlen. Gerade deshalb, weil er seine „Schulden“ nicht und nie bezahlen kann, muss er immer wieder neue machen. Immer wieder. Warum?
Von vorne. Erinnern Sie sich noch an die Fahnen, die Trompeten, das ganze Gerede über alles, was jetzt besser wird?
– 1.Dezember 2009: Der Lissabon-Vertrag tritt in Kraft.
– 16. Dezember 2009: Standard & Poor´s folgt Fitch und entwertet Griechenland, bzw senkt dessen „Bonitätsrate“. Hintergrund sind u.a. geheime Verhandlungen der Pasok-Regierung mit Goldman Sachs über den Verkauf eines strategischen Anteils der National Bank of Greece (NGB) an China.
– 20.Januar 2010: IWF-Direktor Dominique Strauss-Kahn erklärt in Hongkong, die Finanzsituation von Griechenland sei “ein ernstes Problem” für die gesamte Region.
– 25.Januar 2010: Die Papandreou-Regierung verkauft an den Börsen Schuldtitel (Anleihen) des eigenen Staates mit einer Laufzeit von 5 Jahren und bietet darauf die bis dato unfassbaren Schuldzinsen von 6.5 Prozent. Plaziert wird der 5-Jahres-Bond durch ausgerechnet durch Goldman Sachs, die National Bank of Greece (NGB), die Deutsche Bank AG, Morgan Stanley, Credit Suisse und die EFG Eurobank. Die Kapitalgesellschaften und Finanzorganisation an den Börsen stürzen sich förmlich auf die griechischen Anleihen
– 26.Januar 2010: Ein Tag später. In der „Financial Times“ erscheint ein ausführlicher Bericht über die geheimen Verhandlungen der Papandreou-Regierung mit Goldman Sachs um den Verkauf der National Bank of Greece (NGB) für chinesisches Kapital.
Nachdem der Bericht öffentlich geworden ist, setzt sich der griechische Pasok-Finanzminister George Papakonstantinou in den US-Fernsehsender cnbc zum Interview und streitet den Deal ab.
Daraufhin halbiert sich der Aktienwert der NGB innerhalb von Stunden, die griechischen Anleigen stürzen in den Keller. Die Staatsfinanzen Griechenlands stehen schlimmer da als vorher. (DIE GRIECHENLAND-KRISE (II): Banken, hört die Signale..)
– 9.Februar 2010: Die berüchtigte „Bank für Internationalen Zahlungsausgleich“ veröffentlicht eine Statistik, derzufolge „deutsche Geldhäuser in Griechenland und anderen hoch verschuldeten Ländern der Euro-Zone Ende September 2009 rund 535 Mrd. Euro an Forderungen ausstehen“ haben. Danach sinken aber nicht etwa die Kurse der transstaatlichen „deutschen Geldhäuser“, sondern steigen steil nach oben.
– 10.Februar 2010: Aus der Berliner Bundesregierung heisst es, daß „die Entscheidung im Euro-Raum für Griechenland-Hilfen schon praktisch gefallen“ sei.
– 11.Februar 2010: die „sozialistischen“ Parteivorsitzenden aus den EU-Staaten treffen sich. Darunter sind die Regierungsleiter aus Griechenland (Papandreou), aus Portugal, Spanien und Österreich (Bundeskanzler Werner Faymann, SPÖ). Ebenfalls anwesend sowie der Vorsitzende der deutschen SPD, Sigmar Gabriel. Nach dem Treffen verkündete der Vorsitzende der europäischen Sozialisten, der Däne Poul Nyrup Rasmussen, es sei falsch, wenn einzelne Staaten Griechenland mit Krediten aushelfen würden. „Das würde die Tür öffnen für weitere Spekulationen an den Finanzmärkten gegen diese Länder“. Seitens der „sozialistischen“ Partei- und Regierungsleiter wird stattdessen der IWF ins Spiel gebracht, mit seinem Direktor Strauss-Kahn aus der „Sozialistischen Partei“ Frankreichs.
– 16.Februar 2010: Die „Europäische Union“ übernimmt, achtzehn Jahre nach ihrer Gründung im Jahre 1992, zum ersten Mal die vollständige finanzielle Kontrolle über einen Mitgliedsland und stellt Griechenlands Haushalt unter Zwangsverwaltung. EU-Wirtschaftskommissar Olli Rehn verkündet, dass Vertreter der Brüsseler Kommission, der Europäischen Zentralbank (EZB) und des IWF bereits in den kommenden Tagen in Athen mit “Kontrollen beginnen”.
(DIE GRIECHENLAND-KRISE (IV): Machtergreifung einer neuen kapitalistischen Sowjetunion)
Diese Zwangsverwaltung ist nicht institutionalisiert. Aber die Pasok-Regierung akzeptiert sie und setzt ihre neue Rolle als Satellitenstaat von EU und Banken in vollem Umfang durch.
– 26.Februar 2010: Papandreou trifft sich mit nicht näher genannten „Bankern“. Kurz danach oder bereits zu diesem Zeitpunkt treffen EU-Wirtschaftskommissar Oliver Rehn und der leitende Volkswirt der Frankfurter „Europäischen Zentralbank“ (EZB) in Athen ein und verlangen von der Pasok-Regierung, radikale Kürzungen bei Löhnen, Renten und sozialer Gesetzgebung gegen die Bevölkerung durchzusetzen.
2.März 2010: Papandreou steht am 2.März vor dem parlamentarischen Komitee der Pasok und redet von einem „Kriegszustand“ – einem „state of war“ und droht damit mit der Ausrufung des verfassungsmäßig möglichen „Belagerungszustandes“ („state of siege“), der Notstandsdiktatur. Laut Verfassung der 1975 entstandenen 2. Republik Griechenlands hat der Staatspräsident (der nicht vom Volk, sondern vom Parlament gewählt wird) die Macht sich selbst mit Zustimmung von Teilen der Regierung (die nicht vom Volk, sondern vom Parlament gewählt wird) zum Diktator ausrufen. Das Parlament muss erst 15 Tage nach der Erklärung des “state of siege” seine Zustimmung erteilen, welche dann jeweils für weitere 15 Tage gilt. (DIE GRIECHENLAND-KRISE (V): Politische Monarchie zu verkaufen)
Papandreou droht also am 2.März 2010 mit einem Putsch gegen die Demokratie. Er sagt:
„Ich werde kämpfen, um das Vaterland vor den Folgen zu bewahren, die der Alptraum eines Staatsbankrotts mit sich bringen würde..Wir befinden uns im Krieg gegen die negativen Szenarien, denen unser Land ausgesetzt ist..Jeden Tag finden wir neue Löcher, neue Landminen im Haushalt..Wir hätten gerne mehr Zeit, damit die Strukturreformen ihre Wirkung entfalten können, aber leider lassen die internationalen Bedingungen dies nicht zu.“
Mir ist, als wäre es gestern gewesen.
Das war´s. Und das war vor über einem Jahr. Was ist seitdem besser geworden? Nichts. Es ist alles nur schlimmer geworden. Aber es ist immer das Gleiche. Die Einen sehen das als Zufall an, wie überhaupt alles in der Politik, an der Börse und was sie im Fernsehen von Ferne sehen und schaffen es durch trainierte Zwiedenkerei gleichzeitig jedem und allem nur Schlechtes in die Schuhe zu schieben, der oder das sozial unter ihnen steht. Die Anderen haben keine Ahnung. Und eine kleine Minderheit, keineswegs kohärent, nennt es beim Namen, was hier abläuft:
ein Programm.
Papandreou ist ein toter Mann der Politik. Er führt Befehle aus, die ihm aus dem Bankensektor, aus dem Berliner Regierungsviertel, aus Brüssel und Washington gegeben werden. Er ist Prokonsul über Griechenland und sein Thron sitzt auf einem Eisberg, der schmilzt und schmilzt und schmilzt im anbrechenden Athener Frühling.
Athens Parlament, mit seiner fünf Abgeordneten-Mehrheit für die Pasok, wird erst Ende Juni über die Annahme des neuen „Sparpläne“ aus Berlin, Brüssel, Washington und Frankfurt entscheiden. Diese beinhalten nicht weniger als den Versuch, die Volkswirtschaft, sowie den souveränen, handlungsfähigen Staat Griechenland gezielt zu exekutieren, wie ein Attentäter das Opfer. Anschliessend wird die Leiche gefleddert und eine institutionelle Zentralregierung in Brüssel, eine „Wirtschaftsregierung“ installiert. Ende des Programms.
Was hat sich in Griechenland gestern verändert? Nichts. Noch nicht. Noch ist Griechenland nicht tot. Und ein bisschen tot gibt es nicht.
(…)
04.06.2011 Was vor und nach dem Staatsbankrott Griechenlands passieren wird
Die Lösung für diese sogenannte “Krise” ist ganz einfach: die Griechen rufen den Generalstreik aus, bis nichts mehr geht, schmeissen ihre Regierung raus und besorgen sich dafür vielleicht (wie in Serbien) ein paar Türsteher und Traktoren. Dann erklärt der Staat Griechenland, dass er bei diesem Spiel einfach nicht mehr mitmacht. Er erklärt den “Staatsbankrott”. Er zahlt nicht. Er sagt: „Ich habe keine Schulden. Und ich erwürge auch nicht die Menschen, die mich bilden. Und nun schert euch zum Teufel, ihr Blutsauger.“
25.05.2010 Die Mär von der Euro-Krise
Von Egbert Scheunemann.
Ohne einen Schuldenschnitt wird es nicht gehen, um Griechenland aus der Schuldenfalle herauszuziehen. Selbst dann, wenn Griechenland seinen Staatsbankrott erklären würde (wozu ich übrigens dringend rate!), müssten daraus in keiner Weise irgendeine Kettenreaktion und eine nachfolgende neue internationale Finanzmarktkrise resultieren.
Was passieren würde? Bitteschön: Nichts! Oder besser: nur Positives! Nach dem zu erwartenden üblichen Aufschrei der üblichen dementen Verdächtigen aus Politik, Medien und sogenannter Wirtschaftswissenschaft – dass nun natürlich, wenn nicht gleich die ganze Welt untergehen, so doch die Weltwirtschaft zusammenbrechen werde –, würde man sich zusammensetzen, Griechenland einen Berg an Schulden erlassen und die verbleibenden Schulden vernünftig umgruppieren und verzinsen. Es würde genau das eintreten, was eintrat, als Mexiko (28) oder Argentinien Mitte der 1990er Jahre bzw. Anfang der 2000er Jahre einfach ihre Zahlungen einstellten und sich dem mörderischen Druck der internationalen Finanzmärkte einfach nicht mehr beugten: „Argentinien hat 2002 rund 70 Prozent der Schulden gestrichen.“
19.12.2009 Interview: Dr. Werner Rügemer zum Thema “Die Ursachen der Finanzkrise – oder warum wir die Staatsschulden nicht zurückzahlen sollten”
Alle wichtigen Staaten der „westlichen Wertegemeinschaft“ sind seit langem überschuldet. Es gehört sozusagen perverser Weise zu den Grundwerten des so ach so wertbewussten „Westens“, dass man überschuldet ist. Auf reguläre Weise und nach der bisherigen Praxis können diese Schulden nie mehr zurückgezahlt werden. Die schon bisher bestehende
Überschuldung war ja eine der Voraussetzungen, dass die Banken, bei denen die Staaten verschuldet sind und von denen sie immer weitere Kredite haben wollen, so mächtig werden konnten, um die bisherigen Regulierungen außer Kraft setzen zu lassen. Dieses ungleiche Kräfteverhältnis wird durch die Bankenrettung noch ungleicher, die Staaten werden noch erpressbarer bzw. kooperationswilliger.
Quellen:
(1) http://www.washingtonpost.com/business/markets/greek-prime-minister-george-papandreous-government-survives-confidence-vote-in-parliament/2011/06/21/AGLCMteH_story.html
(2) http://www.bloomberg.com/news/2011-06-21/papandreou-not-helped-by-greek-cabinet-reshuffle-poll-suggests.html
(3) http://www.reuters.com/article/2011/06/21/markets-global-idUSN1E75K1NL20110621
letzte Änderung: 10.43 Uhr