Die Rede des Präsidenten der Kommissare der „Europäischen Union“ am 28.September im EU-Parlament ist in ihrem Wortlaut nur sehr schwer zu finden. Das hat seine Gründe.
Jose Manuel Barrosos Rede ist der verzweifelte Appell, den von sogenannten „Föderalisten“ und Kapital Seit an Seit mit allen Mitteln gegen die Völker Europas und ihre Demokratien betriebenen schleichenden Staatsstreich weiter zu forcieren, zu beschleunigen und die Überführung der souveränen Republiken und Monarchien, mithin Staaten und Demokratien, in einen „supranationalen“, faktisch überstaatlichen Moloch über große Teile Europas zu gewährleisten.
Die neunzehn Jahre alte Organisation „Europäische Union“ wird dabei wieder einmal, in maximaler Heuchelei und Zynismus, als das Europa verkauft, welches man im eigenen Einflussbereich bereits für und mit den Banken und Kapitalgesellschaften systematisch geplündert, wo man die Verfassungen der Mitgliedsländer zersetzt, umgangen oder eingeschränkt, sowie Lebensstandard, Bildungsniveau und Löhne der Menschen systematisch und gezielt gesenkt hat, um im Gegenzug dafür eine privilegierte primitive Generation williger Fachidioten in der Mittelschicht und herrschsüchtige Autokraten in der Oberschicht als Basis für maximale Handlungsfreiheit der neuen Nomenklatura und ihr selbst programmiertes Menschheitsexperiment heran zu züchten.
Aus weltpolitischer Sicht ergibt sich folgendes Bild: der 27 Staaten umfassenden „Europäische Union“, mit ihrer nur 17 Staaten umfassenden Währungszone „Euro“, ist innerhalb der angepeilten (aber außer Kontrolle geratenen) Weltordnung die Rolle der Handelszone („Schwellenland“) des Währungszentrums zugedacht. (11.Juni 2010, DER WELTFINANZKRIEG: Die Vier Zonen der Ökonomie)
Diese Rolle hatten bisher China und Indien. Sie sollen in der Hierarchie des sich seit 20 Jahren im Zuge der „Globalisierung“ verfestigten und gänzlich unkontrollierten Weltkapitalismus und seines Banken- und Handelssystems aufsteigen zur Tributzone.
Konkret hieße das für uns, so es dem Block „Europäische Union“ gelingt die Mitgliedsstaaten zu zerschlagen und die ihm zugedachte Rolle der Handelszone zu übernehmen: niedrige Löhne, niedrige Währung (nicht im Gegensatz zur immer wieder betonten „Währungsstabilität“), autoritäre Stuktur (ebenfalls nicht im Gegensatz zum kontrollierten Kapitalfluss, Beispiel China), niedrige soziale Standards, rigide Klassengesellschaft und Militarisierung.
Der Titel der Rede, „State of the Union“, ist eine direkte Referenz an die traditionelle „State of the Union“ Rede des Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika vor dem Kongress. Es ist offensichtlich, daß hier immer noch Akteure der Nomenklatura ihre „Vereinigten Staaten von Europa“ – de facto über Europa – durchzwingen wollen. Sie werden scheitern.
Hier nun die Rede von EU-Oberkommissar Jose Manuel Barroso vor dem machtlosen EU-Parlament in Straßburg im Wortlaut. Auf Markierungen wurde bewusst verzichtet, sorgfältiges Lesen ist unverzichtbar. Weitere Analyse zur Rede wird ggf. folgen.
Sehr geehrter Herr Präsident,
Meine Damen und Herren,
Sehr geehrter Herr Minister,
Wir müssen die Lage der Europäischen Union ehrlich und ohne Umschweife analysieren.
Wir stehen vor der größten Herausforderung in der Geschichte der Europäischen Union.
Es handelt sich um eine Finanz- und Wirtschaftskrise mit großen gesellschaftlichen Auswirkungen, jedoch auch um eine Vertrauenskrise, eine Krise des Vertrauens sowohl in unsere Politiker als auch in Europa und in unseren Fähigkeite, die Dinge zum Besseren zu wenden.
Die Ursachen der Krise sind klar: Europa hat in der Frage der Wettbewerbsfähigkeit nicht die richtigen Antworten gefunden. Einige Mitgliedstaaten haben über ihre Verhältnisse gelebt. Auf den Finanzmärkten haben sich unverantwortliche und inakzeptable Verhaltensweisen durchgesetzt. Wir haben nichts gegen die Ungleichgewichte zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union und insbesondere innerhalb des Euroraums getan.
Diese Probleme wurden durch die gewaltigen Veränderungen der Weltordnung und die Auswirkungen der Globalisierung noch verschärft.
Das alles führt zu tiefer Besorgnis in unserer Gesellschaft. Viele Bürger haben Angst vor der Zukunft. Mehr denn je besteht die Gefahr eines Rückzugs in nationale, um nicht zu sagen nationalistische Denkgewohnheiten.
Populistische Bewegungen stellen die größten Errungenschaften der Europäischen Union in Frage – den Euro, den Binnenmarkt, ja sogar den freien Personenverkehr.
Mit Fug und Recht kann man sagen, dass die Staatsschuldenkrise mittlerweile in erster Linie eine politische Vertrauenskrise ist.
Nicht nur unsere Bürger, sondern auch die Außenwelt schauen auf uns und fragen sich: Sind wir wirklich eine Union? Verfügen wir wirklich über den Willen zur Stützung der einheitlichen Währung?
Sind die schwächeren Staaten wirklich gewillt, die unerlässlichen Reformen durchzuführen?
Sind die wohlhabenderen Staaten wirklich bereit für Solidarität?
Ist Europa wirklich in der Lage, Wachstum und Arbeitsplätze zu schaffen?
Ich, ja ich sage Ihnen heute:
Die Lage ist tatsächlich ernst, aber die Krise ist lösbar.
Europa hat Zukunft.
Wenn wir das Vertrauen wiederherstellen. Und dafür brauchen wir Stabilität und Wachstum, aber auch politischen Willen und Führungsstärke
Gemeinsam müssen wir unseren Bürgern eine europäische Erneuerung vorschlagen.
Wir müssen vollenden, was wir in der von Kommission, Parlament und Europäischem Rat unterzeichneten Berliner Erklärung anlässlich des 50. Jahrestags der Römischen Verträge verkündet haben: „Wir leben heute miteinander, wie es nie zuvor möglich war. Wir Bürgerinnen und Bürger der Europäischen Union sind zu unserem Glück vereint.“
Mit der Hilfe unserer Institutionen – und nicht gegen sie – werden wir es schaffen.
Die einen sagen, wir brauchen Stabilität, die anderen sagen, wir brauchen Wachstum.
Ich sage, wir brauchen beides.
Die einen predigen Disziplin, die anderen Solidarität.
Ich sage, wir brauchen beides.
Die Zeit der Ad-hoc-Reaktionen und der kleinen Schritte ist vorbei. Wir müssen mit fester Entschlossenheit Gesamtlösungen verwirklichen. Wir brauchen mehr Visionen für Europa .
Ich bin wirklich überzeugt, dass wir heute an einem historischen Scheideweg stehen: wenn wir uns nicht für mehr Integration entscheiden, droht der Zerfall.
Es ist folglich eine Frage des politischen Willens. Es ist eine Prüfung für unsere gesamte Generation.
Wir können diese Krise überwinden. Und wir können es nicht nur, wir müssen es auch. Und genau das macht politische Führung aus: das Notwendige möglich zu machen.
Meine Damen und Herren,
Lassen Sie mich mit dem Thema beginnen, das uns alle beschäftigt: Griechenland. Ich möchte es ganz deutlich sagen: Griechenland ist und bleibt ein Mitglied des Euroraums. Daher muss es alle seine Verpflichtungen vollständig und fristgerecht erfüllen. Im Gegenzug haben die anderen Mitglieder des Euroraums zugesagt, sowohl Griechenland als auch einander zu unterstützen. Beim Euroraum-Gipfel am 21. Juli wurde festgestellt: „Wir sind entschlossen, den Programmländern – sofern sie diese Programme erfolgreich durchführen – weiterhin Unterstützung zu leisten, bis sie den Marktzugang wiedererlangt haben.“
Aus diesem Grund habe ich die Task-Force für Griechenland eingerichtet.
Wir haben soeben einen Aktionsplan vereinbart, der auf zwei zentralen Pfeilern ruht:
– einem Verzeichnis von rund 100 nachhaltigen und qualitativ hochwertigen Projekten mit Investitionen in allen Regionen des Landes, um die verbleibenden Strukturfondsmittel für Griechenland bestmöglich zu nutzen,
– einer groß angelegten Initiative zum Bürokratieabbau bei kofinanzierten europäischen Projekten.
Aus Strukturfondsmitteln können noch 15 Mrd. EUR in Griechenland ausgegeben werden. Damit kann insbesondere ein Sofortprogramm zur technischen Unterstützung der griechischen Verwaltung aufgelegt werden, von dem auch die griechische Wirtschaft profitieren wird.
Ein mit 500 Mio. EUR ausgestattetes Programm zur Absicherung von Darlehen der Europäischen Investitionsbank an griechische KMU wurde bereits eingerichtet.
Die Kommission prüft die Einrichtung eines umfassenderen Garantiemechanismus, damit die Banken wieder Kredite an die Realwirtschaft vergeben können.
Die Hilfen, mit denen wir Griechenland in seinem Kampf gegen die Krise beiseite stehen, sind beträchtlich. Griechenland wird bald konkrete Ergebnisse vorweisen müssen. Es muss kontraproduktive Gewohnheiten ablegen und dem Gemeinwohl Vorrang vor Einzelinteressen geben.
Aber eines ist klar: diese Strukturanpassung wird kein kurzfristiges Projekt sein, kein Sprint, sondern ein Marathonlauf.
Beim Aufbau einer Union der Stabilität und Verantwortung geht es jedoch nicht nur um Griechenland.
Wir stehen vor einer sehr schwierigen wirtschaftlichen Zukunft. Wir sind konfrontiert mit den negativen Auswirkungen ständiger weltweiter Neubewertungen von Kreditrisiken. Es liegt in unserer Verantwortung, das Vertrauen in den Euro und in unsere gesamte Union wiederherzustellen.
Das ist möglich, wenn wir beweisen, dass wir in der Lage sind, alle Entscheidungen zu treffen, die für eine gemeinsame Währung und eine integrierte Wirtschaft notwendig sind, und dass wir dabei Wettbewerbsfähigkeit, soziale Integration und Ressourceneffizienz fördern. Dazu sind kurz-, mittel- und langfristige Maßnahmen erforderlich.
Der erste Schritt ist die rasche Entscheidung darüber, wie wir auf die Staatsschuldenkrise reagieren.
Wir brauchen stärkere Mechanismen zur Krisenbewältigung. Wir brauchen Glaubwürdigkeit und einen wirksamen, machtvollen Schutz für den Euro.
Wir müssen uns auf die EFSF und den ESM stützen.
Die EFSF muss umgehend gestärkt und flexibler gestaltet werden. Genau das hat die Kommission bereits im Januar vorgeschlagen. Das haben auch die Staats- und Regierungschefs des Euroraums am 21. Juli vereinbart. Erst wenn Sie diese Vorschläge ratifizieren, wird die EFSF in der Lage sein,
– vorsorglich zu intervenieren,
– zu intervenieren, um die Rekapitalisierung der Banken zu unterstützen,
– auf den Sekundärmärkten zu intervenieren, um ein Übergreifen zu verhindern.
Sobald die EFSF ratifiziert ist, sollten wir ihre Finanzmittel so effizient wie möglich einsetzen. Die Kommission arbeitet an mehreren Optionen.
Ferner sollten wir alles in unserer Macht Stehende tun, um das Inkrafttreten des ESM zu beschleunigen.
Und selbstverständlich vertrauen wir darauf, dass die Europäische Zentralbank – voll und ganz auf dem Boden des Vertrages – alles tut, was notwendig ist, um die Integrität des Euroraums und seine finanzielle Stabilität sicherzustellen.
Dies allein reicht allerdings noch nicht. Wir müssen die wirtschaftliche Koordinierung und Integration vertiefen, insbesondere im Euro-Raum.
Dies ist mindestens genauso eine politische wie eine wirtschaftliche Aufgabe.
Heute stimmen Sie über das „Sechserpack“ genannte Reformpaket zum Stabilitäts- und Wachstumspakt ab, das wir Ihnen und dem Rat vor einem Jahr vorgelegt haben und das für eine stärkere Überwachung des makroökonomischen Gleichgewichts sorgen soll. Wir sind nun wieder fast zu dem zurückgekehrt, was die Kommission ursprünglich vorgeschlagen hatte. Sie haben entscheidend dazu beigetragen, dass diese Vorschläge auf einem ehrgeizigen hohen Niveau geblieben sind. Hierfür danke und gratuliere ich Ihnen.
Diese Rechtsvorschriften geben uns viel stärkere Durchsetzungsmechanismen an die Hand. Wir können nun die Haushaltspläne der Mitgliedstaaten diskutieren, bevor Entscheidungen auf nationaler Ebene getroffen werden. Diese Mischung aus Disziplin und Integration ist die Grundlage für die Zukunft des Euro-Raums. Nur mit mehr Integration und Disziplin wird unser Euroraum wirklich glaubwürdig sein.
Meine Damen und Herren,
dies sind bereits bedeutende Schritte nach vorn, aber wir müssen noch weiter gehen. Wir müssen unsere Währungsunion durch eine Wirtschaftsunion ergänzen. Wir müssen die Vorgaben von Maastricht erfüllen.
Es war eine Illusion zu glauben, eine gemeinsame Währung und einen Binnenmarkt mit nationaler Wirtschafts- und Haushaltspolitik vereinbaren zu können. Eine andere Illusion sollten wir tunlichst vermeiden: die Illusion, dass es möglich sei, eine gemeinsame Währung und einen Binnenmarkt im Wege der Regierungszusammenarbeit steuern zu können.
Der Euroraum ist nur glaubwürdig, wenn wir wirklich als Gemeinschaft handeln. Das sagen nicht etwa nur die europäischen Föderalisten, das ist die Botschaft der Märkte. Wir müssen den Euroraum zusammenfügen und die Währungsunion durch eine echte Wirtschaftsunion vollenden.
Wie soll dieses Handeln als Gemeinschaft aussehen? In den kommenden Wochen wird die Kommission aufbauend auf dem Sechserpack einen Vorschlag für einen einheitlichen, kohärenten Rahmen zur Vertiefung der wirtschaftlichen Koordinierung und Integration, insbesondere im Euroraum, vorlegen. Der Vorschlag wird so konzipiert sein, dass die Vereinbarkeit von Euroraum und Union insgesamt gewahrt bleibt. Selbstverständlich liegt es uns fern, mit dem Euroraum die große Errungenschaft des Binnenmarktes und seiner vier Freiheiten auszuhebeln.
Gleichzeitig können wir unsere politische Willensbildung bündeln, um unsere Wettbewerbsfähigkeit zu erhöhen. Dazu sollten wir den Euro-Plus-Pakt unter vollständiger Wahrung der nationalen Durchführungsbefugnisse in diesen Rahmen einbeziehen
Damit dies in der Praxis funktioniert, brauchen wir – mehr denn je – die unabhängige Autorität der Kommission, um die Maßnahmen vorzuschlagen und zu bewerten, die die Mitgliedstaaten ergreifen sollten. Die Regierungen können dies – das sei in aller Offenheit gesagt – nicht allein leisten. Dies kann auch nicht durch Verhandlungen zwischen Regierungen geschehen.
Aufgrund der Gemeinschaftsbefugnisse ist die Kommission die Wirtschaftsregierung der Union. Ganz gewiss brauchen wir dafür keine neuen Institutionen.
Aus gutem Grund wurden mit den Verträgen überstaatliche Organe geschaffen. Aus gutem Grund gibt es eine Europäische Kommission, eine Europäische Zentralbank, einen Europäischen Gerichtshof. Die Kommission ist der Garant für ein faires Vorgehen. Die Kommission, die natürlich partnerschaftlich mit den Mitgliedsstaaten zusammenarbeitet, wird überdies von diesem Hause, dem direkt gewählten Parlament sowohl des Euro-Raums als auch der Europäischen Union insgesamt, gewählt und ist ihm gegenüber rechenschaftspflichtig.
Meine Damen und Herren,
Es ist auch an der Zeit, eine einheitliche Vertretung des Euroraums nach außen zu gewährleisten. Entsprechend dem Vertrag wird die Kommission entsprechende Vorschläge unterbreiten.
Eine auf dieser Grundlage errichtete Union der Stabilität und Verantwortung, in der gemeinsam gehandelt wird, wird es den Mitgliedstaaten ermöglichen, die Vorteile eines größeren Marktes für die Emission von öffentlichen Schuldtiteln in vollem Umfang zu nutzen.
Sobald der Euroraum voll und ganz mit den Instrumenten ausgerüstet ist, die für die Wahrung von Integration und Disziplin notwendig sind, wird die gemeinsame Emission von Schuldtiteln als natürlicher und für alle vorteilhafter Schritt angesehen werden. Vorausgesetzt, dass solche Eurobonds „Stabilitäts-Anleihen“ sind: Anleihen, die so konzipiert sind, dass sie diejenigen, die sich an die Regeln halten, belohnen, und diejenigen, die sich nicht daran halten, abschrecken. Wie ich diesem Hause bereits mitteilte, wird die Kommission in den kommenden Wochen Optionen für solche „Stabilitäts-Anleihen“ vorlegen.
Einige dieser Optionen können im Rahmen des jetzigen Vertrags umgesetzt werden, während richtiggehende Eurobonds eine Vertragsänderung erfordern würden. Denn, Meine Damen und Herren,
wir können innerhalb des jetzigen Vertrags von Lissabon eine Menge bewirken. Es gibt keine Ausrede, es nicht zu tun oder es jetzt nicht zu tun.
Dennoch könnte es notwendig sein, Vertragsänderungen in Betracht zu ziehen.
Ich denke hierbei auch insbesondere an das Gebot der Einstimmigkeit. Das Tempo unserer gemeinsamen Bemühungen darf nicht von den Langsamsten vorgegeben werden, wie es heute der Fall ist. Das ist auch aus der Perspektive der Märkte nicht glaubwürdig, und deshalb müssen wir dieses Problem der Entscheidungsfindung lösen. Es steht Mitgliedstaaten selbstverständlich frei, Entscheidungen nicht mitzutragen. Das ist, wie es so schön heißt, eine Frage der nationalen Souveränität. Sie haben aber nicht das Recht, die anderen am Voranschreiten zu hindern. Auch die anderen Staaten sind souverän, und wenn sie voranschreiten wollen, sollten sie das tun dürfen.
Unsere Bereitschaft, Vertragsänderungen ins Auge zu fassen, sollte uns nicht als Mittel oder Vorwand dienen, die heute notwendigen Reformen hinauszuschieben, aber auf lange Sicht wird sie unsere jetzigen Entscheidungen glaubwürdiger machen. Davon bin ich überzeugt.
Eine Union der Stabilität und Verantwortung setzt voraus, dass die Arbeiten an einem neuen System zur Regulierung der Finanzmärkte rasch abgeschlossen werden. Wir brauchen ausreichend mit Kapital ausgestattete, verantwortungsbewusste Banken, die Kredite an die Realwirtschaft vergeben.
Es wurde viel berichtet über die angebliche Verwundbarkeit einiger unserer Banken. Die europäischen Banken haben ihre Eigenkapitaldecke in den vergangenen Jahren erheblich aufgestockt. Sie akquirieren derzeit frisches Kapital, um die verbleibenden Engpässe zu beseitigen, die bei den im Sommer durchgeführten Stresstests festgestellt wurden. Dies ist notwendig, um den Schaden der Finanzmarktturbulenzen für die Realwirtschaft und die Arbeitsplätze zu begrenzen.
In den vergangenen drei Jahren haben wir ein neues System zur Regulierung der Finanzmärkte konzipiert.
Wir sollten nicht vergessen: Wir haben bereits 29 Gesetzgebungsvorschläge vorgelegt. Sie haben bereits einige davon verabschiedet, unter anderem zur Einrichtung unabhängiger Aufsichtsbehörden, die bereits ihre Arbeit aufgenommen haben. Nun ist es an der Zeit, unsere Vorschläge zu verabschieden in Bezug auf
– Derivate,
– ungedeckte Leerverkäufe und Kreditausfallversicherungen,
– eine faire Vergütung für Banker.
Diese Vorschläge liegen auf dem Tisch. Rat und Parlament sollten sie bis Jahresende verabschieden. Die Kommission wird folgende noch ausstehende Vorschläge bis Ende des Jahres vorlegen:
– Ratingagenturen,
– Abwicklung von Banken
– persönliche Haftung von Händlern.
Wir werden somit als erstes Mitglied der G20 unserer Verpflichtung zu weltweiten Bemühungen um eine Regulierung der Finanzmärkte nachgekommen sein.
Meine Damen und Herren,
In den vergangenen drei Jahren haben die Mitgliedstaaten – richtiger wäre es zu sagen: die Steuerzahler – dem Finanzsektor Finanzhilfen und Bürgschaften in Höhe von 4,6 Billionen EUR zur Verfügung gestellt. Es ist an der Zeit, dass der Finanzsektor der Gesellschaft etwas zurückgibt. Deswegen darf ich Ihnen mit großem Stolz mitteilen, dass die Kommission heute einen Vorschlag für eine Finanztransaktionssteuer verabschiedet hat. Dieser Vorschlag, den wir Ihnen heute vorlegen, ist von größter Bedeutung. Sollte er geltendes Recht werden, kann er zu Einnahmen in Höhe von rund 55 Milliarden EUR jährlich führen. Einige werden sich fragen: „Warum?“ Warum? Es ist eine Frage der Fairness. Wenn Bauern, wenn Arbeiter, wenn alle Wirtschaftszweige von der Industrie über die Landwirtschaft bis hin zum Dienstleistungsgewerbe einen Beitrag leisten müssen, sollte auch der Bankensektor einen Beitrag leisten.
Und wenn wir – weil wir – unsere Haushalte konsolidieren müssen, brauchen wir mehr Einnahmen. Die Frage ist, woher diese Einnahmen kommen sollen. Sollen wir den Faktor Arbeit stärker belasten? Den Verbrauch höher besteuern? Ich denke, es ist fair, dass die Finanzdienstleistungen, die in einigen unserer Mitgliedstaaten keinen angemessenen Beitrag zu unserer Gesellschaft leisten, besteuert werden.
Nicht nur Finanzinstitute sollten einen fairen Beitrag leisten. Wir können es uns nicht leisten, bei Steuerhinterziehern ein Auge zuzudrücken. Somit ist es an der Zeit, unsere Vorschläge für einen Quellensteuerabzug innerhalb der Europäischen Union vorzulegen. Deshalb fordere ich die Mitgliedstaaten auf, der Kommission endlich das von uns erbetene Mandat zu erteilen, für die gesamte Europäische Union Steuerabkommen mit Drittländern auszuhandeln.
Meine sehr geehrten Damen und Herren,
Stabilität und Verantwortung reichen für sich genommen nicht aus. Wir brauchen Stabilität, wir brauchen aber auch Wachstum. Wir brauchen Verantwortung, wir brauchen aber auch Solidarität.
Die Wirtschaft kann nur dann stabil bleiben, wenn sie Wachstum und Arbeitsplätze schafft. Deshalb müssen wir die Dynamik unserer Wirtschaft, insbesondere der Realwirtschaft, freisetzen.
Die heutigen Prognosen weisen auf eine starke Konjunkturabschwächung hin.
Gleichwohl ist ein deutliches Wachstum in Europa kein realitätsferner Traum. Es wird sich nicht über Nacht wie von Zauberhand einstellen. Aber wir können die Voraussetzungen für eine wirtschaftliche Erholung schaffen. Wir haben es schon in der Vergangenheit geschafft, wir müssen und wir können es wieder schaffen.
Es ist wahr, dass wir nicht viel Spielraum für neue finanzpolitische Impulse haben.
Das heißt aber nicht, dass wir nicht mehr für die Förderung des Wachstums tun können.
Erstens müssen diejenigen, die über finanzpolitische Spielräume verfügen, diese nutzen – allerdings auf nachhaltige Weise.
Zweitens müssen alle Mitgliedstaaten Strukturreformen fördern, damit wir unsere Wettbewerbsfähigkeit auf den Weltmärkten stärken und mehr Wachstum erzielen können.
Gemeinsam können und müssen wir das Potenzial des Binnenmarktes nutzen, die Vorteile des Handels ausschöpfen und Investitionen auf Unionsebene mobilisieren.
Ich fange mit dem Binnenmarkt an.
Allein die vollständige Umsetzung der Dienstleistungsrichtlinie könnte unseren Schätzungen zufolge für die Wirtschaft bis zu 140 Mrd. EUR einbringen.
Aber auch heute, zwei Jahre nach der Umsetzungsfrist, haben einige Mitgliedstaaten immer noch nicht die notwendigen Vorschriften erlassen.
Wir haben die finanziellen Vorteile einer wirklichen Liberalisierung der Dienstleistungen in Europa noch lange nicht vollständig ausgeschöpft.
Aber wir können noch mehr tun.
Wir müssen die Vorschläge annehmen, die auf dem Tisch liegen. Die Europäische Kommission hat die Binnenmarktakte angenommen. Mehrere Schlüsselinitiativen sind bereit zur Verabschiedung.
Wir stehen kurz davor, ein europäisches Patent einzuführen, das die Ausgaben für den Patentschutz auf 20 % der heutigen Kosten reduzieren würde. Ich erwarte, dass dieser Rechtsakt bis Ende des Jahres verabschiedet wird.
Was die Binnenmarktakte anbelangt, sollten wir ein beschleunigtes Verfahren in Erwägung ziehen. Das sollten wir übrigens in vielen Bereichen tun, denn wir leben in einer Zeit, die rasches Handeln erfordert. Nur so können wir diesen außergewöhnlichen Umständen gerecht werden.
Das Wachstum wird in Zukunft immer mehr vom Einsatz der Informationstechnologie abhängen. Wir brauchen einen digitalen Binnenmarkt,
der jedem Europäer mit 1 500 EUR jährlich zugute kommen würde, beispielsweise durch die Nutzung der Möglichkeiten des elektronischen Geschäftsverkehrs oder durch die Abschaffung der Roaming-Gebühren für Mobiltelefone.
Eine um 10 % höhere Breitbanddurchdringung würde uns ein zusätzliches jährliches Wachstum von zwischen 1 % und 1,5 % bescheren.
In einer vom Wettbewerb geprägten Welt müssen wir gut ausgebildet sein und auf neue Herausforderungen mit neuen Qualifikationen antworten. Wir müssen innovieren. Und wir müssen auf nachhaltige Weise handeln.
Wir haben bereits detaillierte Vorschläge zur Innovation, zur Ressourceneffizienz und zur Stärkung unserer industriellen Basis vorgelegt.
Moderne Industriepolitik bedeutet Investition in Forschung und Innovation.
Unsere Vorschläge, den Einsatz von Wagniskapital für junge, innovative Unternehmen in ganz Europa stärker zu nutzen, müssen rascher angenommen werden.
Wir werden nachhaltige Arbeitsplätze schaffen, wenn wir auf Innovation und neue Technologien, auch grüne Technologien, setzen. Wir müssen uns darüber im Klaren sein, dass „grün“ und Wachstum zusammengehören.
So sind zum Beispiel in den letzten fünf Jahren im Bereich der erneuerbaren Energien schon 300 000 Arbeitsplätze in der Europäischen Union entstanden. Der Weltmarkt für grüne Technologien wird sich im nächsten Jahrzehnt verdreifachen.
Wir müssen unser Handeln auf die Bereiche konzentrieren, in denen es volle Wirkung erzielen kann. Künftiges Wachstum bedeutet, dass wir unsere Agenda für intelligente Regulierung vorantreiben müssen, die für die europäischen Unternehmen, insbesondere KMU, Einsparungen von 38 Mrd. EUR mit sich bringt. Allerdings müssen auch die Mitgliedstaaten ihren Beitrag leisten und Bürokratie abbauen.
Wir brauchen auch mehr Investitionen. Diese Reformen sind wichtig, aber wir brauchen auch Investitionen auf der Ebene der Europäischen Union.
Eine Union des Wachstums und der Solidarität benötigt moderne, vollständig vernetzte Infrastrukturen.
Wir haben für den nächsten mehrjährigen Finanzrahmen vorgeschlagen, eine Fazilität für die Vernetzung Europas zu schaffen. Energie- und Verkehrsnetze, digitale Netze.
Dieser innovative Teil unseres Vorschlags für den mehrjährigen Finanzrahmen ist in Verbindung mit einer anderen sehr innovativen Idee zu sehen: dem projektbezogenen Anleihesystem.
In den nächsten Wochen wird die Kommission ihre Vorschläge für die EU-Projektanleihen veröffentlichen. Außerdem schlagen wir Pilotprojekte vor, damit wir dieses Wachstum finanzieren können. Das geht schon vor der Annahme des mehrjährigen Finanzrahmens. Auf diese Weise können wir einige der große Infrastrukturinvestitionen, die Europa braucht, frühzeitig auf den Weg bringen.
Die Union und ihre Mitgliedstaaten müssen dringend überlegen, wie sie es ihrer eigenen, auf die Förderung bestimmter politischer Maßnahmenausgerichteten Bank, der Europäischen Investitionsbank, ermöglichen können, mehr – womöglich sehr viel mehr – für die Finanzierung langfristiger Investitionen zu tun.
Wir müssen dafür nach Wegen suchen, um die Ressourcen der EIB und ihre Kapitalbasis zu stärken, damit sie Kredite an die Realwirtschaft vergeben kann.
Im Jahre 2000 belief sich das Risikokapital in Europa auf 22 Milliarden EURO. 2010 waren es nur 3 Milliarden. Wenn wir das Unternehmertum fördern wollen, müssen wir diesem Rückgang entgegenwirken, gerade im Interesse des Mittelstandes.
Auch die Strukturfonds können wir besser für das Wachstum nutzen, indem wir die Aufnahmefähigkeit erhöhen und die Strukturfonds zur Unterstützung der makroökonomischen Leistung einsetzen. Sie sind von entscheidender Bedeutung für Innovation, Aus- und Weiterbildung und Beschäftigung sowie kleine und mittlere Unternehmen.
Ich bitte dieses Haus außerdem dringend, bis Ende des Jahres die Vorschläge zur Erhöhung der Kofinanzierungssätze für Länder mit Hilfsprogrammen zu verabschieden, die wir im August vorgelegt haben. Hierdurch erhält die Wirtschaft dieser Länder die notwendigen Finanzmittel, was den Druck auf ihre Haushalte verringert.
Meine Damen und Herren,
Die Reformen unserer Arbeitsmärkte, unserer öffentlichen Finanzen und unserer Rentensysteme erfordern große Anstrengungen aller Teile der Gesellschaft.
Wir wissen alle, dass diese Änderungen notwendig sind, um unsere soziale Marktwirtschaft zu reformieren und unser Sozialmodell zu bewahren. Wir müssen unbedingt an unseren Werten festhalten, den Werten der Fairness, Integration und Solidarität.
Gerade jetzt müssen wir den jungen Leuten, von denen jeder Fünfte keine Arbeit findet, konkrete Hoffnung geben. In einigen Ländern ist ihre Lage wirklich dramatisch. Ich möchte an die Unternehmen appellieren, eine besondere Anstrengung zu unternehmen, um jungen Menschen Praktika und Lehrstellen anzubieten. Diese Anstrengungen können vom Europäischen Sozialfonds unterstützt werden.
Wenn wir Unternehmen, Sozialpartner, nationale Behörden und die Unionsebene dazu bringen können, an einer Initiative „Chancen für junge Menschen“ mitzuarbeiten, können wir etwas bewirken. Unsere dringlichste soziale Aufgabe ist die, auf die Angst unserer Jugendlichen vor der Arbeitslosigkeit zu reagieren. Es ist viel besser, einen Ausbildungs- oder Praktikantenplatz zu haben, als als Arbeitsloser auf der Straße zu demonstrieren, dass man das Vertrauen in die Union verliert.
Wir müssen die Umsetzung der dringendsten Teile unseres Plans für Wachstum und Beschäftigung, Europa 2020, beschleunigen. Die Kommission wird sich in ihren länderspezifischen Empfehlungen für das nächste Jahr mit der Situation junger Leute in jedem einzelnen Mitgliedstaat befassen
Wir müssen unserer Zukunft eine Chance geben.
Wir müssen auch handeln, um den 80 Millionen von Armut bedrohten Europäern zu helfen. Das bedeutet, dass der Rat unseren Vorschlag, das Nahrungsmittelprogramm für bedürftige Menschen abzusichern, verabschieden muss. Ich danke dem Parlament für seine politische Unterstützung für unsere Vorschläge.
Meine Damen und Herren,
Vor – im Oktober – genau 50 Jahren schlossen sich 12 Länder in Europa zusammen, um die Sozialcharta zu unterzeichnen. Bis heute sind der Charta 47 Staaten, darunter alle EU-Mitgliedstaaten, beigetreten.
Um diese Grundwerte in Europa zu sichern, müssen wir die Qualität des sozialen Dialogs auf europäischer Ebene verbessern. Die Erneuerung Europas kann nur mit dem Engagement und der verantwortungsvollen Beteiligung der Sozialpartner – der Gewerkschaften, der Arbeitnehmer, der Unternehmen, der Zivilgesellschaft schlechthin – erfolgreich gestaltet werden.
Wir sollten nicht vergessen, dass unser Europa ein Europa der Bürger ist. Als Bürger profitieren wir alle von Europa. Wir verfügen über eine europäische Identität und Staatsbürgerschaft neben unserer nationalen Staatsbürgerschaft. Mit der europäischen Staatsbürgerschaft sind eine Reihe von Rechten und Chancen verbunden: Wir können ungehindert Grenzen überschreiten, im Ausland studieren und arbeiten. Wir müssen uns aber auch geschlossen dafür einsetzen, dass diese Rechte und Chancen fortbestehen und sich weiterentwickeln. So, wie es die Kommission jetzt mit ihren Vorschlägen zu Schengen macht. Wir werden nicht zulassen, dass die Rechte unserer Bürger abgebaut werden. Wir werden die Freiheit des Personenverkehrs wie alle Freiheiten in der Union verteidigen.
Meine Damen und Herren,
die Europäische Union ist – wie Sie wissen – noch in vielen weiteren Bereichen tätig, die ich an dieser Stelle nicht vollständig auflisten kann, die jedoch in dem Schreiben an den Präsidenten des Parlaments erwähnt werden, das Sie alle erhalten haben.
Lassen Sie mich, bevor ich zum Schluss komme, auf die außenpolitische Verantwortung der Europäischen Union eingehen. Ich möchte ein offenes Europa, ein Europa, das sich in der Welt engagiert.
Das weltweite Handeln Europas ist nicht nur die beste Garantie für den Schutz unserer Bürger, unserer Interessen und unserer Werte, sondern sie ist auch unerlässlich. Der Begriff „G2“ ist in Mode gekommen.
Meiner Ansicht nach ist der Welt nicht an einer G2 gelegen, und diese wäre auch nicht im Interesse der beiden betreffenden Länder. Die mit einer solchen Bipolarität verbundenen Spannungen sind uns vom Kalten Krieg her noch in Erinnerung. Ich glaube, dass Europa mehr denn je gebraucht wird, wenn wir eine gerechte und offene Welt wollen.
Ich bin davon überzeugt, dass die im Wandel begriffene Welt, in der wir leben, ein Europa braucht, das seiner Verantwortung gerecht wird. Ein einflussreiches Europa der 27 und in Kürze der 28, sobald Kroatien der EU beigetreten ist. Ein Europa, das sich bei den bevorstehenden Gipfeltreffen, von Durban bis Rio +20, weiterhin Gehör verschafft, sei es in Bezug auf den Handel oder in Sachen Klimawandel, und das seine Vorreiterrolle wahrt.
Richten wir nun unseren Blick und unsere Aufmerksamkeit auf unsere Nachbarn im Süden. Der Arabische Frühling stellt einen tiefgreifenden Wandel dar, der sich nicht nur auf die betroffenen Völker, sondern auch auf uns, auf Europa nachhaltig auswirken wird. Aus diesem Grund darf Europa stolz sein. Wir waren die ersten, die den Tunesiern, den Ägyptern und den Libyern in ihrem Streben nach Demokratie und Freiheit an der Seite gestanden haben. Deshalb unterstützt Europa die legitimen Hoffnungen der Menschen in dieser Region insbesondere über unsere Partnerschaft für Demokratie und gemeinsamen Wohlstand.
Der Arabische Frühling lässt – wie ich hoffe – zudem die gesamte Region auf Frieden hoffen und eröffnet auch Perspektiven für einen Palästinenserstaat in friedlicher Koexistenz mit Israel. Dies ist der Wunsch Europas.
Wenden wir uns auch unseren Nachbarn im Osten zu. Ich werde diesen Freitag am Gipfeltreffen zur Östlichen Partnerschaft in Warschau teilnehmen. Ziel ist eine stärkere politische Assoziierung und engere wirtschaftliche Integration zwischen uns und den Partnerländern der Region. Die Europäische Union verfügt über ein außerordentliches Potenzial, Veränderungen herbeizuführen. Für viele Menschen in der Welt ist sie ein Ansporn, und wenn diese Länder tiefgreifende Reformen unternehmen, können wir ihnen helfen und sie politisch und auch wirtschaftlich enger an uns binden.
Vergessen wir schließlich nicht die Ärmsten der Armen. Wir müssen nachdrücklich unseren Verpflichtungen im Rahmen der Millennium-Entwicklungsziele nachkommen.
Lassen Sie uns auch realistisch sein und erkennen, dass wir unsere Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik verstärken müssen, wenn Europa seinen Einfluss in der Welt geltend machen und Gewicht haben soll. Diese Politik muss glaubwürdig sein, und dazu bedarf es einer gemeinsamen sicherheits- und verteidigungspolitischen Dimension, wenn wir wirklich wollen, dass unsere Stimme in der Welt zählt.
Längst vergangen sind die Zeiten, in denen sich einige der Vorstellung einer europäischen Verteidigungspolitik widersetzten, da sie die Befürchtung hatten, dies könnte dem atlantischen Bündnis schaden. Vielmehr fordern uns heute die Amerikaner selbst auf, mehr zu tun, und zwar gerade als Europäer. Die Welt hat sich verändert, sie verändert sich weiterhin dramatisch. Wollen wir wirklich eine Rolle spielen auf der Weltbühne?
Deswegen ist es jetzt, da nationale Verteidigungshaushalte gekürzt werden, an der Zeit, mit den uns zur Verfügung stehenden Mitteln mehr zu tun.
Die Kommission leistet ihren Teil: Sie bemüht sich kraft ihrer Zuständigkeiten aufgrund des Vertrags um einen Binnenmarkt für Verteidigung und um die Entwicklung einer einschlägigen industriellen Basis in Europa.
Meine Damen und Herren,
Wir sollten nicht naiv sein: die Welt ändert sich, und wenn Europa in der Welt Gewicht haben, die Interessen seiner Bürger vertreten und die Zukunft mitgestalten möchte, brauchen wir die außenpolitische und die verteidigungspolitische Dimension.
Meine Damen und Herren,
Lassen Sie mich zum Schluss kommen.
Unser Mandat läuft im Jahr 2014 ab – genau 100 Jahre nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs, einen der dunkelsten Zeiten unserer Geschichte, demrmit dem Zweiten Weltkrieg eines der dramatischsten Kapitel der europäischen und der Weltgeschichte folgte. Die Schrecken von damals sind wohl heute in Europa unvorstellbar. Sie sind unvorstellbar, nicht zuletzt weil wir die Europäische Union haben, die durch wirtschaftliche und politische Integration den Frieden auf unserem Kontinent garantiert hat. Deswegen werden wir nicht zulassen, dass dieses kostbare Gut gefährdet wird. Wir haben es von den vorhergehenden Generationen geerbt. Und unsere Generation wird dieses kostbare Gut nicht aufs Spiel setzen. Wenn wir beginnen, Europa dem Zerfall anheimzugeben, unsere großen europäischen Errungenschaften zurückzunehmen, gefährden wir unser großes Ziel.
Die derzeitige Krise ist – wie bereits erwähnt – in ihrem Kern eine politische Krise, die unsere Bereitschaft zum Zusammenleben auf die Probe stellt. Deswegen müssen wir die Europäische Union vertiefen, deswegen haben wir gemeinsame Institutionen ins Leben gerufen, deswegen müssen wir das europäische Interesse wahren
Zwischenstaatliche Zusammenarbeit reicht heute nicht aus, um Europa aus der Krise zu führen und die Zukunft zu gestalten. Vielmehr kann gerade das Modell einer zwischenstaatlichen Zusammenarbeit zu Renationalisierung und Teilung führen. Dieses Modell könnte dem Europa, das wir anstreben, den Todesstoß versetzen.
Vergessen wir nicht: Die Entscheidungen, die wir heute treffen oder unterlassen, werden unsere Zukunft prägen.
Ich möchte Ihnen nicht verhehlen, dass es mich verletzt, wenn uns Europäern aus anderen Erdteilen mit einem gewissen paternalistischen Unterton Ratschläge erteilt werden. Natürlich haben wir Europäer unsere Probleme, sehr ernste sogar, aber wir müssen uns nicht für unser Bekenntnis zur Demokratie entschuldigen. Ebenso wenig müssen wir uns für unsere soziale Marktwirtschaft entschuldigen. Wir, die europäischen Organe, aber auch die Mitgliedstaaten, Paris, Berlin, Athen, Lissabon, Dublin, sollten als Europäer selbstbewusst auftreten und unseren Partnern zu verstehen geben, dass wir Europäer durchaus in der Lage sind, gemeinsam aus eigener Kraft diese Krise zu überwinden. Ich selbst habe diesen europäischen Stolz.
Der Stolz, Europäer zu sein, rührt nicht nur aus unserer großen Kultur, unserer großen Zivilisation, aus allem, was wir der Welt gegeben haben. Er schöpft sich nicht nur aus der Vergangenheit, sondern aus dem Vertrauen in unsere gemeinsame Zukunft. Dieses Vertrauen untereinander gilt es wiederherzustellen. Ich halte das für möglich.
Mancher behauptet, das sei sehr schwierig, sogar unmöglich. Ihnen möchte ich die Worte einer großen Persönlichkeit, des großen Afrikaners Nelson Mandela entgegenhalten: „Alles erscheint unmöglich, bis es getan wird. Tun wir es“. Wir können die Erneuerung Europas vertrauensvoll angehen.
Vielen Dank.
Quelle: Europäische Union, ganz hinten oben rechts, aber in der untersten Schublade.