Wie es vielleicht dem einen oder anderen aufgefallen ist, herrscht hier in den letzten Tagen so ein bisschen Ruhe vor dem EU-Gipfel am Sonntag (23.) und dem Gipfel der Staats- und Parteichefs im Staaten- und Bankenbund „G20“ am 3. und 4. November 2011 in Cannes.
So ist das eben in der Schießscharte. Da wartet man, in aller Ruhe.
Doch ein so unsagbar denkwürdiges Zitat eines planetar strahlenden Leuchtturms der Demokratie hat mich dazu bewegt, meine Ruhe vor den Gipfeln kurz zu beenden. Das ist Geschichte. Das ist historisch. Das ist einfach unfassbar. Oh diese Gnade, diese Deeeeemuuuuuuuuuuuut, die einen erfassen möge, bei solch hellem Glanz im Lande der Dichter und Denker.
Aber der Reihe nach, in zeitlicher Abfolge.
Gestern Nachmittag. In Frankfurt wird dem abtretenden Präsidenten der „Europäischen Zentralbank“ Jean-Claude Trichet gehuldigt. Dabei spricht für die Euro-Wehrmacht ex-Bundeskanzler Helmut Schmidt. Meine Lieblingssprüche dieses denkwürdigen Statements:
„In meinem fortgeschrittenen Alter denkt man naturgemäß in längeren Zeitabläufen“
Sowie über die Europäer an sich, die Schmidt auf seinen umfangreichen Reisen schon in jungen Jahren so intensiv begleitete:
„Wir altern. Teilweise altern wir sogar dramatisch“.
Nach der Huldigung des scheidenden unabhängigen Währungsführers treffen sich in Frankfurt nach vorliegenden öffentlichen Informationen u.a. folgende Personen zu einem zweistündigen Treffen:
– Nicolas Sarkozy, Präsident von Frankreich
– Angela Merkel, Kanzlerin von Deutschland
– Wolfgang Schäuble, Finanzminister von Deutschland
– François Baroin, Finanzminister von Frankreich
– EZB-Präsident Trichet und sein Nachfolger Mario Draghi, ex-Vize von Goldman Sachs International
– Herman Van Rompuy, „EU-Ratspräsident“, was ungefähr mit „beliebter Punchingball aller Karikaturisten und des einzig anhörbaren EU-Parlamentariers, Nigel Farage“ zu übersetzen ist
– Jose Manuel Barroso, leitender Kommissar der EU-Kommission, mit geschichtlichen Vorbildern aus allen Epochen des Bürokratieextremismus und sich selbst (be)gründender Apparate
– Jean-Claude Juncker, Vorsitzende der „Eurogruppe“, also der Finanzminister des Währungsgebietes „Euro“
– Christine Lagarde, so ruhmreich wie nur möglich ins Amt gelangte leitende Direktorin des „Internationalen Währungsfonds“ IWF.
Danach verschickt Steffen Kampeter in seiner Funktion als leitender Flachbildschirm des Bundesfinanzministeriums an die „maßgeblichen“ Abgeordneten des Parlaments von Deutschland zur vorher so glaubhaft dementierten und nun geplanten „Hebelung“ von 780 Milliarden Euro Steuergeldern (davon regulär ohne Zinsen 211 Milliarden aus Deutschland) im Fonds der luxemburgischen Aktiengesellschaft EFSF auf 2 Billionen Euro folgende detailreiche Aussage:
„Ob und in welcher Ausgestaltung die Möglichkeit der Effizienzsteigerung tatsächlich in die Leitlinien aufgenommen wird, ist deshalb zum jetzigen Zeitpunkt noch offen.“
Wo liegt das Problem?
„Das komplizierte Regelwerk liegt bisher aber nur in englischer Sprache vor.“
Na gut, das kann doch mal vorkommen. Hat man sich den neuen 2 Billionen Tributplan wieder mal von den Magiern Linklaters zufaxen lassen und ist mit der Übersetzung nicht hinterher gekommen. Verdammte „Gesetzgeber“. Sollen sie doch englisch lernen. Äh, deutsch.
Aber dann. Der Held erklimmt die Empore. The Hektor Trojas has left the building. Mutig schreitet er heraus. Sein Schild und Schwert (in Großbuchstaben ist „SPD“ darauf gepinselt, damit er es nicht vergisst) klappert etwas, während er tapfer vorwärts schreitet, aber gut. Der Wille zählt. Carsten Schneider kneift die Augen zusammen. „Haushaltsexperte, Haushaltsexperte“ zischt er leise vor sich hin, nur um sich der ganzen Größe dieses epischen Dramas zu vergewissern. Dann holt er tief Luft.
Und da schallt es über die Ebene, bis hin zu den Landungsbooten der zwölf mächtigsten Fürsten der Welt, Barclays Plc., Capital Group Companies Inc., FMR Group, Axa, State Street Corporation, JP Morgan Chase & Co, Legal & General Group Plc., Vanguard Group, UBS AG, Merrill Lynch & Co, Inc., Wellington Management Co. L.L.P. und Deutsche Bank AG:
Stille.
Der Rest ist unaussprechliche Geschichte.
Epilog
Um 15.52 Uhr meldet die „Welt“ unter Berufung auf „Koalitions- und Regierungsquellen“, die Regierung schließe eine Verlegung des für Sonntag geplanten Gipfels des EU-Gipfels nicht aus. Die Fraktionen im Parlament würden darauf „drängen“, vor dem Gipfel das zu entscheiden, was die Regierung in Brüssel gern selbst entscheiden wollte – eine „Hebelung“ des EFSF. Doch die entsprechenden „Richtlinien“ für die Konferenz des obersten EU-Regierungsrates hat die Regierung von Deutschland dem Parlament immer noch nicht vorgelegt.
Um 16.52 ergänzt die Zeitung in einem Update unter gleichem Link: Kanzlerin Angela Merkel hat ihre für morgen Freitag geplante Regierungserklärung zum EU-Gipfel im Bundestag abgesagt. Stattdessen wird die Regierung ab 09.00 Uhr die Fraktion CDU/CSU „informieren“, heisst es.