Kaukasus-Drehscheibe Aserbaidschan

Satellitenaufnahme des Kaukasus von NASA’s Visible Earth, Public Domain

Verfassungsänderungsvorhaben in Aserbaidschan einen Tag nach erstem nichtständigen Sitz im UN-Sicherheitsrat: Immunität und Leibrente auf Lebenszeit für Ex-Präsidenten, Ehegattinnen und deren Kinder – Kreditaufnahme über Millionen von Dollars bei der Weltbank – Griechenland drängt auf Beginn der Türkei-Griechenland-Italien-Pipeline, Geld kein Problem – Rüge an Norwegens Unterstützung einer Konferenz über politische Gefangene in dem Land am Kaspischen Meer (Foto: Wikipedia)

Am Montag, den 24.Oktober 2011 wurde die Kaukasus-Republik Aserbaidschan, nicht rein zufällig nach langem Gerangel und heißem Abstimmungsprozedere, durch die Generalversammlung der Vereinten Nationen zum ersten Mal für den Zeitraum 2012 bis 2013 als eines der nichtständigen Mitglieder in den Weltsicherheitsrat gewählt.

Siebzehn Wahlgänge waren seit der endgültigen Abstimmung für diesen heiss begehrten Sitz der Ländergruppe „Osteuropa und der früheren Sowjetunion“ seit dem Freitag vorausgegangen, um dem Land diesen Sieg über den Mitbewerber Slowenien, das zuvor in Führung lag, zu ermöglichen. Slowenien hatte vor der siebzehnten Abstimmung seine Kandidatur zurückgezogen. Ein Regierungsvertreter äusserte laut „Der Standard“ seine Unzufriedenheit über die Art und Weise der durchgeführten Wahl. (1)

Aserbaidschan hat mit seiner geografischen Lage für die energiehungrigen Staaten strategische Bedeutung und wird als Rohstofflieferant und Transitpartner für Erdgas-Pipeline von den Vereinigten Staaten von Amerika, den Ländern Europas, Russland, dem Iran, der Türkei und vielen weiteren Mitbewerbern sowie zur Sicherung der Quellen vom militärischen Komplex wie der NATO umworben. Der südliche Erdgas-Korridor umfasst die Nabucco-Gaspipeline, die Trans Adriatic Pipeline (TAP), White Stream und ITGI (Türkei-Griechenland-Italien-Pipeline). Delegationen aus allen Herren Länder reisen nach Baku, im Gepäck Händler und Investmentbanker. Privatisierung bringt enorme Investitionen ins Land – so der Slogan der Regierung, alles zum Wohle des Volkes…

… Griechenland soll nach Lesart des Banker-Aufsichtsratmolochs und somit dessen diversen europäischen dienenden Politikern mit grossen gläubigen Ohren und spitzen treuen Zungen angeblich bankrott sein. Das hält den griechischen Minister für Umwelt, Energie und Klimawandel, George Papaconstantinou, nicht davon ab, auf einer Pressekonferenz am 25.Oktober 2011 in Baku das ITGI-System als die wirtschaftlichste Lösung für das Shah-Deniz-Konsortium (Entwicklung des Shah-Deniz-Erdgasfelds) anzupreisen. „ITGI als bankfähiges Projekt kann sofort starten“, so der Minister aus Athen und meinte nach Angaben der Nachrichtenagentur Trend in der Meldung „South gas corridor: intrigue continues Südgas-Korridor: die Intrigen gehen weiter“, finanzielle Schwierigkeiten hätten keinen Einfluss auf die Realisierung des ITGI-Projekts.(2) Alles zum Wohle des Bankenkonsortium …

Am Dienstag, den 25.Oktober unterzeichnete die Regierung von Aserbaidschan und die Weltbank einen IDA-Vertrag über 76,8 Millionen Dollar für Kredite, Darlehen und Projektvereinbarungen und über ein Darlehen von 3,2 Millionen für das Azerbaijan Water Users Associations Development Support Project (WUAP). Das Wasserprojekt wird zusätzlich von den Vereinigten Staaten von Amerika mit 34,3 Millionen US-Dollar finanziert, dessen Gesamtkosten mit 114,3 Millionen US-Dollar angegeben wurden. So sollen fast 3000 Kilometer Be- und Entwässerungskanäle und Wasserregulierungsstrukturen für die Bewässerung von landwirtschaftlichen Flächen entstehen oder vorhandene saniert werden.(3)

Das Parlament in Aserbaidschan winkte am Dienstag in erster Lesung einen Regierungsentwurf für eine Verfassungsänderung mit elf Stimmen, drei Gegenstimmen und einer Enthaltung für ein Versorgungssicherungsgesetz für den Präsidenten und seine Familie durch. Der zukünftige aus dem Amt scheidende Ex-Präsident wird ein Auto, einen Fahrer, drei Leibwächter und eine monatliche Rente von 50 Prozent des Gehalts des amtierenden Präsidenten erhalten. Im Falle des Todes eines Ex-Präsidenten wird seine Frau diese Rente erhalten, ansonsten „vererbt“ sich der Anspruch ganz nach Art edler Häuser auf seine Kinder mit Erreichen ihres Alters von achtzehn Jahren. Dem Ex-Präsidenten und deren Ehegatten wird ein Diplomatenpass zur Verfügung gestellt und ihre Unantastbarkeit wird durch das Gesetz geschützt werden, so der Entwurf „Providing the Ex-Azerbaijani President and His Family“ zur Verfassungsänderung.(4)

Somit werden Pfründe für Ihre Gnaden und Nachkommen gesichert und eventuellen Verfolgungen durch das Gericht – im Falle von Verfehlungen wie Korruption und Amtsmissbrauch – ein konstitutioneller Riegel vorgeschoben. Merkwürdig, dass derartiges in einem so vorbildlichen Land notwendig erscheint, als das es sich gern darstellt.

Am 24.Oktober 2011 veröffentlichte Elkhan Suleymanov, Mitglied der aserbaidschanischen Delegation bei der Parlamentarischen Versammlung des Europarates (PACE) und Vorsitzender der aserbaidschanischen Delegation in der Euronest, der „Östlichen Partnerschaft“ (ein Projekt im Rahmen der Europäischen Nachbarschaftspolitik (ENP), dessen Ziel eine Heranführung der sechs zum Teil benachbarten östlichen Länder Armenien, Aserbaidschan, Georgien, Moldawien, Ukraine und Weißrussland an die Europäische Union ist), einen Offenen Brief auf seiner Webseite und in lokalen Medien, den er an Herrn Erling Skjønsberg, dem Botschafter von Norwegen in der Republik Aserbaidschan, adressiert hatte und unter diesem Link einsehbar ist.(5)

In diesem Brief bemängelt Suleymanov Norwegens Beteiligung bei der Ausrichtung einer Konferenz der Nichtregierungsorganisation „For the sake of Human Rights“ zu Fragen der Menschenrechte zum Thema politischer Gefangener „To asses and to ask the release of political prisoners on the basis of UN and CE criteria“ am 4.November in Baku, die von dem nordeuropäischen Land offiziell organisiert oder zumindest aktiv unterstützt würde und nannte diese eine politisch motivierte Veranstaltung.

Suleymanov stellte den Begriff „politischer Gefangener“, der 1991 im Fall Namibias geprägt wurde und andere Kriterien „on the basis of the UN and CE criteria, as these criteria do not exist“ als nicht vorhanden hin, da sie unter anderem über zwanzig Jahre alt und nicht aktualisiert worden seien. Ausserdem hätte es damals noch keine Terroristen gegeben, zumindest nicht im „Amtsdeutsch“ des Völkerrechts der Organisation der Vereinten Nationen.

„Ich bedaure, dass Ihr Land, das eine so lange demokratische Tradition hat, durch Ihr Botschafterbüro dieser Initiative einer NGO Unterstützung gewährt, die Listen mit den Namen von angeblichen politischen Gefangenen verfassen will… Es ist klar, dass ihr einziger Zweck darin besteht, eine Situation eines politischen Deals ohne Kriterien zu schaffen und unserem Land unter dem Namen politischer Gefangener Schaden zugunsten ihrer eigenen politischen Ziele zuzufügen… meiner Meinung nach sollte eine Entscheidung in Bezug auf die PACE Kriterien getroffen werden und diese Kriterien sollten für alle Mitgliedstaaten in gleicher Weise angewendet werden. Ich wiederhole, dass die angewendeten Kriterien nicht nur in Aserbaidschan, sondern auch für alle PACE-Mitgliedsstaaten angewendet werden sollten… For us, legal certainty is one of the most important elements of the rule of law. Why is it not for you?“, schreibt Suleymanov.

Die Fragen der Menschenrechte werden in den strategischen Planspielen der grossen Mächte wie immer eine Nebenrolle spielen. Die USA sind in diesen Dingen stets führendes Beispiel. Am 22.Oktober besuchte US-Aussenministerin Hillary Clinton Usbekistan. Der US-Kongress hat die Sanktionen bei militärischen Gütern gegen Usbekistan aufgehoben. Die Einhaltung der Menschenrechte in der Republik hätten sich wesentlich verbessert, meinte Clinton. Präsident Barack Obama rief seinen usbekischen Amtskollegen Islam Karimow an, um bilaterale Beziehungen zu erörtern.(6)

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28.11.2010 Iran eröffnet neue Gas-Pipeline aus Turkmenistan
03.11.2010 Sicherheit für Kaspisches Meer
Aserbaidschan, Kasachstan, Iran, Russland und Turkmenistan verteidigen ihre eigenen und ringen um die notwendigen gemeinsamen Interessen und stecken ihre Claims ab.

Quellen:
(1) http://derstandard.at/1319181149556/UNO-Generalversammlung-Aserbaidschan-fuer-zwei-Jahren-in-den-UN-Sicherheitsrat-gewaehlt
(2) http://en.trend.az/capital/analytical/1949402.html
(3) http://en.trend.az/capital/business/1949418.html
(4) http://en.trend.az/news/politics/1949288.html
(5) http://elkhan-suleymanov.az/en/news/
(6) http://de.ria.ru/politics/20111021/261067961.html

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