Eisenbahnbundesamt setzt sich über Rechtsstaat hinweg: Stuttgart 21-Bauarbeiten entgegen Gerichtsbeschluss fortgesetzt

Stuttgart: Parkschützer protestieren vor Ort gegen die Arbeiten am Grundwassermanagement, welche die Bahn heute früh wieder aufgenommen hat – entgegen dem Gerichtsbeschluss vom 6. Oktober 2011 und entgegen den Interessen der Öffentlichkeit. Das Verwaltungsgericht Mannheim hatte weitere Arbeiten am Grundwassermanagement untersagt, solange nicht über die zahlreichen ungenehmigten Planänderungen entschieden ist. Unter anderem der BUND hat Einspruch eingelegt gegen die von der Bahn vorgenommenen Planänderungen. Die Hauptverhandlung über diese Änderungen ist für den 15. Dezember 2011 angesetzt. Das Eisenbahnbundesamt hat nun die Fortsetzung der Arbeiten aus einem nicht näher definierten ‚öffentlichen Interesse‘ heraus genehmigt.

„Die Öffentlichkeit hat vor allem ein Interesse: Dass keine weiteren Fakten geschaffen werden, nicht weiteres Geld verbrannt wird, solange Planfeststellung, Finanzierung und der Nutzen des geplanten Tunnelbahnhofs fraglich sind“, sagt Matthias von Herrmann, Pressesprecher der Parkschützer. „Das Verwaltungsgericht hat die Bauarbeiten mit gutem Grund gestoppt: Die beantragten und zum Teil schon umgesetzten Änderungen sind nicht genehmigt; daran hat sich nichts geändert. Da inzwischen nachgewiesen ist, dass der bestehende Bahnhof, so wie er dasteht, leistungsfähiger ist als der geplante Tunnelbahnhof, besteht kein öffentliches Interesse, das weitere Einschränkungen des Naturschutzes rechtfertigen könnte. Die Genehmigung der Planänderungen ist höchst fraglich – ein guter Grund, auf die Hauptverhandlung in vier Wochen zu warten statt einfach weiter Tatsachen zu schaffen.“

Der geplante Tunnelbahnhof bringt große Einschränkungen und Nachteile mit sich, unter anderem für den Naturschutz und für die Anwohner. Begründet wurde das Milliardenprojekt immer mit einer großen Leistungssteigerung für den Bahnknoten Stuttgart und das damit verbundene öffentliche Interesse. Inzwischen ist nachgewiesen, dass der Kopfbahnhof bereits heute 56 Züge pro Stunde abfertigen kann, also deutlich mehr als der Tunnelbahnhof – es besteht kein öffentliches Interesse, den bestehenden, leistungsfähigen Bahnhof durch einen schlechteren zu ersetzen. Abstriche beim Natur- und Umweltschutz sind vor diesem Hintergrund nicht gerechtfertigt.

Aufgrund technischer Probleme (Technikgebäude) und geplatzter Ausschreibungen (Nesenbachdüker) hat die Bahn mit dem Tunnelprojekt Stuttgart 21 bereits jetzt einen Projektverzug von über eineinhalb Jahren. Wenn das Eisenbahnbundesamt und die Bahn die Hauptverhandlung vor dem Verwaltungsgericht am 15. Dezember 2011 abwarten würden, hätte das keinen weiteren Verzug für das Gesamtprojekt S21 zur Folge.

Wie bereits der Regierung Oettinger bekannt war und auch durch den Bundesrechnungshof mehrfach bestätigt wurde, kostet das Tunnelprojekt Stuttgart 21 weit über 5 Mrd. Euro – die Finanzierung ist völlig ungeklärt, unabhängig vom Ausgang der Volksabstimmung am 27. November 2011.

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