„Wir klagen an!“

Der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann wird am Montag eine Delegation des Stuttgarter „Bürgertribunals zum 30.9.2010“ empfangen und dessen Abschlusserklärung samt den Unterschriften von Tausenden von Bürgerinnen und Bürgern, die sich der Erklärung angeschlossen haben, entgegennehmen. Für die Internet-Zuschauer berichtet darüber www.fluegel.tv in einer Aufzeichnung.

Die Idee für ein Bürgertribunal war bereits im Januar 2011 bei Betroffenen des Schwarzen Donnerstag entstanden. Die Organisatoren wollten nicht in Wut, Entsetzen, Ohnmacht und Trauer über die Geschehnisse des Schwarzen Donnerstag und auch nicht in Empörung über die Arbeit des Untersuchungsausschusses des Landtages verharren. Vielmehr sollte eine objektive Aufarbeitung dieses Tages gefördert werden, weil es in Stuttgart bis zu dieser Klärung keine Ruhe geben wird.

Bei zahlreichen Treffen versuchten die Mitglieder des Bürgertribunals, den Geschehnissen und Hintergründen des 30.9. auf den Grund zu gehen, und bereiteten eine Großveranstaltung vor, die dann in Stuttgart am 29. September 2011 stattfand. Sie wurde live im Internet von Flügel TV (dort auch m Archiv) und Cams21 übertragen.

Mit spürbarer Betroffenheit verfolgten die Zuschauer an diesem Abend das ihnen gebotene Dokumentationsmaterial. Ihre Reaktionen zeigten, dass zur Aufarbeitung noch mehr solcher Veranstaltungen benötigt werden, bei denen die Opfer endlich zu Wort kommen können und Ernst genommen werden.

Das Bürgertribunal zeigte anhand von Bild- und Tonmaterial, Dokumenten, Aussagen Betroffener und ausgearbeiteter Stellungnahmen die Stationen der Vorbereitung des Polizeieinsatzes, dessen Ablauf, den Einsatz der polizeilichen Zwangsmittel unter Missachtung der entsprechenden Bestimmungen und die unterbliebene Anforderung von Rettungskräften, aber auch die gescheiterte Aufklärung durch den Untersuchungsausschuss und den im Juli vorgestellten Polizeibericht.

Das Bürgertribunal mündete in die Anklage, der Einsatz habe zahlreiche Grundrechte der Bürgerinnen und Bürger verletzt, insbesondere die Menschenwürde, körperliche Unversehrtheit, Demonstrations- und Versammlungsfreiheit.

Es endete mit einem Forderungskatalog, der nun am 5.12.2011 in Form einer Resolution durch eine Delegation an den Ministerpräsidenten übergeben wird.

Die wichtigsten Punkte darin sind:
– Einsetzung einer unabhängigen Ermittlerkommission
– Feststellung der Unrechtmäßigkeit und der Unverhältnismäßigkeit des Polizeieinsatzes
– Entschädigung der Opfer und Belangung der politisch Verantwortlichen
– Revidierung des Abschlussberichts der Polizei
– Abkommen wie beim AKW Wyhl zur Einstellung der Verfahren gegen S 21-Gegner
– keine Kriminalisierung des Widerstands
– Abgabe der Ermittlungen zu Stuttgart 21 an eine auswärtige Staatsanwaltschaft
– Kennzeichnungspflicht für die Polizei
– Aufforderung an Beamte, sich gegen unrechtmäßige Befehle zu wehren
– Verzicht auf Einsatz von Gewalt gegen friedlichen zivilen Ungehorsam

Kontakt bei Rückfragen:
Dieter Reicherter, Althütte; Tel. 0 71 92-93 05 22; Reicherter.es(at)t-online.de
und Roland Kimmich, Stuttgart, 0 174-15 22 971, Roland-Kimmich(at)t-online.de

Text der von Tausenden von Bürgern unterzeichneten Abschlußerklärung (Resolution)

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