Parkschützer-Sprecher Von Herrmann: „Der Bahn keinen Freifahrschein für blinde Zerstörungswut ausstellen“

Die Rede von Matthias von Herrmann, Pressesprecher der Parkschützer, bei der heutigen 104. Montagsdemo gegen Programm „Stuttgart 21“ (S21).

Unser Landesvater Kretschmann hat immer wieder betont: ‚Der Kostendeckel bleibt‘ – und dass er sich von der Bahn nicht erpressen lassen wolle.

Herr Kretschmann, genau das müssen Sie und Ihre Regierung jetzt gegenüber der Bahn durchsetzen!

Ihre Pflicht gegenüber dem Land Baden-Württemberg und gegenüber uns Bürgern ist es, zu verhindern, dass wir am Ende mit einer milliardenschweren Bauruine dastehen, durch die das Land dann eben doch erpressbar wäre. Selbst Sie, Herr Kretschmann, fürchten dieses Horror-Szenario.

Doch um eine milliardenschwere Bauruine zu verhindern, langt es nicht, immer mal wieder zu sagen, man wolle sich nicht erpressen lassen.

Um zu verhindern, dass das Land Baden-Württemberg über kurz oder lang von der Bahn erpresst wird, beliebige Mehrkosten für Stuttgart 21 zu tragen, müssen Sie, Herr Kretschmann, jetzt durchsetzen, dass die Bahn keine weiteren Fakten schafft, solange Herr Grube jede Auskunft über die wahren Kosten und die tatsächlichen Risiken des Projekts verweigert.

Insbesondere darf Finanzminister Nils Schmid jetzt keinen Gestattungsvertrag für die Abholzung des Schlossgartens unterschreiben – zumal das Fällen der Bäume noch nicht einmal dem Projektablauf nutzen würde.

Die von der Bahn für Januar angekündigten Fäll- und Abrissarbeiten verfolgen ein einziges Ziel: Die Verhandlungsposition der Regierung soll geschwächt werden und die Stadt Stuttgart ebenso wie das Land Baden-Württemberg sollen erpressbar gemacht werden. Herr Kretschmann, das dürfen Sie nicht zulassen! Das darf Ihre Regierung nicht zulassen.

Und vor allem darf Ihr Finanzminister Nils Schmid nicht den Handlanger der Bahn spielen, indem er voreilig einen Gestattungsvertrag unterschreibt, während die Bahn sich stur weigert, bei Kosten und Planung Transparenz herzustellen. Sogar die nächste Sitzungen des Lenkungskreises blockiert die Bahn, und Herr Grube wehrt sich mit Händen und Füßen, die wahren Kosten des Tunnelprojekts Stuttgart 21 offen zu legen.

Jetzt muss es erst einmal um die Pflichten der Bahn gehen. Solange die Bahn ihre Pflichten konsequent ignoriert, darf unsere Regierung, darf Nils Schmid kein einziges Faustpfand aus der Hand geben – auch keine Unterschrift unter den Gestattungsvertrag für den Schlossgarten.

Übrigens: Das Grundwassermanagement muss zuerst vollständig aufgebaut sein und eine lange Testphase erfolgreich bestehen, bevor die Bahn ernsthaft beginnen kann, im Schlossgarten eine Baugrube auszuheben. Darin sind sich die Experten einig und so steht es auch in den Planfeststellungsunterlagen. Bäume müssen zum jetzigen Zeitpunkt nicht gefällt werden, das muss selbst ein S21-Befürworter wie der Finanzminister erkennen.

Zudem wurde das Grundwassermanagement am vergangenen Freitag vom Verwaltungsgerichtshof Mannheim erst einmal auf Eis gelegt. D.h. vor der übernächsten Vegetationsperiode, also vor 2013, kann hier keine Baugrube für den Tunnelbahnhof gegraben werden, bei der unsere Bäume im Weg wären.

Es besteht also absolut keine Eile, den Schlossgarten abzuholzen, den Südflügel oder die Eisenbahndirektion auf der anderen Seite des Bahnhofs abzureißen. Wir sehen hier ausschließlich das Bestreben von Herrn Grube, Fakten zu schaffen, bevor er uns allen und Ihnen, Herr Kretschmann, die tatsächliche Rechnung präsentiert.

Dass der Kostendeckel von 4,5 Mrd. Euro nicht zu halten ist, wissen alle, vermutlich sogar unser Finanzminister Nils Schmid – nur die Bahn weigert sich beharrlich, genau dies zuzugeben.

Und auch technisch funktioniert das Projekt hinten und vorne nicht, das pfeifen die Spatzen doch schon lange von den Dächern. Wenn die Bahn so dringend bauen möchte, kann sie den seit anderthalb Jahren überfälligen Nesenbachdüker zwischen Katharinenstift und Planetarium in Angriff nehmen. Dafür braucht kein einziger Baum gefällt werden, es ist kein Südflügel im Weg, die Grundwasserabsenkung ist für den Bau des Dükers eher hinderlich und jeder Tag Verzögerung beim Nesenbachdüker verzögert tatsächlich das Gesamtprojekt Stuttgart 21.

Ginge es tatsächlich darum, das Tunnelprojekt Stuttgart 21 baulich vorwärts zu bringen, müsste die Bahn alle Kräfte in Bewegung setzen und den Düker bauen. Die geplante Zerstörung von Schlossgarten und Südflügel helfen beim Nesenbachdüker kein Jota weiter.

Deshalb müssen Sie, Herr Kretschmann, jetzt verhindern, dass die Bahn aus politischem Opportunismus den fünften Schritt vor dem ersten macht: Herr Ministerpräsident, ohne saubere Planung und ohne eine transparente Kostenrechnung dürfen Sie der Bahn keinen Freifahrschein für blinde Zerstörungswut ausstellen!

Mit dem notwendigen politischen Willen und Nachdruck ist es dann hoffentlich auch bei uns möglich, Projekt, auch große und komplexe Projekte erst zu beginnen, wenn sie vollständig und korrekt zu Ende geplant sind. So wie unsere schweizer Nachbarn es z.B. uns mit dem Gotthard-Basis-Tunnel vormachen: Vor gut einem Jahr konnte der damalige schweizer Bundesrat Moritz Leuenberger den Tunneldurchstich mit den Worten feiern: „Gestern wollten wir den Berg versetzen. Heute durchbohren wir ihn und schaffen den längsten Tunnel der Welt, zum Zeitpunkt, wie wir ihn planten, zu den Kosten, wie wir sie rechneten.“ Erst planen und rechnen, dann buddeln, Herr Kretschmann! Das muss auch in Stuttgart möglich sein – und zwar hier und jetzt und nicht erst beim nächsten oder übernächsten Projekt.

Ich werde nachher vor dem Neuen Schloss, wie schon letzte Woche, eine Postkarte an Nils Schmid schreiben und ihn auffordern, erst die Finanzen von Stuttgart 21 zu klären, statt vorschnell unseren Schlossgarten per Gestattungsvertrag abholzen zu lassen. Vielleicht bin ich heute Abend nicht der einzige, der das von ihm fordert. Ich bin mir sicher, dass diese Botschaft von uns Bürgern bei Nils Schmid ankommt. Ich erwarte, dass er im Sinne der Bürger und im Sinne der Landesinteressen handelt, dass er die Bäume stehen lässt.

Wessen Park? Unser Park! Oben bleiben!

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