Wer wird nächster Bundespräsident und Nachfolger von Christian Wulff? Eine wilde Spekulation.
Von Finanzminister Wolfgang Schäuble, bereits zweimal Innenminister, das erste Mal schon in den 80er Jahren in Westdeutschland, weiß man, das Macht, ergo Machtpolitik sein einziger Lebensinhalt, zudem Mittel und Zweck zugleich ist.
Kanzler, ob in Westdeutschland oder der Berliner Republik, wurde Wolfgang Schäuble nie. Schon sein ehemaliger Vorgesetzter und Pate Helmut Kohl hielt ihn klein und als „ewigen Nachfolger“ auf dem Abstellgleis. Später rettete ihn (und den Rest der CDU) zwar die passiv-verständnisvolle SPD aus der Spendenaffäre; doch die Kanzlerschaft erreichte er auch 2005 nicht. Dort saß schon Madame Alternativlos. Wieder reichte es, wie 1989 in der Bonner Republik, nur zum Amt des Innenministers.
Die Installation mehrerer Ämter, die er zusammen mit verbündeten Antidemokraten in aller Welt für die eigene Klientel (und damit natürlich auch potenziell für sich selbst) erschaffen wollte, scheiterte, wie die des „Präsidenten“ eines autoritären kontinentalen Zentralstaats über Mitteleuropa. Und 2004 suchten die Parteiführer von CDU, CSU und FDP solange die Dachböden der weltweiten Nomenklatura ab, bis sie endlich – in einer denkwürdigen, für mich unvergesslichen Pressekonferenz von Angela Merkel, Guido Westerwelle und Edmund Stoiber am 4.März 2004 – den bis zu diesem Tage amtierenden IWF-Direktor Horst Köhler ausbuddelten, welcher wiederum dieses Amt vorher durch SPD-Kanzler Gerhard Schröder und auf Empfehlung von SPD-ex-Kanzler Helmut Schmidt bekommen hatte.
Während der langen Monate der zunehmend ängstlichen Suche nach einer Alternative zu dem seit 1972 im Bundestag allgegenwärtigen Dossierbesitzer Du-weisst-schon-wer, hatten im Januar 2004 die verzweifelten „Nachdenkseiten“ zur Situation geschrieben: „Wolfgang Schäuble als Bundespräsident verhindert zu haben, wäre allein schon etwas wert“.
Zum Rücktritt Horst Köhlers, dem so plötzlichen Abgang von Roland Koch als einer Alternative zu Madame Alternativlos im Kanzleramt, sowie zu der anschließenden Nominierung von Christian Wulff schrieb ich am 3.Juni 2010 einen meiner üblichen, zum damaligen Zeitpunkt absolut hanebüchenden Artikel. Politik ist eben relativ. (Koch, Köhler, Wulff: Rückzug, Bauernopfer und Rochade der Nomenklatura)
Ich fürchte, der Nomenklatura könnte den quer durch Europa so grausig erfolgreichen, aber in seiner Strategie gegen die Berliner Republik und das Grundgesetz so grausig gescheiterten Geisterfahrer Wolfgang Schäuble irgendwie versuchen sanft zur Tür des Finanzministeriums heraus und die Einfahrt von Bellevue hoch zu schieben, als quasi alternativlose Absteige für betreute Amtsinhaber.
Zu Christian Wulff kann man noch sagen: wer mit den Mähdien mäht, muss eben aufpassen, daß er nicht selbst zum Rasen wird. Es läuft offensichtlich eine gezielte Kampagne gegen Wulff, die solange weiter gehen wird, bis er zurücktreten muss. Das Ganze wirkt wie eine Hinrichtung in Zeitlupe und die bizarren, gewohnt zynischen Äußerungen von Merkels Sprecher („Die Worte des Bundespräsidenten stehen für sich.“) und von Schäuble („Wir haben ein hohes Interesse daran, dass das Amt des Bundespräsidenten unbeschädigt bleibt“) zur Causa Wulff sind nun wirklich alles Mögliche gewesen, aber keine Hilfe für den Amtsinhaber. Das Gleiche gilt für Schäubles effektivsten Verbündeten in der Politik, SPD-Bundestagsfraktionsführer Frank-Walter Steinmeier.
Es bleibt abzuwarten, welchen neuen Scheinkandidaten / Scheinkandidatin die SPD diesmal aufstellen und welchen Präsidenten die Kader der CDU diesmal ernennen werden (die Parteien CSU und FDP sind dabei irrelevant und werden hinterher dackeln). Aber immerhin wird die Bundesversammlung ein gesellschaftliches Ereignis werden; wenn sie nicht am Abend vorher bei der großen Party wieder zu viel saufen, nicht wieder irgendwer raus twittert was eigentlich niemand wissen kann und sie bei den Fraktionsführungen die zu früh verteilten Blumensträuße nicht schnell wieder unter den Tischen verschwinden lassen müssen.
Die Hintergründe dieser Intrige gegen Wulff – der zeitlebens nie Mitleid zeigte, gegenüber nichts und gar keinem, und wie alle in der etablierten Oligarchie der Profi-Funktionäre nahm, was er nur kriegen konnte – werden auch diesmal Kapital und die Macht im Staate, nein, eher über den Staat sein. Wohlgemerkt: Kapital, nicht irgendwelche läppischen Hunderttausende von Euro oder einer von Dutzenden Anrufen führender Staats- und Parteifunktionäre, die Kai Diekmann jede Woche bekommt, allerdings ohne sie auszuplaudern.
Der Präsident muss jedes Gesetz unterschreiben. Tut er es nicht, tritt es nicht in Kraft. Das könnte einer der Hintergründe der Vorgänge um den alten, wie den neuen Bundespräsidenten der Republik sein.
20.10 Uhr
Ach, ich vergaß.
Nur der Bundespräsident als formelles Staatsoberhaupt kann das Parlament auflösen – nach Antrag durch den Kanzler / die Kanzlerin und mit Zustimmung des Bundesverfassungsgerichts, unter Bezug auf eine äußerst obskure verfassungsrechtliche Konstruktion. Zwei Kanzler haben dies bereits erfolgreich exekutiert, Helmut Kohl in Westdeutschland 1982 und Gerhard Schröder 2005.
Nur für den völlig unwahrscheinlichen Fall Madame Alternativlos wollte sich aufgrund wegbrechender FDP-Gefolgschaft zum dritten Mal zur mächtigsten Kanzlerin der Welt machen wollen. In einer neuen „großen“ Koalition.