Machtkampf um die Berliner Republik: Analyse und Hintergründe
Die Affäre um Bundespräsident Christian Wulff, die geplante „Datenschutz“-Verordnung der „Europäischen Union“, die geplante (selbst über der EU stehende) nichtstaatliche Finanzorganisation „Europäischer Stabilisierungsmechanismus“ ESM, die von Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy und der Kanzlerin von Deutschland Angela Merkel jahrzehntelang bekämpfte und nun angeblich geplante Finanzumsatzsteuer („Finanztransaktionssteuer“, Tobin-Steuer), sowie das anstehende Platzen der Bundesregierung und der Rauswurf der einzigen FDP-Ministerin (mitsamt irrelevanter Witze wie Philipp Rösler) ergeben einen Zusammenhang.
Am 4.Januar schrieb ich in einer möglichen Abfolge der Ereignisse nach dem Sturz des Präsidenten unter Punkt 5:
„5. Kanzlerin Merkel lässt die FDP solange quälen, bis die FDP die Koalition verlassen muss“
Derzeit passiert genau das. Merkel versucht, die von Anfang an ungewollte Koalition platzen zu lassen. Als Vehikel dient Merkel, in der ihr innewohnenden Gemeinheit, genau die ganz normale allgemeine Umsatzsteuer, die es zwar seit der Revolution gegen das Kaiserreich im Jahre 1918 auf Brötchen, aber immer noch nicht auf Börsengeschäfte gibt. Diese Finanzumsatzsteuer kündigten nun gestern der (in ein paar Monaten abgewählte) Sarkozy und die (nach Plan in ein paar Monaten durch die SPD-Bundestagsabgeordneten) wiedergewählte Merkel bei ihrem Treffen in Berlin an.
Kleiner Makel im Ablauf, aus Sicht der Operateure des besagten Plans: der Bundespräsident ist immer noch im Amt. Und die SPD-Kader sind nicht unisono der vielbeschworenen „Dynamik“, dem sagenhaften „Momentum“ für Neuwahlen hinterher, sondern – märchenhaft umschrieben – als flotte Häschen in einen Haufen Stachel gerannt. (8.Januar, Analyse: Das “Bild” des Präsidenten-Sturzes entfaltet sich exakt wie prognostiziert)
Wie alles Wichtige bekam die nicht naturbreite, sondern einfach breite deutsche Öffentlichkeit nicht mit, daß die SPD im Saarland über den Regierungswechsel durch die CDU informiert gewesen war, im Gegensatz zu deren Regierungsfreunden von Grünen und FDP. Dafür machte anschließend Noch-Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger wieder einmal das Einzige, was sie kann: rumsitzen und sich beklagen.
Das semantische Schmankerl „nicht naturbreit“ war übrigens eine kleine Anspielung auf meine These der biologischen Unschuldsvermutung auch für den Homo (Sapiens) dieser Region. Sie haben das, wie immer, nicht verstanden. Ich weiss das. Machen wir also weiter.
Was muss eigentlich passieren, damit ein Richter des Bundesverfassungsgerichts in der „Süddeutschen“ einen Artikel veröffentlichen darf (der aber nicht ins Internet gestellt wird), in dem der Verfassungshüter vor einem Angriff auf die Grundrechte der Deutschen durch die „Europäische Union“ warnt?
Ganz einfach: Die „Europäische Kommission“ versucht (mit Rückendeckung der einzig relevanten Regierungen innerhalb der EU, der in Berlin und Paris) die deutsche Verfassung offensiv anzugreifen und auszuhebeln.
Da die breite Öffentlichkeit auch das nicht versteht, sei es hier kurz erläutert: die EU hat nach dem Lissabon-Vertrag zwei Möglichkeiten durch Beschluss der zehn verschiedenen Ministerräte, oder gleich durch den obersten Regierungsrat der Kanzler und Präsidenten („EU-Gipfel“) Gesetze in ihren Mitgliedsländern zu erlassen bzw zu veranlassen. Der erste Weg sind die Verordnungen. Diese Verordnungen der EU-Räte werden sofort Gesetz in jedem EU-Mitgliedsland, ohne daß ein Parlament noch irgend etwas zu sagen hätte. Der zweite Weg ist die Direktive, die in Deutschland verschämt „Richtlinie“ genannt wird. Sie verpflichtet die EU-Mitgliedsstaaten dazu, die Vorgaben der Räte in eigene Gesetze umzusetzen.
Eine solche Direktive war die Vorratsdatenspeicherung. Was dann folgte, ist bekannt. Wem das nicht bekannt ist, soll es nachlesen.
Nun verfolgt die EU-Kommission, mit Rückendeckung von Merkel, Sarkozy (und nicht zuletzt ex-Innenminister Wolfgang Schäuble, der an der Erzwingung der Vorratsdatenspeicherung in Deutschland krachend scheiterte), eine neue, perfide Taktik. Sie nennt ihren neuen Versuch die Allgemeinheit für mögliche kommende Verbrechen Einzelner im voraus zu bestrafen nicht mehr Überwachung, sondern „Datenschutz“. Und sie versucht, im Auftrag der aus Berlin und Paris beherrschten EU-Regierungsräte nicht mehr in Form einer Direktive, sondern durch eine Verordnung durchzusetzen.
Damit sucht die EU-Kommision – und hinter ihr unsere eigene Regierung, bzw deren Funktionäre aus CDU und CSU – den offenen Machtkampf mit Karlsruhe und dem gesamtem Deutschen Volk, das mittlerweile, breit oder nicht, einen Hang zum Gedanken von Freiheit, Verfassung und Republik entwickelt hat. Daher der Artikel „Grundrechte in Gefahr“ von Verfassungsrichter Johannes Masing aus dem 1.Senat des Bundesverfassungsgerichts, den die „Süddeutsche“ nicht etwa ins Internet stellte, sondern mit gerade mal sechs Sätzen erwähnte.
Für die breite Öffentlichkeit: letztes und vorletztes Jahr kam es im Bundesverfassungsgericht zu einem ausgedehnten Wettbrüllen und der ersten Kampfabstimmung im deutschen Verfassungsgericht überhaupt. Die Richter des 1.Senats setzten sich gegen Verfassungsgerichtspräsident Andreas Vosskuhle und den 2.Senat durch. Hintergrund war der Versuch des von der SPD nach Karlsruhe entsandten verfassungsrechtlichen Auftragskillers Vosskuhle, nach 60 Jahren plötzlich zu entdecken, daß das Grundgesetz im Grunde auch ohne Änderung einen Militäreinsatz im Inneren ermögliche. Vosskuhle und der 2.Senat verloren, mit Schimpf und mit Schande. Genau deswegen verlor man in der naturbreiten Informationsindustrie, angeführt von Friede Springer und Liz Mohn, kein Wörtchen mehr über die Angelegenheit.
Kommen wir nun zum „Europäischen Stabilisierungsmechanismus“ ESM. Wer das immer noch nicht versteht: es geht bei diesem Lieblingsprojekt des Anführers der Antidemokraten, Wolfgang Schäuble, um die Schaffung einer nichtstaatlichen, transnationalen Organisation. Die „Europäische Union“, die „europäische Idee“, all das dient nur als Vehikel. Der ESM würde nicht einmal EU-Recht, sondern im Gegenteil keinerlei Recht mehr unterstehen, weil er wie der „Internationale Währungsfonds“ als „völkerrechtliche“ Institution geschaffen würde. Somit stünde der ESM über jedem Staat, der sich dieser Organisation unterwerfen, also den entsprechenden Vertag unterschreiben würde.
Genau das will Schäuble, wollen Merkel und Sarkozy mit ihren Truppenteilen um SPD-Abgeordnetenführer Frank-Walter Steinmeier und Grünen-Chef Cem Özdemir) nun bis diesen Sommer erzwingen. Irgendwie.
Nun kann sich jeder ausrechnen, was diese hohen Herren und Damen dafür zu tun bereit sind. Man muss sich einfach daran erinnern, was sie dafür schon getan haben, insbesondere mit denjenigen Demokratien in Europa, die sich selbst nicht so effektiv und entschlossen und erfolgreich verteidigen können wie wir.