Dokumentation: Die Rede von Conny Hüsgen vom Team Aussteiga am 9.Januar auf der 106. Montagsdemonstration gegen das urbane und verkehrsindustrielle Programm “Stuttgart 21″ (S21).
Wir haben uns heute hier versammelt, um weiterhin ein klares Zeichen zu setzen gegen Stuttgart 21. Erst einmal möchten wir Herrn Gall dazu gratulieren, dass er der Bahn vor der geplanten Parkräumung klare Auflagen gemacht hat. Und als die Bahn diesen nicht nachkam, die Konsequenzen gezogen hat, indem er die Räumung des Parks sowie den geplanten Polizeieinsatz zur Absicherung illegaler Baumfällungen absagte. Im Gegensatz zu seinem Amtsvorgänger erweist er sich als ein Politiker, der sich der Verantwortung seines Amtes bewusst ist, und dem Gesetze mehr gelten als die Interessen seiner Parteifreunde.
Leider soll der Südflügel dessen ungeachtet unter Polizeischutz partiell abgerissen werden. Dies halten wir aus drei Gründen für eine fatale Fehlentscheidung, und appellieren an Herrn Gall, folgendes zu bedenken:
Der Südflügel dient nachweislich Fledermäusen als Quartier. Diese stehen laut Bundesartenschutzverordnung und Bundesnaturschutzgesetz unter Artenschutz. Somit ist für uns nicht nachvollziehbar, weshalb der Südflügel nicht den gleichen Schutz genießen sollte wie die Bäume im Park.
Der Teilabriss des Südflügels ist derzeit für den Baufortschritt vollkommen irrelevant. Er dient dazu, eine Versorgungsstraße für die Baugrube im Schlossgarten zu bauen. Vorbedingung für das Ausheben der Baugrube ist aber wiederum, dass vorher das Grundwassermanagement ein Jahr gelaufen ist. Und wir reden hier von demjenigen Grundwassermanagement, welches noch nicht annähernd fertiggestellt ist und an dem zurzeit nicht weitergebaut werden darf. Folglich kann mit dem Ausheben der Baugrube im Laufe der kommenden Monate nicht begonnen werden, und in dieser Zeit wird auch kein Aushub anfallen, der über die geplante Versorgungsstraße abtransportiert werden müsste.
Analog wurden am Standort des ehemaligen Nordflügels seit dem Abriss vor über einem Jahr keine nennenswerten Bauarbeiten durchgeführt. Wer die Bahn AG und ihre Arbeitsweise kennt, wäre versucht, einfach eine grottenschlechte Projektplanung zu unterstellen. Dieser Schluss ist voreilig.
In Wahrheit verfolgt die Bahn ein klares Ziel mit der derzeit vollkommen unnützen Rückbau-Maßnahme am Südflügel: es ist eine Machtdemonstration mit dem Ziel, den Widerstand zu schwächen und einen Ausstieg aus dem Projekt unwahrscheinlicher zu machen. Wie bereits mit dem vollkommen überflüssigen Abriss des Nordflügels soll uns Gegnern vor Augen geführt werden: wir von der Bahn machen eh, was wir wollen – und Ihr könnt nur tatenlos zuschauen.
Außerdem hofft man drauf, dass die neutralen Bürger sagen „Jetzt ist eh schon so viel kaputt, da baut man am besten weiter“. Aber das zeigt uns nur: Herr Grube, der selbsternannte ehrenwerte hanseatische Kaufmann, kennt das schwäbische Naturell schlecht. So leicht zwingt man uns nicht in die Knie, wenn wir wissen, dass wir im Recht sind.
Der Abriss des Nordflügels mobilisierte letztendlich die Massen, mit einem Ergebnis, an das zu glauben keiner gewagt hätte: die CDU wurde nach 58 Jahren in der Regierung ABGEWÄHLT. Und auch ein Teilabriss des Südflügels wird uns und der Bewegung neue Energie verliehen! Wir sind mündige, verantwortungsbewusste Bürger, denen das Wohl ihrer Stadt und ihres Landes am Herzen liegt. Deshalb werden wir uns schützend vor den Südflügel stellen, sollte die Bahn diesen abreißen.
Wir werden friedlich und gewaltfrei, aber mit den Mitteln des zivilen Ungehorsams gegen diese sinnlose Machtdemonstration seitens der Bahn Widerstand leisten. Dabei lassen wir uns auch vom Containerknast auf dem Wasen nicht einschüchtern!
Oben bleiben, Köpfchen zeigen.