DER VERFALL DER “EUROPÄISCHEN UNION” (I) : Aufprall am Grundgesetz und radikaler Strategiewechsel
DER VERFALL DER “EUROPÄISCHEN UNION” (II) : Gänsemarsch der Tontauben
DER VERFALL DER “EUROPÄISCHEN UNION” (III) : Schicksalstag 9.November – Chronologie einer Zeitenwende
DER VERFALL DER “EUROPÄISCHEN UNION” (IV) : Sollen sie doch Geld drucken
DER VERFALL DER “EUROPÄISCHEN UNION” (V) : 9.Dezember – Der Große Bluff der “zwei Europas”
Wie beschrieben, war den international engmaschig vernetzen Banken und ihren neokonservativen und antidemokratischen Systemveränderern, welche seit 20 Jahren die „Europäische Idee“ als Beförderungsmittel und Tarnkappe für ihre eigenen Pläne genutzt hatten, im Sommer 2011 klar geworden, daß eine weitere Verschärfung des EU-Vertrags auf legalem Wege – der Ratifizierung in allen 27 Mitgliedsländern der 1992 gegründeten „Europäischen Union“ – nicht mehr möglich war. Als Alternative zur „Europäischen Union“ wurde das Konzept eines auf die Staaten im Euro-Währungsgebiet beschränkten „Kern-Europas“, einer „Föderation“ entwickelt, in der die noch existierenden parlamentarischen Demokratien der 17 „Euro-Länder“ verschwinden sollten.
Nur wie?
Als am 9. Dezember 2011 der Regierungsgipfel des „Europäischen Rates“ ohne Beschluss endete und durch das „Veto“ der unter großem innenpolitischen Druck stehenden Regierung Großbritanniens eine weitere Verschärfung des EU-Vertrags offiziell gescheitert war, wurden der verdutzten breiten Öffentlichkeit in Deutschland plötzlich „zwei Europas“ präsentiert. Im Rahmen des bereits vorbereiteten Plans eines „Kern-Europa“, „neuen Europa“ bzw „Europa der zwei Geschwindigkeiten“ sollte ein parallel zum EU-Vertrag geschaffener Euro-Vertrag, ein „Fiskalpakt“, aus 17 Demokratien im Währungsbereich des Euro-Finanzsystems einen eigenen Finanzstaat zusammenschmelzen.
Ein Bluff.
Schon vor dem EU-Gipfel hatte alle juristischen Dienste der EU-Kommission, der Frankfurter Zentralbank EZB, sowie des Sekretariats von EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy übereinstimmend geurteilt, daß ein dem EU-Vertrag zuwider laufender eigener Vertrag der 17 Staaten im Euro-Gebiet rechtlich unzulässig sei. Der eigentliche Hintergrund dieses Täuschungsmanövers war denn auch nicht etwa der von vorn herein illusorische Versuch über einen „Fiskalpakt“ quasi eine Parallelunion zur EU zu gründen, sondern schnellstmöglich die Installation des “Europäischen Stabilitätsmechanismus” voran zu treiben, sowie eigens auf den ESM und das Währungs- und Finanzsystem “Euro” zugeschnittene Verfassungsänderungen der souveränen europäischen Demokratien im Währungsgebiet zu erpressen.
Doch dazu durfte der Bluff der „zwei Europas“, der Bluff eines Parallel-Vertrages zur „Europäischen Union“ nicht auffliegen. Die Illusion musste gewahrt bleiben, unter allen Umständen.
Montag, 12. Dezember 2011:
An diesem Tag ist sich die breite Öffentlichkeit in Deutschland – neben allem anderen auch – u.a. vollkommen im Unklaren über die elementarsten Grundlagen eines Rechtssystems. Eine davon ist: wer zuerst kommt, mahlt zuerst. Ein Kaufvertrag ist ungültig, wenn bereits ein anderer geschlossen wurde (gilt z.B. auch für gekaufte Ehepartner).
Es existiert bereits der „Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union“, der das letzte Mal durch den Lissabon-Vertrag geändert wurde. Ein anderer Vertrag, der Punkten in diesem Vertrag zuwiderhandelt, kann also nicht geschlossen werden.
Wir verstehen: es wird keinen „Fiskalpakt“, keinen Euro-Vertrag geben, der dem rechtsgültigen EU-Vertrag widerspricht. Das ist eine Illusion. Jetzt verstanden? Ja? Dann weiter.
Ganz anders als die breite Öffentlichkeit in Deutschland, die allesamt in einem früheren Leben um einen Scheiterhaufen herum zu stehen und mit roter Fresse durch den Funkenflug „HAAAA!! SUCH DIR ERSTMAL MEHRHEITEN!!“ nach oben zu brüllen pflegte, begreifen die Notengeber der Finanzalchemisten an diesem Tag sehr wohl, daß nun alles auf Messers Schneide steht.
Um weiter Druck für eine „stärke Integration“ – sprich: den ESM und die essentiellen Verfassungsänderungen, im Nebel des „Fiskalpaktes“ – der Staaten mit Euro-Finanzsystem zu machen, droht „Moody´s“ mit einer Abwertung der Staaten im euro-kapitalistischen Einflussbereich durch die Ratingagenturen. Ähnliches hatte bereits vor dem Gipfel des 9.Dezembers S&P angedroht und zwar gegen 15 Staaten, eingeschlossen Deutschland. (1)
Am gleichen Tage der Drohung von Moody´s wird bekannt, daß die Frankfurter Zentralbank EZB in der Woche vor Gipfel des Regierungsrates ihre Staatsanleihen-Käufe drastisch zurückgefahren hat (2).
Derweil wird durch eine Umfrage deutlich, daß die relative Mehrheit der Staatsbürger Deutschland mit 46 zu 45 % der Meinung ist, ohne die „Europäische Union“ besser dran zu sein. Aber auch der (seit Sommer 2011 mehr oder weniger in aller Stille vorbereiteten) Alternative eines Euro-Staates, „Kern-Europa“ oder zentraleuropäischen Föderation, stehen die Deutschen ablehnend gegenüber: 44 % sind hinsichtlich der bereits erfolgten Abgabe von demokratischer Partizipation an die Brüsseler Räte und Kommissare für die Beibehaltung des Status Quo und 26 % wollen sogar mehr Rückübertragung von Kompetenzen an die „Nationalstaaten“, also Demokratien. Nur 28 % sind für eine „gemeinsame europäische Regierung“.
Interessantes Detail, noch vor weiteren kommenden Ereignissen: während an diesem 12.Dezember der designierte Präsident des EU-Parlaments, Martin Schulz (SPD), sogar ein Ausscheiden Großbritanniens aus der „Europäischen Union“ für möglich hält, spricht sich der Bundespräsident Christian Wulff ausdrücklich gegen einen solchen Schritt aus (3).
In Großbritannien selbst decken in einer Umfrage 62 Prozent die Entscheidung von Premier David Cameron, der von Berliner Kanzleramt und Finanzministerium plus Anhang geforderten Verschärfung des EU-Vertrags nicht zuzustimmen – ein „Veto“, das Cameron nur deshalb einlegte, weil er selbst durch die Abgeordneten seiner konservativen „Tories“ unter schwerem Druck gestanden hatte. Den „Tories“ wiederum machte die britische Bevölkerung Druck, die mittlerweile mehrheitlich (48 %) zu einen Austritt der britischen Monarchie aus der „Europäischen Union“ fordert. (4)
Während in der Online-Sparte „Telepolis“ des 1949 gegründeten Heise-Verlags an diesem Tag der Autor Jörg Räwel „Das Finanzsystem als Parasit des Wirtschaftssystems“ (5) korrekt umschreibt, aber die politischen Vorgänge nicht begreift, schreibt der Chefredakteur von „Telepolis“, Florian Rötzer, unter der Überschrift „Eurokrise stärkt Nationalismus“ zu den Umfrageergebnissen in Deutschland und Großbritannien folgendes (6):
„Gleichwohl muss man solche Umfrageergebnisse mit erheblicher Skepsis sehen, schnell mal seine Meinung anhand vorgegebener Schablonen abzusondern, ohne groß nachzudenken, ist schnell getan und im Verein mit anderen Antworten entstehen dadurch auch gerne Inkonsistenzen.“
Von allen in den Medien geparkten Propagandisten der neokonservativen Antidemokraten und „Föderalisten“ in Deutschland ist, meiner bescheidenen Meinung nach, Florian Rötzer einer der Vorsichtigsten und Geschicktesten. An diesem Tage aber ist ihm etwas anzumerken, an das er und seine scheinbar unantastbaren nachrichtlichen Brüder und Schwestern im Geiste sich noch gewöhnen werden müssen:
Angst.
Dienstag, 10. Januar 2012, gegen Abend:
Nach einem am 17.Dezember (7) und einem am 6.Januar (8) bekannt gewordenen Entwurf des „Fiskalpaktes“ haben Juristen des „Europäischen Rates“ und seines Präsidenten Herman Van Rompuy nun einen dritten Entwurf erstellt (9). Nach vielem Hin und Her beziehen sie in diesem wieder die Position, welche sie bereits vor dem Gipfel vom 9. Dezember zusammen mit den juristischen Diensten von EU-Kommission und EZB geäußert hatten: ein neuer, die (im EU-Vertrag bereits ausführlich geregelte) Währungsunion betreffende Vertrag der 17 Staaten mit Euro-Währungssystem ist unzulässig.
Zum Verhältnis des Euro-Vertrags / „Fiskalpaktes“ zur „Europäischen Union“ heisst es in Artikel 2 Absatz 2:
„Die Bestimmungen dieses Vertrags gelten, soweit sie mit den Verträgen vereinbar sind auf
denen die Union beruht und mit dem Recht der Europäischen Union. Sie dürfen nicht auf die Zuständigkeiten der Union übergreifen im Bereich der Wirtschaftsunion zu handeln.“
Darüber hinaus werden in dem Entwurf der Juristen des „Europäischen Rates“ alle Versuche aufgegeben, die parlamentarische Demokratie der Mitgliedsstaaten auszuhebeln und Verfassungsänderungen zu erzwingen. Stattdessen heisst es nun in Artikel 3 Absatz 2 zu den geplanten Bestimmungen, diese sollten in Kraft treten durch wiederum eigenstaatliche
„Bestimmungen der Verbindlichkeit und dauerhaften Charakter, vorzugsweise verfassungsrechtlich, die während der nationalen Haushaltsgesetzgebung garantiert zu beachten sind.“
Auch der EU-Kommission, EU-Parlament und Europäischem Gerichtshof (EuGH) versprochene Machtzuwachs löst sich in Luft auf. Dem EU-Parlament wird, entsprechend dem rechtsgültigen EU-Vertrag, lediglich das gleiche Recht auf „Diskussion“ mit den Entscheidern zugesagt, was das EU-Parlament selbst in drei Jahrzehnten Existenz widerstandslos und passiv akzeptiert hat. Und zu der versprochenen „Finanzregierung“ oder „Wirtschaftsregierung“ der EU-Kommission über die Mitgliedsländer heisst es in Artikel 2 Absatz 3, diese könne lediglich „Vorschläge“ („proposals“) über die Haushalte der Staaten im Euro-Währungsgebiet vorlegen.
„Diese achten strikt die Zuständigkeiten der nationalen Parlamente.“
Auch der anfangs in Erwägung gezogene automatische Strafprozess vor dem EuGH gegen „Schuldensünder“ des 21.Jahrhunderts – einen Begriff, den gerade die evangelikalen Verrückten und seelisch Kranken in „Spiegel“-Redaktion Springer-Presse seit Jahren als ihren Lieblingsfetisch entdeckt haben – verschwindet leise in der Versenkung. Auch die verhinderten Inquisitoren der EU-Kommission lesen an diesem Dienstag Abend mit Schmerzen den Entwurf.
Überhaupt lassen mit diesem Entwurf die EU-Juristen auch die letzten Machtphantasien einer Generation von verwöhnten Kontrollfreaks platzen, welche überall in Europa, mit Hilfe der Banken und Kapitalgesellschaften, ihre protegierten Lebensläufe, Karrieren und leistungslosen Privilegien auf nunmehr bald 20 Jahre Existenz der „Europäischen Union“ aufbauen konnten, während die überwältigende Mehrheit in allen EU-Mitgliedsländern sich wunderte, warum es ihnen immer schlechter ging.
An diesem Dienstag Abend platzt nun endgültig der Bluff einer Parallelunion zur EU. Der „Fiskalpakt“ entpuppt sich als das, als was alle EU-Juristen ihn schon vor dem EU-Gipfel am 9. Dezember beschrieben hatten: als eine “politische Absichtserklärung” ohne “rechtsverbindlichen Charakter”.
Die Reaktion ist dementsprechend panisch. Nicht nur das Berliner Kanzleramt von Dr. Merkel zeigt sich über die „Verwässerung“ des „Fiskalpaktes“ empört. Drei Tage später wertet die Ratingagentur Standard and Poor´s (S&P) in einem offensichtlich mit der Regierung Deutschlands abgesprochenen Schritt neun europäische Staaten ab.
DER VERFALL DER “EUROPÄISCHEN UNION” (VII): Die Betrogenen der Betrüger – Das “EU-Parlament”
(…)
Quellen:
(1) http://de.reuters.com/article/topNews/idDEBEE7BB02420111212
(2) http://de.reuters.com/article/economicsNews/idDEBEE7BB09V20111212
(3) http://www.bild.de/politik/inland/europaeische-union/euro-krise-umfrage-zum-gipfeltreffen-bruessel-21501416.bild.html
(4) http://blogs.dailymail.com/donsurber/archives/47694
(5) http://www.heise.de/tp/artikel/35/35933/1.html
(6) http://www.heise.de/tp/blogs/8/151013
(7) http://blog.markusgaertner.com/2011/12/17/vertragstext-fur-die-neue-fiskalunion/
(8) http://www.telegraph.co.uk/finance/8997665/Fiscal-Compact-Draft-2.html
(9) http://www.radio-utopie.de/wp-content/uploads/2012/01/Entwurf-Fiskalpakt-10_Januar_2012.pdf