Denkersäule Diepgen erliegt einer preußisch-kaiserlichen Fantasmagorie

Im „Tagesspiegel“ sagt Heiner Geißler: „Die Siegessäule ist das dümmste Monument der Republik“ und nennt das Denkmal ein Symbol für Militarismus und Nationalismus. Auftritt Eberhard Diepgen.

Der zweitschlechteste Bürgermeister Berlins nach Klaus Wowereit, der es in über 11 Jahren dank SPD und PDS/Linkspartei geschafft hat daß jedes dritte Kind der Hauptstadt sein Leben in Armut beginnt, sagt nun zu den Worten Geißlers folgendes:

Es gehört zur deutschen Geschichte, dass der ‚späte’ Nationalstaat immer gegen den Widerstand der Nachbarn durchgesetzt werden musste. Geschichte kann man nicht nach den Träumen von heute, sondern nur in ihrer Zeit begreifen. Und zur deutschen Geschichte gehört mehr als das vergangene Jahrhundert.“

Was den letzten Satz angeht: einverstanden. Lassen wir das verdammte 20. Jahrhundert mal beiseite. Auch über die (Blüten?)Träume von heute, in Deutschland, in Europa, breiten wir ausnahmsweise mal den Mantel des Schweigens. Konzentrieren wir uns auf den ersten Satz Diepgens, der eine bis heute in jedem Geschichtsunterricht vorhandene Lücke repräsentiert: das Wissen um die deutsche Geschichte.

Die Siegessäule repräsentiert ausdrücklich den Sieg des preussischen Königreiches bei dessen Eroberung der anderen deutschen Kleinstaaten von 1866 bis 1870. Der Widerstand gegen den “späten” Nationalstaat, gegen das 1871 von Preussen ausgerufene Kaiserreich, das “Zweite Reich”, wurde also gegen den Widerstand der Nachbarn im Königreich Sachsen, Königreich Bayern, Königreich Hannover, Königreich Württemberg, Großherzogtum Hessen, das Großherzogtum Baden, Herzogtum Sachsen-Meiningen, Großherzogtum Hessen und nicht zuletzt im Kaiserreich Österreich/Ungarn durchgesetzt, damals allesamt im „Deutschen Bund“.

Und wer jetzt wieder mit den Franzosen ankommt: die hatten sich nach der Niederlage des französischen Kaisers im Krieg gegen das preussischen Königreich nun gegen ihre durchlauchtigsten Herrschaften erhoben. Auch das Kapitel Pariser Commune kennt heute kaum noch jemand. Frankreich stand haarscharf vor der Revolution zu einer, wie auch immer ausgerichteten, „sozialistischen“ Republik.

Wer schlug den Aufstand der Franzosen gegen ihr Kaiserreich in Wirklichkeit nieder? Die preussisch-kaiserlichen, oh Verzeihung, holterdipolter deutschen Militärs, die nun ihren monarchistischen Söldnerkollegen des französischen Königshauses zu Hilfe kamen, die sie eben grade noch bekämpft hatten. Im deutschsprachigen Wikipedia herrscht dazu wieder einmal der Bin Nach Denken.

Die Siegessäule ist das Symbol des späten Sieges der Tyrannei über die Republik, die alle Deutschen, Österreicher, Tschechen, Ungarn, im Vielvölkergebilde des „Deutschen Bundes“ in ihrer Revolution 1848 versucht hatten durchzusetzen. Und nicht nur dort. Überall in Europa erhoben sich die Völker gegen ihre Tyrannen. Ziel waren Verfassung, Republik, Demokratie (und ganz bestimmt kein autoritäres zentrales Gebilde über ganze Europa). Das zeitgleich in der Monarchie Großbritannien veröffentlichte „Kommunistische Manifest“ kannte niemand und spielte keine Rolle.

Die Siegessäule markiert ebenso den Triumph in einem blutigen Bürger- und Identitätskrieg Deutschlands, das sich seitdem verloren hat und gerade jetzt, in der zweiten Republik, sich mühsam wiederfinden kann. Sicher ist die Siegessäule heute auch ein Symbol des deutschen Nationalismus und Militarismus. Aber aus welch epischem Missverständnis, aus welch gigantischer Geschichtsfälschung, aus welch geistiger Knechtschaft dieser „deutsche“ Nationalismus und Militarismus überhaupt einmal entstanden ist, das muss dem Staatsvolk der Berliner Republik erst noch bewusst werden.

Und sich dabei von Staatsdienern, Staatsparteien oder deren Funktionären Ratschlag, Hilfe oder Aufklärung zu erwarten, die allesamt in autoritärer und totalitärer Tradition von drei Diktaturen der letzten 141 Jahre stehen, das ist ein Antagonismus.

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