CDU plant Verkehr der Zukunft lieber ohne Bürger
Parkschützer: Was Schieneninfrastruktur leisten muss
Stuttgart: Bundesverkehrsminister Ramsauer kommt heute zu einer Fachkonferenz zum Thema Verkehr nach Reutlingen. Zahlreiche interessierte Bürger hatten sich angemeldet, wurden aber von der CDU wieder ausgeladen. Die Parkschützer haben konkrete Anforderungen für den Schienenverkehr der Zukunft formuliert (siehe nächste Seite), die Bundesverkehrsminister Ramsauer beherzigen sollte, damit es auch in Deutschland endlich wieder erfolgreiche (Groß-)Projekte geben kann.
Die ausgeladenen Bürger werden den Bundesverkehrsminister mit einer Demo beehren.
„Ein Projekt kann nur gelingen, wenn die Anforderungen klar sind, das lernt jeder Ingenieur“, sagt Dr. Carola Eckstein, Parkschützerin und Mitglied der Ingenieure22. „Aber unsere Politiker zäumen das Pferd lieber von hinten auf: Statt zu überlegen, wie die Bedürfnisse der Bürger und die Erfordernisse der Wirtschaft möglichst gut und effizient bedient werden können, planen die Herren lieber großklotzig und vermeintlich prestigeträchtig. Was wir eigentlich brauchen, wird bestenfalls nachträglich diskutiert. Um die Planung öffentlicher Verkehrsinfrastruktur endlich wieder vom Kopf auf die Füße zu stellen, haben wir Bürger unsere wichtigsten Anforderungen an den Schienenverkehr der Zukunft zusammengefasst. Das sollte Bundesverkehrsminister Ramsauer beherzigen, denn es ist seine Aufgabe und Pflicht, für zukunftsfähige öffentliche Verkehrsinfrastruktur in ganz Deutschland zu sorgen.“
Anforderungen der Bürger an Schienenverkehr
Der Bau von Bahninfrastruktur ist kein Selbstzweck, darf kein Selbstzweck sein – zumal, wenn es um sehr teure Infrastruktur geht. Wie bei jedem anderen Projekt auch, müssen zunächst Anforderungen definiert und diskutiert werden. Über die beste und sinnvollste Realisierung kann erst dann sachlich fundiert entschieden werden, wenn klar benannt ist, welche Ziele mit der (neuen) Infrastruktur erreicht werden sollen und eine breite Mehrheit hinter diesen Zielen steht.
Egal wie die technische Umsetzung am Ende aussieht, folgende Anforderungen müssen erfüllt werden:
ITF – für gute Verbindungen im ländlichen Raum
Nach übereinstimmender Ansicht der Bundesregierung, vieler Landesregierungen, des Bahn-Aufsichtsrates und der Fahrgastverbände ist der integrale Taktfahrplan das günstigste Betriebskonzept. Beim integralen Taktfahrplan funktionieren die Anschlüsse. Das ist vor allem dort wichtig, wo insgesamt wenig Züge fahren und sich Reisezeiten durch lange Wartezeiten beim Umsteigen unverhältnismäßig verlängern können.
Mit nur acht Gleisen würde Stuttgart 21 den Integralen Taktfahrplan für den gesamten süddeutschen Raum unmöglich machen. Schlimmer noch, mit Stuttgart 21 könnte weder der Drei-Löwen-Takt weitergeführt werden, noch der überaus erfolgreiche Bayern-Takt.
Sicherheit und Barrierefreiheit – damit auch weniger mobile Menschen zum Zug kommen
Ein neuer Bahnhof muss den neuesten Sicherheitsstandards genügen. Selbiges gilt für neue Bahnstrecken und insbesondere Tunnels. Wir müssen aus vergangenen Unglücken lernen und wir müssen berücksichtigen, dass unsere Gesellschaft altert. Ein neuer Bahnhof muss auch für weniger mobile Menschen praktisch, komfortabel und ungefährlich sein.
Barrierefreie Fluchtwege, obwohl im Schlichterspruch gefordert, sind bei Stuttgart 21 nicht vorgesehen.
Energieeffizienz – damit Mobilität nicht zum Luxusgut wird
Wir alle wollen den Atomausstieg. Gleichzeitig darf Mobilität nicht wegen eines überhöhten Energiebedarfs zum teuren Luxusgut werden. Deshalb muss Bahninfrastruktur so gebaut werden, dass sie den Energieverbrauch des Bahnverkehrs minimiert.
Mit Stuttgart 21 und der geplanten Neubaustrecke Wendlingen-Ulm würde sich z.B. der Energiebedarf für eine Fahrt von Stuttgart nach Ulm mehr als verdoppeln. Das wollen wir uns nicht leisten, denn es bringt den Fahrgästen keinen Vorteil, wenn der Zug aufgrund von Tunnelbahnhof und Streckenführung besonders viel Strom verbraucht. Im Gegenteil: Gerade enge Bahntunnel treiben den Energiebedarf enorm in die Höhe und schmälern gleichzeitig den Reisekomfort.
Die Belange der Stadt – kulturelle, ökologische und soziale Anforderungen
Ein Bahnhof ist Teil einer Stadt. Als Teil der Stadt muss der Bahnhof auch den kulturellen, ökologischen und sozialen Anforderungen seines urbanen Umfeldes Rechnung tragen. Gesellschaftliche und ökonomische Bedürfnisse der Stadtentwicklung müssen klar benannt und berücksichtigt werden.
Nutzen – durch neue, teure Infrastruktur muss ein echter Mehrwert entstehen
Steuergelder dürfen nicht verschwendet werden. Wenn auf Staatskosten etwas gebaut wird, so muss dadurch ein echter Mehrwert für die Gesellschaft entstehen. Alle möglichen Alternativen müssen geprüft werden. Auf der Grundlage belastbarer, öffentlich einsehbarer und transparenter Kostenrechnungen muss eine Nutzen-Kosten-Analyse gemacht werden. Da Kostensteigerungen nie ausgeschlossen werden können, muss der zu erwartende Nutzen die veranschlagten Kosten deutlich übersteigen.
Der bestehende Stuttgarter Kopfbahnhof ist nachweislich leistungsfähiger als der geplante Tunnelbahnhof Stuttgart 21.