11.Juni 2010, Teil I: Die Vier Zonen der Ökonomie
15.Juli 2010, Teil II: Zuordnung der Vier Zonen der Ökonomie zu den kulturellen Räumen
Die Zerstörung des Staates Griechenlands und seiner Gesellschaft durch vermeintlich „pro-europäische“ Kräfte setzt sich fort. Laut einer aktuellen Umfrage haben in der griechischen Republik bereits 93 Prozent ihre Ausgaben für Essen, Bekleidung und alltägliche Ausgaben (Theater, Kino-Besuche, Reisen, usw) „drastisch reduziert“. Bereits seit vier Jahren schrumpft die Volkswirtschaft. 90 Prozent sehen kein Ende der Rezession. 33 Prozent haben fast keine, 500.000 Menschen überhaupt keine Geldmittel mehr, auch nicht aus staatlicher Unterstützung oder Sozialsystemen. Bereits 15.000 Menschen übernachten derzeit obdachlos irgendwo im Freien. Die Arbeitslosigkeit bei Griechen unter 25 Jahren liegt nahe 50 Prozent. In griechischen Medien wird zunehmend von unterernährten Kindern berichtet, die in der Schule entkräftet zusammenbrechen. An den Schulen der Arbeiterviertel werden Lebensmittelkarten ausgegeben. Die Orthodoxe christliche Kirche, die 30.000 kostenlose Essen am Tag ausgibt, während 250.000 Menschen auf Mahlzeitenhilfe der Kirche und Hilfsorganisationen angewiesen sind, muss den Betrieb eines ihrer Radiosenders einstellen, weil ihr die Mittel ausgehen. Aus Geldmangel ist die Hälfte aller Wohnblocks in den Arbeitervierteln Athens und Piräus, wie Patissia, Kypseli, Agios Panteleimon, Keratsini, Drapetsona und Sepoli, in diesem Winter nicht mehr beheizt. Benzin kostet fast 10 Dollar pro Gallone (ungefähr 4.5 Liter), nachdem der Preis allein in 2010 bereits um 50 Prozent gestiegen war. Die Zahl der Einlieferungen in die Notaufnahmen der Krankenhäuser ist um 25 Prozent gestiegen, die Budgets der Krankenhäuser wurden um 40 Prozent gekürzt. Die Zahl der Gewaltverbrechen hat sich verdoppelt, die Selbstmordrate, explizit bei Familienvätern, ist um 40 Prozent gestiegen, eine halbe Million Menschen sind bereits aus dem Land geflüchtet. Eine Million von insgesamt 11 Millionen Griechen kann nach eigenen Angaben eine erneute Verdoppelung der Grundsteuer, die auf die Stromrechnung umgelegt werden soll, nicht mehr verkraften und ist von einem Stopp der Stromversorgung bedroht. Selbst in der Hauptstadt Athen hat jedes fünfte Geschäft bereits geschlossen. Sozialsysteme und Gesellschaftsleben brechen zusammen, der gesamte Vorstand der griechischen Kulturstiftung ist zurückgetreten.
Dabei haben sich die letzten Armutsgesetze der vom Frankfurter Währungsdiktator EZB, der Berliner Regierung, dem Washingtoner „Internationalen Währungsfonds“ IWF und EU-Kommissaren eingesetzten Technokraten und Banker an der „Übergangsregierung“ noch nicht einmal richtig ausgewirkt, von den geplanten neuen Diktaten ganz zu schweigen.
Was in Deutschland die wenigsten wissen: bereits auf dem Gipfel der Brüsseler Räte am 16. Februar 2010 übernahmen die Zentralorgane des Staatenbundes „Europäische Union“, 18 Jahre nach seiner Gründung, zum ersten Mal die vollständige finanzielle Kontrolle über ein Mitgliedsland und stellten Griechenlands Haushalt unter Zwangsverwaltung. (7.Mai 2010, DIE GRIECHENLAND-KRISE (IV): Machtergreifung einer neuen kapitalistischen Sowjetunion)
Der Kontrollprozess über Griechenland wurde seit Frühjahr 2010 Schritt für Schritt eskaliert. Mit einem auf Druck der Kapitalgesellschaften und ihrer ausführenden Organe, der Regierung Deutschlands, der Frankfurter Zentralbank EZB, der EU, sowie dem neu hinzugekommenen IWF, am 29. Juni 2011 in Athen vollzogenem Staatsstreich wurde ein weiterer fundamentaler Schritt in die endgültige Zerstörung des griechischen Staates vollzogen. Griechenland gab die Hoheit über die eigenen Finanzen nun auch offiziell ab.
Der letzte Schritt, die offizielle Auflösung des Staates Griechenland und den Sturz der Verfassung, fehlte bislang. Genau das soll sich nach Plänen der „Pro-Europäer“ und „Föderalisten“ ändern. Seitens der finanzextremistischen Berliner Regierungspartei FDP wurde bereits die Forderung erhoben, den gesamten Staat Griechenland „umzubenennen“ (Teile der extremistischen Presse halten sich bereits daran und benutzen für die griechische Republik den Terminus „Hellas“) und eine neue Verfassung zu installieren. Die Forderung wurde von Jorgos Chatzimarkakis erhoben, der im typischen Zynismus der „pro-europäischen“ Menschenschinder genau die „Weimarer Verhältnisse“ zum Anlass seiner staatsfeindlichen und putschistischen Äußerungen („Das jetzige System muss komplett zerfallen und gegen ein neues ersetzt werden“) nahm, die seine Klientel selbst verursacht hatte.
Ebenso propagieren neokonservative Antidemokraten auch in vermeintlich progressiven Medien den Putsch gegen die Demokratien Europas, um als vermeintlich alternativloser antidemokratischer und entstaatlichter Block „wettbewerbsfähig“ mit souveränen Staaten zu sein, die über eigene Währungs- und Finansysteme verfügen, wie Brasilien, Südkorea, Indien oder China. Rudolf Maresch in „Telepolis“, einer Plattform des Heise-Verlags:
„Der Chef des chinesischen Staatsfonds CIC forderte die Europäer obendrein noch auf, ihr Haus erst mal selbst in Ordnung zu bringen, bevor man bei anderen um Kapitalspritzen nachsucht. Schließlich erinnerte er sie auch noch an ihren aufgeblähten Wohlfahrtsstaat, der die Leute zu „Faulheit und Trägheit“ ermuntere, statt sie so lang und so hart arbeiten zu lassen wie die Chinesen. Auch wenn die meisten hierzulande solche Worte als Beleidigung auffassen werden, und in der Tat empfand so mancher Kommentator diese Äußerung gar als persönlichen Angriff.., so untermauern diverse Zahlen und Statistiken doch derlei Ansichten.„
Griechenland ist erstes Opfer diese kollaborativen Modells von Wall Street und chinesischer Lösung. Bereits unmittelbar nach Amtsantritt verhandelte im November 2009 die griechische Pasok-Regierung unter Premierminister Giorgos Papandreou mit einer Delegation von Goldman Sachs, unter persönlicher Führung von dessen Präsidenten Gary Cohn in Athen. Dieser trat als Vermittler Chinas auf, das einen “strategischen Anteil” der “National Bank of Greece” (NGB) aufkaufen wollte. (26. März 2010, DIE GRIECHENLAND-KRISE: Goldman Sachs und das China-Syndrom)
Von Anfang an war die Machtergreifung eines entdemokratisierten und entstaatlichten Blocks über große Teile Europas Teil einer gemeinsamen geostrategischen Agenda kapitalistisch und neokapitalistisch getriebener Gilden und Interessengruppen.
Die vor allem im weltweiten Währungs- und Finanzzentrum der USA sitzenden „Entscheider“, mit ihrer selbst beschworenen „Neuen Weltordnung“ bzw „Weltfinanzordnung“, sahen spätestens ab 2003, nach der Weigerung sich an der Irak-Invasion zu beteiligen, das Alte Europa und seine lebendigen Demokratien als Gefahr und versuchten seitdem zielgerichtet diese zu beseitigen. Interessengegensätze zwischen den Machtblöcken China und Indien wurden hintenan gestellt, man einigte sich in der Mitte. Fortan galten Europa und seine Demokratien nur noch als Konkursmasse der „Alten Weltordnung“, die es unter sich aufzuteilen galt.
Teil des Deals: das endgültige Ende der real existierenden sozialdemokratischen, linken und sozialistischen Parteien in Europa und darüber hinaus. Mit deren Kadern in der „Sozialistischen Internationale“, mit ihrem späteren Vorsitzenden Giorgos Papandreou, einigte man sich. Ihnen versprach man „Europa“ als fette Beute, zusammen gezwungen in einer im Weltlabor aus autoritären Thesen zusammengemixten neuen Synthese, eines „Kapitalismus 4.0“, wie es der finanzimperialistische Stratege Anatole Kaletsky beschreibt.
Der Amtsantritt Angela Merkels in Deutschland 2005, mit Hilfe der bereits degenerierten SPD, der in 2007 folgende Amtsantritt von Nicolas Sarkozy in Frankreich, für den Segolene Royal durch die eigene „Sozialistische Partei“ und ihren damaligen Ehemann Francois Hollande hilfreich aus dem Weg sabotiert wurde, sowie der Amtsantritt von Dmitri Medwedew in Russland 2008, markierten nicht nur das Ende eines zeitweiligen Gegengewichts gegen den us-amerikanisch-britischen Imperialismus und seiner in Europa bis heute tabuisierten Feldzüge und Eroberungskriege (irrationale Propaganda inklusive). Mit diesen Amtsantritten vollzog sich auch der brutalstmögliche Verrat an der Europäischen Idee.
Statt eines demokratischen Europas – und das heisst immer: ein Europa der souveränen Demokratien – organisierten die nun neu zusammen gesetzten Regierungsräte in Brüssel einen Putsch von oben. Nacheinander wurden alle verfassungsmäßigen Rechte alle Bürger in allen EU-Mitgliedsländern systematisch, systemisch zersetzt, gebrochen, ignoriert, umgangen oder nach Möglichkeit abgeschafft. Gleichzeitig wurde die bereits voran gegangene systematische Enteignung der Menschen im Machtbereich der „Europäischen Union“ eskaliert, insbesondere im neuen Währungsgebiet „Euro“. Der widerstandslos von allen vermeintlich linken oder sozialen Organisationen akzeptierte brutale Sozialraub durch die Hartz IV-Gesetze in Deutschland, der heute nach allgemein akzeptierter Auffassung als eine Ursache der Staatskrisen in Europa gilt, wurde Vorbild für das, was danach kam.
Allen voran in diesem Putsch marschierten sämtliche Unterparteien der „Sozialdemokratischen Partei Europas“ SPE/PES, wie die SPD in Deutschland und die SPÖ in Österreich, sowie alle Unterparteien der „Europäischen Volkspartei“ EVP, wie CDU und CSU in Deutschland und ÖVP in Österreich. Und Seit an Seit mit dabei: die „Europäische Liberale, Demokratische und Reformpartei“ ELDR, mit ihrer Unterpartei FDP, die „Europäische Grüne Partei“ mit deren Unterpartei Bündnis 90/Die Grünen und natürlich die „Europäische Linke“, mit ihrer ganz besonderen Unterunterpartei in Deutschland.
Ebenfalls eine zentrale Rolle in diesem kalten, geostrategischen Putsch spielten die Einheitsgewerkschaften, allen voran natürlich der „Deutsche Gewerkschaftsbund“ DGB. Nicht umsonst ist deren Vorsitzender auch der Vorsitzende des „Internationalen Gewerkschaftsbundes“ IGB.
Ökonomisches Konzept ist hierbei die Kontrollgewinnung über möglichst viele Volkswirtschaften in Europa, die Schaffung einer Einheitszone und nachfolgend die strategische Absenkung aller Löhne und Sozialstandards auf möglichst niedriges Niveau, um von China im Zuge dessen Aufstiegs zur Tributzone des Währungszentrums USA die Rolle der Handelszone zu übernehmen. Soll heissen: niedrige Währung, niedrige Löhne, niedrige Standards, ergo niedrige Produktionskosten im weltweiten „Wettbewerb“, maximale Gewinne für die exportierenden Konzerne und Handelskammern bei Verkauf bzw Lieferung in Währungszentrum und Tributzone. Der Zusammenbruch der Binnennachfrage wird hierbei gezielt in Kauf genommen und ist Teil des Konzepts.
Diese Aufteilung der Welt in Vier Zonen der Ökonomie basiert darauf, dass das nichtstaatliche, durch keinerlei Verträge oder Gesetzgebung eingeschränkte weltweite Interbankensystem des Kapitalismus, basierend auf dem seit dem Römischen Imperium entstandenen Gewohnheitsrecht „Lex Mercatoria“, unantastbar bleibt.
Was in Griechenland passiert, ist ein seit Inkrafttreten des Lissabon-Vertrages Dezember 2009 in Zeitlupe ablaufender Staatsstreich, der reihum durch die Demokratien Europas gehen soll, wie die Pest des Mittelalters. Er soll zerstören, er soll lähmen, er soll Freiräume schaffen, rechtsfreie Räume, in denen dann das Zweite Paradoxon Feudalismus, die Herrschaft einer verschwindend kleinen reichen Minderheit über eine durch das Dritte Paradoxon Hierarchie und Stände gelähmte Mehrheit, mit den neuen Technologien der Bevölkerungskontrolle im 21. Jahrhundert perfektioniert und ein neues, dunkles Zeitalter einläuten soll.
Der Putsch gegen die Demokratie, die direkte und durch verfassungsmäßige Rechte garantierte Volksherrschaft, ist ein Putsch gegen das Volk selbst. Ein Volk Europas gibt es nicht. Eine Solidarität der europäischen Völker gegen die Ausbeuter und Regenten ihrer Demokratien aber, die gibt es sehr wohl. Und das werden die Menschenschinder in Berlin, in Athen, in Paris, in Wien, in allen europäischen Hauptstädten und darüber hinaus sehr bald merken.
13.August 2012, Teil 4: China vor Abwertung der Währung – Ein Weltfinanz-Deal ist geplatzt