GRIECHENLAND TICKER: Unterwerfung im Parlament, Destabilisierung der Junta
10. Februar, Tag 1 im Sozialen Aufstand
Ticker zur Situation der Republik Griechenland am Sonntag, 12. Februar.
Heute werden sich in Athen im Kern zwei Dinge abspielen: zuerst einmal wird sich das Parlament in Athen dem Diktat des internationalen Finanzkartells, den „Geldgebern“ unterwerfen. Neben dem Währungsdiktator in Frankfurt haben für deren Seite in allererster Linie die Kanzlerin von Deutschland, Angela Merkel, und Finanzminister Wolfgang Schäuble die faktische Funktion von Sprechern und ausführendem Organ unternommen („Vertrauen der Finanzmärkte“, „wir müssen“, etc). EU-Kommissare, IWF, etc, spielen eine Nebenrolle.
Untergeordnetes Organ von EZB und Berliner Regierung, samt der sie in Fragen des Euro-Systems bedingungslos stützenden Parteien CDU, CSU, FDP, SPD, Bündnis 90/Die Grünen (die Linkspartei macht Anstalten ihren pro-euro-kapitalistischen Kurs zu verlassen): die eingesetzte Finanz-Junta in Athen.
Diese „Übergangsregierung“, angeführt vom ex-EZB-Virepräsidenten Loukas Papademos, wird zur Zeit noch gestützt durch die „Sozialistische Internationale“ mit ihrem Vorsitzenden Giorgos Papandreou, ebenfalls Vorsitzender der „Panellinio Sosialistiko Kinima“ (Pasok), die wiederum Ableger der Einheitspartei „Sozialdemokratische Partei Europas“ SPE/PSE ist, sowie durch die Einheitspartei der „Konservativen“ in Europa, der „Europäischen Volkspartei“ EVP, deren Ableger in Deutschland CDU und CSU und in Griechenland die „Nea Dimokratia“ (ND) sind.
Pasok und ND also stützen noch die Athener Junta, die nationalistische LAOS ist bereits weggebrochen. Mehrere Minister der „Übergangsregierung“ sind bereits am Freitag zurückgetreten. Freitag Nacht hat das verbleibende Kabinett von Papademos das Diktat unterschrieben. Am gestrigen Samstag, dem zweiten Tag des Generalstreiks, haben ND-Führer Andonis Samaras und Pasok-Führer Papandreou versucht mit allen Mitteln ihre Abgeordneten auf Kurs zu halten und entsprechend zu erpressen. Die (euro)-kapitalistische antidemokratische Presse in Deutschland lancierte entsprechend martialische Durchhalteparolen und versuchte auch noch die Parlamente in Griechenland und Deutschland (der Bundestag soll sich am 27. Februar dem eigenen Anteil am Finanzdiktat unterwerfen) zu Gegnern zu machen.
Um die real existierenden Machtverhältnisse mit der derzeit im griechischen Parlament noch existierenden willigen Mehrheit für die Finanzdiktatoren zu vergleichen, hier ein Beispiel: die Pasok verfügte nach den Wahlen im Oktober 2009 über 160 Sitze, die ND über 91. Mittlerweile verfügen beide zusammen noch über 236 Abgeordnete, haben also 15 Abgeordnete verloren. Die Pasok bekam bei den Wahlen vor über zwei Jahren 43 Prozent, derzeit steht sie in den Umfragen noch bei 8 Prozent, wird also bei den nächsten Wahlen atomisiert und irrelevant werden.
Wie viele Abgeordnete aus Pasok und ND der Finanz-Junta noch wegbrechen ist derzeit unklar. Es ist aber höchstwahrscheinlich, daß von den verbleibenden 236 noch mindestens 151 für das Diktat stimmen werden. Damit wäre in dem 300 Abgeordnete umfassenden Parlament die nötige einfache Mehrheit erreicht.
Ebenso mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ist anzunehmen, daß sich die griechische Junta der Finanzdiktatoren nach diesem letzten, sowohl von außen, als auch durch die um ihre Macht und Privilegien bangende Oberschicht im Inneren, erzwungen Akt der Unterwerfung weiter destabilisieren und letztlich zerfallen wird. Die Berliner Regierung weiß das und hat bereits seit geraumer Zeit versucht die griechische Demokratie offen in Frage zu stellen, indem sie – abermals als ausführendes Organ der internationalen Kapitalgesellschaften – auf eine Absage der nächsten Wahlen in Griechenland gedrängt hat.
Da gleichgeschaltete Presse und Fantomparteien in allen europäischen Demokratien nach Kräften versuchen die Fakten zu vernebeln, hier noch einmal ein Hinweis: die alten politischen Lager existieren nicht mehr. Es geht nur noch um die Bewahrung der Demokratie selbst, also nicht mehr linke, liberale, konservative oder rechte Standpunkte, sondern das Recht diese zu haben. Wer dieses Recht nicht verteidigt, weil es damit auch der andere hat, ist ein durch den Kapitalismus versauter Idiot, soll die Schnauze halten und sich schon mal an die Wand stellen.
Wir machen derweil die Arbeit.
12.05 Uhr
Der übliche Schwung von als Interviews getarnten Partei- und Regierungserklärungen füllt Google News Deutschland. Wolfgang Schäuble, der nach den Wahlen 2009 leider seinen Versuch als Innenminister das Grundgesetz zu stürzen aufgeben und seit dem 28. Oktober 2009 als Finanzminister damit weiter machen musste, setzt hinsichtlich der im Frühjahr 2010 urplötzlich ausgebrochenen „Euro-Krise“, also den Staatskrisen im Währungsgebiet und speziell in Griechenland, auf Nichtbegreifen seiner Verantwortung. In der „Welt“ des Springer-Verlages erklärt Schäuble:
„Das Schicksal der Menschen in Griechenland – gerade dass der breiten Bevölkerung – beschäftigt mich schon sehr.“
Das hat ihn in der Tat beschäftigt, schließlich hat er es mit verursacht. Oder er wusste nicht, was er tat, was eine seit Jahrtausenden mißverstande Formulierung bereits präventiv anderen Unschuldigen-Schuldigen attestierte.
„Wenn man zu lange zu viele Schulden macht, und zu vieles vor sich herschiebt, kommt man am Ende um bittere Entscheidungen und dann noch schwierigere Veränderungen nicht herum. Das ist bei einem Staat wie bei einem Unternehmen. Und niemand kann garantieren, dass es dabei immer fair zugeht.“
In der Tat gibt es Anzeichen von Parallelen zwischen einem Konzern und der Bundesrepublik Deutschland. Allerdings wäre in jedem Konzern so eine Pfeife von Angestellter wie Wolfgang Schäuble bereits in hohem Bogen rausgeworfen worden, wenn er in seiner Funktion nichts anderes gemacht hätte, als diesen nach Kräften zu ruinieren, um dann, nachdem das fehlgeschlagen ist, plötzlich 55 Milliarden Euro wiederzufinden und zu sagen, höh, kann doch mal vorkommen. Man gut, daß man wenigstens seine kleinen pro-euro-europäischen Wuffis aus der SPD immer auf Tasche hat. Sonst hätte da jemand noch nachgehakt.
Auch der Rest des „Interviews“ ist Schmierenkomödie für Gestörte, ich kenne das persönlich aus sozialen Projekten und von Mittelaltermärkten. Noch ein kleiner Auszug, dann weiter:
„Herbert Seckler: Uns geht es schon verdammt gut. Ich bin 1952 geboren, seitdem geht es nur bergauf. Ich habe Bedenken, dass das für meine Kinder nicht so bleibt.
Wolfgang Schäuble: Aber warum sollte das in den kommenden 50 Jahren anders verlaufen als in den vergangenen?
Herbert Seckler: Zum Beispiel weil die Chinesen alle Rohstoffe kaufen.“
Auftritt Seehofer, Horst. Auch er hat den CSU-Wählern was zu sagen, ebenso natürlich allen Deppen die es werden wollen. Und das ebenfalls in seiner eigenen „Welt“.
„Die CSU ist für Volksabstimmungen in Deutschland über Grundfragen Europas. Das ist ein guter Weg, die europäische Idee näher an die Bürger heranzubringen.“
Ganz besonders dann, wenn diese mittlerweile den Unterschied zwischen Europäischer Idee und „Europäischer Union“ begriffen haben, im Gegensatz zu früher die Deppen den Unterschied zwischen Sozialismus und Sowjetunion.
Aber mal konkret: was heisst das nun, das mit den Volksabstimmungen, die man auch in der CSU-Partei so wenig haben wollte wie Abstimmungen im Parteivolk, obwohl sie in Artikel 20 Grundgesetz („vom Volke in Wahlen und Abstimmungen“) bereits verankert sind?
„Das Instrument der Volksabstimmung sollte nach Auffassung des CSU-Vorsitzenden ´im Grundgesetz verankert werden´.“
Seehofer will also wieder mal mit seinen kalten, toten Fingern am Grundgesetz rumfummeln. Wenn das der Gauweiler, Peter wüsste. (5. Juli 2011, “Das durften nicht einmal die Kaiser des Mittelalters bei den Fuggern”)
Der Hintergrund ist einfach. Man muss es nur wissen. (13. November 2011, DER VERFALL DER “EUROPÄISCHEN UNION” (I) : Aufprall am Grundgesetz und radikaler Strategiewechsel)
Verlassen wir also die Berliner Regierungswitzbolde und wenden wir uns den Ereignissen in der Republik Griechenland zu.
12.20 Uhr
Radio Utopie Kommentator prekrasno wirft die berechtigte Frage auf, warum in der Statistik der griechischen Notenbank Bank of Greece die Auslandsverschuldung Griechenlands von 421 Milliarden Euro im ersten Quartal 2010 auf 405 Milliarden Euro im dritten Quartal 2011 gesunken sein soll. Kann das jemand erklären? (für sofortige Antworten einfach im Chat vorbei schaun)
13.00 Uhr
Ein Livestream aus Griechenland von „Stop Cartel TV“ (nicht nur Volksreporter, es werden auch Aufzeichnungen oder Sendungen von anderen Kanälen übernommen)
Stop Cartel TV hat für 16.00 Uhr (17.00 Uhr griechischer Zeit) eine Sondersendung vom Platz der Verfassung, dem Syntagma Platz in Athen angekündigt. Mehrere Demonstrationszüge werden dort vor dem Parlament eintreffen, in dem am Nachmittag die Debatte beginnen und die Abstimmung (entsprechend der Regie der „Übergangsregierung“) kurz vor Mitternacht stattfinden wird.
13.20 Uhr
Peter Novak, einer der ernstzunehmenden Autoren auf der Plattform „Telepolis“ des Heise-Verlags, fragt berechtigterweise was die Arbeiterschaft Deutschlands eigentlich so macht und warum sie die Lohn-, Sozial- und ganz nebenbei auch die Demokratiekürzungen seit Einführung des Euro-Systems vor zehn Jahren so willig geschluckt hat.
„Der Hauptgrund, warum es in Deutschland schwer ist, für Solidarität mit Griechenland zu mobilisieren, liegt in dem Lohnverzicht, den Beschäftigte hierzulande seit Jahren leisten. Nach der Logik, wenn wir schon Opfer bringen, dann Griechenland auch, wird hier die Position der deutschen Staatsraison eingenommen.“
Offensichtlich ist es der Arbeiterschaft Deutschlands nicht nur völlig piepegal, was mit ihr veranstaltet wird. Offensichtlich schert es die real existierenden Betriebsräte, Gewerkschaftler und Gewerkschaftsverbände der Berliner Republik einen Dreck, was dank ihrem Nichtstun und Plattsitzen von fast jedem Arbeitskampf auch mit allen anderen Arbeitenden in den Staaten des Euro-Währungsgebietes durch die Finanz-Bosse gemacht wird. Verräter!
14.00 Uhr
Mal abgesehen davon, wie viele Leute hier in den Chat reingehen und wieder raus rennen weil alle anderen schon wieder weg sind: ich dachte schon, auch beim „Greek Reporter“ sind sie alle bekloppt geworden.
Man muss sich das mal vorstellen, was man jederzeit im Livetream, im TV, in der Zeitung und auch sonst im Internet lesen kann. Also das was da passiert. In Griechenland.
Manche haben damit natürlich ein Problem, vor allem wenn sie als neue Infobabes grade frisch von der Greek America Foundation eingeliefert worden sind. Da kommt man dann natürlich darauf einen Staatsstreich, Massenelend, Generalstreiks, Armut von fast allen und Superreichtum für fast keine mit dem einzigen Problem zu identifizieren, was man im Leben jemals gekannt hat: dem Browserabsturz, weil man mal wieder zu viele Fenster offen hatte und dann noch eins mit dem berühmten Facebook-Cookie als Gastgeschenk.
Thanks a lot, Melanie Graf from Boston. You´re a real Pro-European.
15.10 Uhr
Wie sehr die über die Merkel-Regierung ferngesteuerte Bundesrepublik Deutschland dem internationalen Kapital als ausführendes Organ für die Machtergreifung in Griechenland und die Zerschlagung von Staat und Gesellschaft dient, und gleichzeitig die Rolle der griechischen Nomenklatura in diesem Putsch verschleiert wird, verdeutlicht diese Schlagzeile als ein Beispiel von vielen:
„Zustimmung von Griechenland zu Bail Out gesetzt, da Deutschland Handlungen einfordert“
16.45 Uhr
Derweil in Portugal. Was passiert, wenn dort 300.000 Menschen gegen die dortigen Raubzüge im Rettungspelz vom Währungsdiktator EZB, den EU-Kommissaren und dem Internationalem Währungsfonds demonstrieren? Na klar – weder von deutsch-, noch von english-sprachigen Medien oder TV Sendern ist ein einziges verdammtes Video zu entdecken.
Nur zum Verständnis, weil das auch schon jeder vergessen hat: Portugal war, genauso wie Griechenland, genauso wie Spanien, genauso wie die Türkei, bis Mitte der 70er Jahre eine faschistische Militärdiktatur. Gestürzt wurde das alte Salazar-Regime, was die erste Republik Portugal (1910-1926) durch ein nicht ganz so blutige Diktatur wie seinerzeit in Deutschland ersetzte, erst durch die Nelkenrevolution 1974, übrigens durch linksrepublikanische Soldaten und Offiziere.
Der Generalsekretär des Gewerkschaftsdachverbandes CGTP, Armenio Carlos, sprach denn auch angesichts der neuen drohenden Diktatur von der größten Demonstration seit 30 Jahren. Carlos warf den örtlichen Dackeln des Kapitalismus (ehemals: „Regierung“) die „Unterwerfung“ unter EZB, EU und IWF vor, deren Finanzdiktate eine „Rückkehr zum Feudalismus“ bedeuteten.
Derweil im gewerkschaftlichen Rotlichtviertel der Finanz-Bosse:
„Deutscher Gewerkschaftsbund“ DGB (Vorsitzender Michael Sommer)?
„Europäischer Gewerkschaftsbund“ EGB / „European Trade Union Confederation“ ETUC (Vorsitzende: Bernadette Ségol)?
„Internationaler Gewerkschaftsbund“ IGB / “ International Trade Union Confederation“ ITUC (Vorsitzender: Michael Sommer)?
Negativ. Denn merke:
„Alle Füße halten still, wenn das Kapital es will“
Bis auf das Volk, natürlich. Aber was kümmelt das schon DGB, EGB, IGB, egal wo?
17.35 Uhr
Stop Cartel TV berichtet in seiner Livesendung vom Syntagma Platz von schweren Auseinandersetzungen zwischen Polizei-Sondereinheiten („riot police“) und griechischen Bürgern. Auf den Livebildern sind kleine Explosionen zu sehen, offenbar Blendgranaten der Polizei, die auch massiv Tränengas einsetzt.
18.00 Uhr
Hier ist der Link zum Livestream von Stop Cartel TV. http://www.livestream.com/stopcarteltvgr
Ansehen, nicht weg schauen. Keiner kann sich jetzt mehr drücken. Verteilen nach Möglichkeit. Kämpfen wir für unsere Mitmenschen in Athen mit allen verfassungsmäßigen Mitteln.
Und eine Grundregel gilt für alle, Joseph Beuys hat sie vor 30 Jahren aufgestellt:
WER NICHT DENKEN WILL FLIEGT RAUS!
18.50 Uhr
Eine von vielen Zeitungen, die definitiv keine ist (die Münchner tz), erzählt uns heute Abend die gleichen Lügen wie die gesamte gleichgeschaltete Informationsindustrie: daß wir, das Volk der Deutschen, an das Volk der Griechen zahlen. Die tz ihn ihrer Schlagzeile:
„Jeder Deutsche zahlt 1459 Euro für die Griechen“
Das ist gelogen.
Jeder einzelne Cent, der dem deutschen Staat durch Regierung und Parlament (nicht von uns) aus der Tasche gezogen worden ist und wird, geht an die Finanzgläubiger Griechenlands. Jede „Hilfe“, jedes „Rettungspaket“, welches von deutschen Staatsgeldern mitfinanziert wird und angeblich an Griechenland, oder Portugal, oder Irland geflossen sein soll, ist in Wirklichkeit in den Taschen von Kapitalgesellschaften und Finanzkonzernen gelandet, die an diese Staaten Zinsforderungen erheben und für diese ja auch die ganzen „Hilfen“ geleistet wurden, um den Schuldenberg dieser Staaten noch zu vergrößern und alles noch schlimmer zu machen.
19.50 Uhr
Auf dem Syntagma Platz, dem Platz der Verfassung kämpfen die Griechen um ihre Republik. Ein weiterer Livestream. Den Berichten vor Ort zufolge ist ganz Athen derzeit in Aufruhr gegen die Junta und das Diktat der internationalen Finanzdiktatoren.
20.10 Uhr
Die Volksreporter von Stop Cartel TV berichten von brennenden Gebäuden, die nicht gelöscht werden und in dessen Nähe weit und breit seltsamerweise keine Polizei zu sehen ist. Dies erinnert an die bereits bekannte Aufstandsbekämpfungstaktik, welche die Diktatoren Ben Ali und Mubarak in der Endphase ihres Regimes gegen die Bevölkerung eingesetzt haben: Chaos oder Diktatur, hieß die Parole, genau wie heute die griechische Junta die Parole „Finanzdiktat oder Chaos“ ausgegeben hat. Agenten und Geheimpolizisten der Regime in Ägypten und Tunesien legten irgendwo Brände, vorzugsweise in bewohnten oder bei der Bevölkerung beliebten Gebäuden (wie dem ägyptischen Museum in Kairo), begingen irgendwelche Verbrechen, von Polizei war auf einmal nichts mehr zu sehen und anschließend hieß es, sehet her, was die Chaoten da wieder gemacht haben.
Die Staatsparteien beider Diktaturen, die RCD Ben Alis in Tunesien und die NDP Mubaraks in Ägypten, waren übrigens beide noch bis zu den demokratischen Revolutionen in der „Sozialistischen Internationale“ mit ihrem hochehrenwerten Vorsitzenden Giorgos Papandreou. Nur mal so am Rande. Und grüßt mir die Genossen.
20.40 Uhr
Und siehe da: auf Stop Cartel TV wird gerade durchgesagt, daß in ganz Athen verteilt 20 Gebäude (!) brennen. Und neben Banken-Gebäuden, Geschäftsgebäuden auch die Nationalbibliothek.
Im Parlament, da wette ich darauf, steht jetzt ex-Verteidigungsminister Venizelos, mittlerweile Finanzminister, und schreit mit rotem Kopf irgendwas vom alten griechischen Urgott Chaos und vom neuen Finanzgott Euro, ohne den das Vaterland – potzblitz – im Mittelmeer versinken würde.
Sagte ich Vaterland? Natürlich Vaterland. Das bleibt nämlich immer das Vaterland, auch wenn die Diktatur regiert. Nicht wahr?!
Dazu passend folgende Geschichte vom 6. Mai 2010, ich zitiere mich selbst (Der merkwürdige Tod von Athen):
„Genau im entscheidenden Moment weltweiter Ränkespiele der Macht- und Finanzpolitik, als während des Generalstreiks in Griechenland Hunderttausende Griechen vor das Parlament ziehen, macht eine schreckliche Nachricht die Runde. Drei Tote, in einer Bank, aber kleine Angestellte, eine davon schwanger, ermordet durch Autonome / Randalierer / Mörder / Chaoten / EU-Gegner /primitive Barbaren ohne Regierungsverantwortung. Die Regierung, eben noch vom Volk auf´s Korn genommen, ist erschüttert und klagt das Volk an. Die Demonstration löst sich in Windeseile auf.
Um diese Meldung, die dabei ist den Verlauf der Geschichte der Menschheit entscheidend zu beeinflussen, ranken sich ernsthafte Zweifel.“
Ich appelliere an Sie, werte Geschworene am Gerichtshof der Öffentlichen Meinung, auch diesmal alle berechtigten Zweifel auszuschließen, bevor Sie das Todesurteil über die griechische Republik und ihr vermeintlich gefährliches Volk auf den Straßen fällen.
21.00 Uhr
Was sagt Ihnen dieser Spruch von Junta-Chef Papademos, rein zufällig heute Abend im Parlament und nicht etwa schon, sagen wir, gestern..?
„Wir sind nur einem Atemzug von Ground Zero entfernt.“
21.20 Uhr
Wir bemerken mit Genugtuung: historische Kinos, Cafes und Geschäfte, weitab vom Chaotenschuss vorm Parlament, werden in der Stadtmitte Athens irgendwie ein Raub der Flammen. Das waren die. Absolut kein Zweifel. Wer auch immer. Dann lieber ein Raub der Banken werden, oder. Na, na, na?
22.15 Uhr
Eines von vielen durch Unbekannte angezündete Gebäude in Athen:
22.20 Uhr
Eine ganz andere, deutlich nachvollziehbare Aktion: Es wird gemeldet, daß das Gebäude der Stadtverwaltung von Athen besetzt worden ist.
22.30 Uhr
Ein Livestream von der Parlamentsdebatte, von „Russia Today“ (danke an Kommentator King Balance für den Link).
22.50 Uhr
Im Athener Parlament bietet sich ein surreales Bild, welches auf geradezu entsetzliche Weise zeigt, in welche von der Realität völlig getrennte Wahrnehmung die parteipolitische Klasse Griechenlands bereits abgedriftet ist. „Übergangs-Premierminister“ Loukas Papademos tritt ans Rednerpult. Beifall von der Mehrheit des Parlaments, der sich bequem und entspannt in ihren Sitzen zurück lehnt.
Papademos redet. Respektvolle Stille. Nicht einmal ein Zwischenruf nichts.
Auf dem Hügel am Platz der Verfassung von Athen steht kein Parlament mehr, sondern ein Totem.
23.10 Uhr
In den letzten drei Jahren, in 2008, von 2009 und 2010 (die Ergebnisse von 2011 sind noch nicht bekannt) waren die Deutschen laut einer weltweit erhobenen BBC-Umfrage das beliebteste Volk der Welt. Nun bietet die Instrumentalisierung unserer Republik für weltweite Profitinteressen dem ideologisch-moralischen Anführer aller Antideutschen, Wolfgang Schäuble, jede Gelegenheit zum Jubeln.
Das weltöffentliche Echo auf das explizit durch die Berliner Regierung den Griechen aufgezwungene weitere Finanzdiktat ist verheerend.
Im irischen „Independent“ kann man die Geschichte des 83-jährigen Eleftherios Basdekis lesen, der als Jugendlicher dem Massaker der deutschen Besatzungsmacht in seinem Dorf entkam und drei Tage barfuss durch die Wälder flüchtete. In der Nachkriegszeit kaufte er als Geschäftsmann deutsche Mercedes-Lastwagen und verschuldete sich. Heute weiss er nicht, wie er von seiner Pension, die auf Druck der Berliner Regierung immer weiter gedrückt wurde, in Griechenland überhaupt leben soll. Das bekannte britische Denker-Blatt „Daily Madness“, was unter Pseudonym veröffentlicht, nutzte schon vor Tagen die Gelegenheit zu betonen, daß „die Deutschen“ schon seit Wochen „listig Pläne geschmiedet“ hätten, um „das Parlament Griechenlands zu übernehmen“. Und im „Telegraph“ wird ein folgendes, höchst interessantes Detail der deutschen Nachkriegsgeschichte erwähnt: 1953 bekam Westdeutschland im Londoner Schulden-Abkommen einen effektiv 70-prozentigen Schuldenschnitt, um wieder auf die Beine zu kommen.
Wer war neben den USA, Großbritannien, Frankreich und Kanada Mitunterzeichner? Einmal dürfen Sie raten.
00.05 Uhr
Im Parlament läuft die Abstimmung.
00.15 Uhr
Noch bevor die Abstimmung beendet ist, wird bekannt gegeben: es haben bereits mehr als die notwendigen 151 Abgeordneten dem Diktat zugestimmt. Das genaue Ergebnis ist noch nicht bekannt.
Epilog
Von den 300 Abgeordneten des griechischen Parlaments waren 278 anwesend. Diesen stimmten über das Diktat wie folgt ab:
Ja: 199
Nein: 78
Enthaltungen: 5
Anschließend musste die „konservative“ Nea Dimokratia (ND) ein Viertel ihrer Fraktion ausschließen, 21 Abgeordnete, weil diese mit Nein gestimmt hatten. Die „sozialistische“ Pasok schloss 22 ihrer bis dahin verbliebenen 153 Abgeordnete aus.
Die Parlamentsmehrheit aus den Abgeordneten von ND und Pasok, welche die Junta noch stützen, hat sich damit von 236 auf 193 reduziert.
+++ Ende des Griechenland Tickers vom Sonntag, dem 12. Februar. +++