Zu- oder Testfall: Ostafrikas dramatischer Telekommunikation-Blackout

Der Ausfall der Hauptadern der Internet- und Handy-Kommunikation in Ost-Afrika fällt in Zeiten der erhöhten Spannungslage – nicht nur der Bevölkerung von Somalia steht ein extrem heisser Sommer bevor

Innerhalb von nur zehn Tagen wurden mehrere Telekommunikations-Glasfaserseekabel für die Verbindung zwischen den östlichen afrikanischen Staaten mit dem Nahen Osten und Europa durchtrennt.

Am 17.Februar 2012 wurden gleichzeitig drei Kabel weit von den Küsten entfernt im Roten Meer zwischen Djibouti und dem Nahen Osten in einer Tiefe von 650 Fuss zerschnitten, was zur Unterbrechung der Telekommunikation von Simbabwe bis Djibouti führte: betroffen waren das Eastern Africa Submarine Cable System (EASSY), das Europe India Gateway (EIG) und das South East Asia Middle East Western Europe-3 (SMW-3).

Detaillierte Angaben zur Funktionsstörung von EASSY wurden auf „MyBroadband“, einer Telekommunikations-Webseite aus Südafrika, am 18.Februar dargestellt.(1)
Dort heisst es, dass sich die Unterbrechung um 9.26 Uhr am Freitag, den 17. Februar 2012 zwischen Djibouti und Port Sudan ereignete – einer der bestbewachtesten Region dieser Welt. Mit Hilfe moderner AIS-Tracking-Daten und Satellitenbildern liesse es sich leicht feststellen, ob sich zu diesem Zeitpunkt ein Schiff über der genau bekannten Lage des Unterwasserkabels befunden hat – es sei denn, ein U-Boot befand sich an Ort und Stelle.
Die Echtzeitdarstellung der weltweiten Schiffsbewegungen anhand von AIS-Signalen von Marine Traffic lässt jeglichen Eintrag im engen Roten Meer zum jetzigen Zeitpunkt vermissen – möglicherweise eine militärisch-strategische Massnahme (siehe Karte).

EASSY verbindet die Länder Sudan, Dschibuti, Eritrea, Somalia, Kenia, Madagaskar, Mosambik, Tansania und Südafrika direkt untereinander und mit dem Internet. Im Endausbau soll die Länge etwa 10500 Kilometer betragen und zudem noch die anliegenden Binnenstaaten Äthiopien, Botswana, Burundi, die Demokratische Republik Kongo, Lesotho, Malawi, Ruanda, Sambia, Simbabwe, Swasiland, Tschad, Uganda und die Zentralafrikanische Republik anbinden.
Europe India Gateway (EIG) verbindet Grossbritannien, Portugal, Gibraltar, Monaco, Frankreich, Libyen, Ägypten, Saudi-Arabien, Djibouti, Oman, die Vereinigten Arabischen Emirate und Indien.
South East Asia Middle East Western Europe-3 ist mit 39000 km Gesamtlänge das grösste Seekabelsystem der Welt, das Europa, Afrika, Asien und Australien miteinander verbindet (siehe Karte).

Am 28.Februar wurde bekanntgegeben, das ein viertes Unterwasserseekabel der East African Marine Systems (TEAMS), einer Gruppe von privaten Telekommunikationsunternehmen mit der West Indian Ocean Cable Co. als grösstem Teilhaber und der kenianischen Regierung unter Wasser vor der Küste Kenias vor der Hauptstadt Mombasa am 25.Februar zerstört wurde. Das 5000 Kilometer lange Breitbandkabel erstreckt sich über den Meeresboden von Mombasa bis zu den Vereinigten Arabischen Emiraten (siehe Karte).

Als Grund wurde der Anker eines Schiffes angegeben. Zuvor wurden die Daten der am 17.Februar gekappten Kabel über diese Leitung umgeleitet, was die Frage aufwirft, weshalb ein Boot sich ausgerechnet in dieser kritischen Situation in dem gesperrten Gebiet des Seekabels aufhalten und Anker werfen konnte.

Millionen von Internet- und Handynutzer in neun afrikanischen Staaten, u.a. in Kenia, Uganda, Ruanda, Burundi, Tansania und Äthiopien, sind von dem Blackout betroffen. Es kam zu Ausfällen, Unterbrechungen und zu sehr langsamen Übertragungsraten. Tausende von Gigabytes an Daten pro Sekunde wurden vor den „Cuts“ von den vier Glasfaserkabel übertragen.

Bis zu zehn Prozent der Funktion des 100 Millionen Euro teuren Kabels in Mombasa wurden bereits repariert – genug für wichtige Dienste wie Bankgeschäfte, teilte der Chef von TEAMS, Joel Tanui mit. Insgesamt wird eine Zeit für die vollständigen Reparaturarbeiten mindestens drei Wochen betragen.(2),(3)

Am vergangenen Wochenende versuchten die Ingenieure der Telekommunikationsunternehmen die Daten entlang der Ostküste Afrikas um das Kap der Guten Hoffnung umzuleiten. Nach Bergung der Seekabel soll die Ursache der Beschädigung ermittelt werden.

Ferngesteuerte U-Boote mit Kameras werden vor Ort den Schaden dokumentieren und die Kabel an die Meeresoberfläche bringen. Ingenieure werden dann die Kabel an Bord von Schiffen spleissen und reparieren.

Der Daily Monitor, eine Zeitung in Uganda beruft sich auf Informationen eines Mitarbeiters von Airtel, der nicht an einen Zufall glaubt:

„Die Kabel von TEAMS und EASSY wurden von bösartigen Menschen am Wochenende zerschnitten und das verursachte Probleme mit der Verbindung. Alle Internetprovider, vor allem Orange und Airtel sind betroffen, weil sie von diesen Kabeln für die Leistungserbringung abhängig sind.“

Orange ist Teil des Lower Indian Ocean Network (LION), einer der grössten Internet-Serviceprovider in der Region Ostafrika, der im Wettbewerb mit anderen Telekom-Unternehmen (Uganda-Airtel, Warid, MTN und UTL) steht.(4)

Die ersten Unterwasserseekabel für die Verbindungen des östlichen Afrikas wurden erst im Jahr 2009 im Meer verlegt.

Somalia ist nur einer der Brennpunkte im Krisengebiet Ostafrika

Im August endet die Amtszeit der von den westlichen Staaten implementierten Übergangsregierung in Mogadischu. Am 23.Februar versammelten sich in London verschiedene Aussenminister und Politiker zur „Internationalen Somalia-Konferenz“. In der Abschlusserklärung der Konferenz heisst es, es werde keine weitere Verlängerung der Amtszeit geduldet.

Das Land müsse eine neue Verfassung und ein neues Parlament mit einer Frauenqoute von dreissig Prozent und unkorrupten Abgeordneten erhalten, sagte der britische Premierminister David Cameron.

UNO-Generalsekretär Ban Ki Moon erklärte, es habe sich nun ein Handlungsspielraum ergeben, weil die Opposition schwächer geworden sei und „das ist ein kleines Fenster, aber wir können es uns nicht leisten, es nicht zu nutzen“.

Abdiweli Mohammed Ali, der Ministerpräsident von Somalias Übergangsregierung forderte auf der Konferenz unverblümt zu mehr Gewalt durch unbemannte Drohnenflugzeuge auf, da der Terrorismus ein globales Problem sei: „Wir heissen gezielte Luftschläge gegen Al-Kaida in Somalia willkommen. Wir brauchen eine gemeinsame Strategie gegen einen gemeinsamen Feind.“(5)

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Auch Ägypten äusserte sich in dem anderen Fall über die Unterbrechung des Glasfaserkabels auf dem Meeresgrund im Mittelmeer, dass ein Schiff nicht die Ursache gewesen sein kann “The ministry’s maritime transport committee reviewed footage covering the period of 12 hours before and 12 hours after the cables were cut and no ships sailed the area”…

01.07.2009 Zwischenfall mit U-Boot: chinesisches U-Boot und ein Unterwasser-Sonar des Zerstörers USS John S. McCain kollidierten im Südchinesischen Meer
06.02.2008 Was beschädigt Internetkabel unter Wasser?

Quellen:
(1) http://mybroadband.co.za/news/telecoms/43685-eassy-downtime-may-last-for-days.html
(2) http://online.wsj.com/article/SB10001424052970203833004577249434081658686.html
(3) http://www.africasia.com/services/news_africa/article.php?ID=CNG.d1ac9c692e031f1b0564cbabc8cf4ef8.751
(4) http://www.monitor.co.ug/News/National/-/688334/1355278/-/axxi23z/-/
(5) http://www.tagesschau.sf.tv/Nachrichten/Archiv/2012/02/23/International/Somalia-Konferenz-Friedlicher-Wandel-moeglich

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