Dokumentation: Die Rede von Matthias Ilg, Ingenieure22, auf der heutigen 117. Stuttgarter Montagsdemonstration gegen das Industrie-Programm „Stuttgart 21“ (S21). Motto der Rede: „Wussten Sie schon…“
Wussten Sie schon, dass man in England zwischen London und Bristol bis 2030 mit 50% mehr Eisenbahnpassagieren rechnet? Dass man in der Schweiz in Ballungsräumen von 100% mehr Passagieren ausgeht?
Wussten Sie schon, dass die zweitgrößte Eisenbahn der USA von Warren Buffett aufgekauft wurde, weil er große Zuwächse im Güterverkehr sieht? Wussten Sie schon, dass unsere Nachbarländer den Güterverkehr auf der Schiene ausbauen?
Ein zukunftsfähiger Wirtschaftsstandort braucht Leistungsreserven auf der Schiene. Schauen wir doch mal nach, ob uns da Stuttgart 21 weiterhilft!
Beispiel 1 – Stuttgart Hauptbahnhof. Ein neuer Bahnhof mit geringerer Leistung macht keinen Sinn. Dokumente von 1997 zeigen, dass Stuttgart 21 von vornherein nur für die bescheidene Leistung von maximal 30 Zügen pro Stunde ausgelegt war.
Beispiel 2 – die S-Bahn Stuttgart. Hier kommt es zu einem teuren Umbau, aber ohne dass Gleise oder Bahnsteigkanten hinzugefügt werden. Das Notfallkonzept wird schlechter und die Fahrzeiten in die Stadt verlängern sich. Im Stresstest ist laut SMA die S-Bahn-Stammstrecke gar in einem kritischen Zustand. Für Optimierungen der Gleise an heutigen S-Bahnhöfen, wie z.B. Plochingen, gibt es keine Planungen. Die Weiterführung der S-Bahn in die Region, z.B. ins Filstal, rückt daher in weite Ferne.
Beispiel 3 – der Güterverkehr. Drei Richtungsgleise führen von Westen auf Stuttgart zu und münden in ein einziges Richtungsgleis der Filstalbahn. Damit besteht ein Flaschenhals auf der Verbindung Ruhrgebiet – München – Südosteuropa. Die Neubaustrecke Wendlingen-Ulm ist aber so steil ausgelegt, dass selbst kurze Güterzüge mit nur 700-800 Tonnen bei Aichelberg nicht wieder anfahren können. Damit ist die Neubaustrecke für Güterzüge unwirtschaftlich und der Flaschenhals bleibt bestehen. An der Altstrecke wird der Lärm durch Güterverkehr zunehmen.
In allen drei Beispielen bietet Stuttgart 21 keine Leistungsreserve. Eine Planung mit Zukunftsfähigkeit, eine Planung für Wettbewerbsfähigkeit sieht anders aus.
Eine gute Verkehrsinfrastruktur mit Reserven ist aber ein Schlüssel für die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft unseres Landes. So formuliert das die EU-Kommission.
Die Bewahrung und Verbesserung dieser Wettbewerbsfähigkeit ist die Aufgabe des Wirtschaftsministers. Daher fordern wir den Wirtschaftminister Nils Schmid auf, daran mitzuwirken, die Wachstumsbremse Stuttgart 21 zu lösen und die Zukunft der Verkehrsinfrastruktur unseres Landes auf die richtigen Gleise zu setzen.
Nicht nur dem Wirtschaftsminister sondern auch dem Finanzminister Schmid droht die Entgleisung. Am Freitag wurde im Lenkungskreis bekannt dass für den Tiefbahnhof aus „Fest“preisen nun doch „Gleit“preise geworden sind. Damit steht fest dass ihm der Landeshaushalt mit noch mehr Schulden entgleiten wird.
In Zeiten knapper Finanzmittel kann das alles nur heißen, Stuttgart 21 zugunsten zukunftsträchtigerer Projekte zu stoppen.