Dokumentation: Die Rede von Parkschützer Matthias von Herrmann auf der heutigen 124. Montagsdemonstration der Stuttgarter Bürgerbewegung für den Kopfbahnhof und gegen das verkehrsindustrielle Umbauprogramm „Stuttgart 21“ (S21).
„Stromfresser abschalten“ ist heute unser Motto – aus aktuellem Anlass – denn morgen will das Atomforum hier in Stuttgart tagen, um den Ausstieg aus dem Atomausstieg voranzutreiben. Was die Herren Atomlobbyisten da vorhaben, ist eine Frechheit! Aber was hat die Atomlobby mit Stuttgart 21 zu tun? Was hat das mit unserer Montagsdemo zu tun?
Dem einen oder anderen von Ihnen mag es bekannt sein: Die Deutsche Bahn ist Deutschlands größter Stromverbraucher und ein treuer Kunde der Atomindustrie.
Mit sinnlosen Tunnelprojekten wie S21 saniert die Bahn nicht nur die eigene Kasse, sie zementiert auch unsere Abhängigkeit vom Atomstrom. Sie fragen sich jetzt, wie das zusammenhängt.
* Stuttgart 21 bedeutet, dass sich der Stromverbrauch für eine Fahrt nach Ulm mehr als verdoppelt!
* Und es entsteht zusätzlicher Stromverbrauch für jeden einzelnen Zug, der im Kellerbahnhof anhält: Täglich 12.000 kWh mehr Energie alleine, um die 17 Höhenmeter zu überwinden, um die der Kellerbahnhof tiefer liegen soll als die gegenwärtigen Gleise. Das entspricht dem Tagesbedarf von 1.200 Haushalten – einfach nur dafür verbraten, dass die Bahn in den Keller fährt.
* Die schlimmsten Energie-Sünder sind die Tunnel: In einem engen Tunnel ist der Luftwiderstand zwei- bis dreimal so hoch wie auf freier Strecke. Für einen schnell fahrenden Zug heißt das im Wesentlichen, dass sich der Stromverbrauch verdoppelt, denn im Vergleich zum Luftwiderstand sind alle anderen Einflüsse gering. Den Reisenden beschert dieser unnütze Stromverbrauch im Tunnel keinen Vorteil.
Der Stromverbrauch von Zügen wird also im wesentlichen durch die Infrastruktur bestimmt. Jeder Meter Tunnel kostet Strom, jeder unnötige Höhenmeter kostet Strom. Stuttgart 21 kombiniert besonders viele Tunnelkilometer mit besonders vielen Höhenmetern und sorgt so für maximale Stromverschwendung. Vom Energieverbrauch für Stahl, Beton, fürs Tunnelbohren und für das Abpumpen des Grundwassers ganz zu schweigen.
Kurz gesagt, mit Projekten wie S21 tut die Bahn alles, um der Atomlobby in die Hände zu spielen. Die Bahn macht den Atomausstieg unnötig schwer, indem sie die Züge der Zukunft zu Stromfressern werden lässt – wie gesagt: der Stromverbrauch auf einer Fahrt nach Ulm würde sich verdoppeln!
Welche Reaktionen wären wohl zu erwarten, würde Daimler ein neues Auto vorstellen, das doppelt so viel Sprit verbraucht wie das Vorgängermodell?
Von der Autoindustrie fordern wir zu recht, dass Autos sparsamer werden. Das muss endlich auch für die Bahn gelten, Frau Merkel! Energiewende kann nicht heißen, dass wir Sparlampen kaufen und Windräder bauen, damit die Deutsche Bahn immer noch mehr Strom verschlingen kann!
Schon heute ist ein sparsames Auto in vielen Fällen ökologischer unterwegs als ein Zug der Deutschen Bahn. Das ist ein Skandal!
Und das muss nicht so sein, im Gegenteil: Eigentlich hat die Bahn die besten Voraussetzungen, ein sehr ökologisches und sparsames Verkehrsmittel zu sein.
In anderen Ländern ist es längst selbstverständlich, auch den Bahnverkehr zum Energie-Sparen zu verpflichten.
Deshalb liegen z.B. neue U-Bahn-Haltestellen in Schweden etwas höher als die Strecke: Durch die leichte Steigung vor dem Halt wird die Bahn ganz von selbst abgebremst und beim Anfahren wieder beschleunigt – doch im Kellerbahnhof S21 soll gerade das Gegenteil gebaut werden: Der Bahnhof liegt am tiefsten Punkt, Züge müssen also besonders stark bremsen – das kostet Strom – und dann gegen die Steigung anfahren – das kostet noch mehr Strom.
In ganz Frankreich gibt es für den TGV ganze 43,5 km Tunnel – und Frankreich ist nicht weniger hügelig als Deutschland. Die deutsche Bahn hingegen plant allein zwischen Stuttgart und Ulm über 40 km Tunnel, also soviel wie im ganzen TGV-Netz. Der Grund: An den Planungskosten für teure Tunnel verdient die Bahn richtig viel Geld. Der Tunnelwahn der Bahn ist also gewinnorientiert, er hat nichts mit sinnvoller oder gar ökologischer Mobilität zu tun.
Wenn die Kanzlerin es ernst meint mit der Energiewende, dann muss sie diese unterirdischen Verirrungen der bundeseigenen Bahn schleunigst stoppen. Angela Merkel und ihr Verkehrsminister Ramsauer müssen staatliches Geld in ökologische, zukunftsfähige Mobilität investieren, in Gleise, die uns vorwärts bringen. Der Verkehrsminister darf Infrastrukturplanung nicht an den Gewinninteressen einer privatisierten Bahn ausrichten. Frau Merkel muss endlich dafür sorgen, dass im Schienenverkehr die Weichen für eine energiesparende Mobilität der Zukunft gestellt werden.
Wir dürfen nicht hinnehmen, dass Mobilität zum Luxusgut wird, weil die Bahn Strom verschwendet. Die letzten Fahrpreiserhöhungen hat Bahnchef Grube mit hohen Energiekosten begründet. Würde die Bahn weniger Strom verbrauchen, hätte sie auch keine so hohen Energiekosten. Die Bahn darf sich nicht mit freundlicher Unterstützung der Physikerin Angela Merkel immer mehr zum Stromfresser entwickelt, die Bahn muss endlich sinnvoll bauen.
Energiewende geht anders, Frau Merkel! Wir fordern: Abschalten und Oben bleiben!