Kleinstadtmief in der Provinz: „Aussen hui – innen pfui“
In Middleborough in Massachusetts sollten die Einwohner jetzt darauf achten, ihren Unmut allzu öffentlich kundzutun. Auf Antrag des Polizeichefs der Stadt votierte auf einer Bürgerversammlung mit 183 Stimmen und 50 Gegenstimmen eine deutlichen Mehrheit dafür, laute, unflätige Sprache mit einem Bussgeld durch die Ordnungshüter zu belegen.
Interessant ist die Art der Bürgerbeteiligung, um die Satzung der Stadt zu ändern. Diese „direkte Demokratie“, die von der Polizeibehörde für diese doch recht unpopuäre Massnahme gewählt wurde, sollte dann durchgängig zu allen Belangen des städtischen Interesses angewendet werden wie Verkauf von kommunalen Eigentums, Privatisierungen von städtischen Betrieben, Gebührenerhöhungen und dergleichen mehr.
Lautstarke Unmutsbekundungen wie Schimpfen, Fluchen, unflätige Gossensprache gibt es aus den verschiedensten Gründen seit sich die Menschheit zur Artikulation der Sprache bedient. Sich „Anknurren“, „Anbellen“, „Rumpöbeln“ ist nun einmal Teil der menschlichen Natur – je nach Charakter, Temperament, sozialem Umfeld, Erziehung und Bildung mehr oder weniger ausgeprägt.
Je mehr durch unsoziale „Reformmassnahmen“ im öffentlichen Sektor im Bereich der Bildung oder Arbeitsplätzen gespart wird und in dem Land über dem Bildschirm niveaulose Serien der TV-Sender zur Abstumpfung des Denkens der Bevölkerung flimmern wird diese Erziehungsmassnahme in Middleborough nur dazu dienen, das klamme Stadtsäckel weiter aufzufüllen. Über den beleidigenden Slang mancher geistig minderbemittelter, ohne über sachliche Argumente verfügende Politiker in Wahlkampfzeiten ganz zu schweigen, der den Gegner unter die Gürtellinie trifft um ihn so mit einem unsportlichen verbalen Knockout in der Öffentlichkeit herabzusetzen.
Die braven Biedermänner, die für die Einführung dieses Ordnungsgeldes für eine „akustisch saubere Stadt“ gestimmt haben sind in ihren eigenen vier Fassadenwänden sicher die reinsten Engel ohne Fehl und Tadel.
Scheinheiligkeit scheint gerade in der westlichen Gesellschaft ein weit verbreitetes Phänomen zu sein. Im Gegensatz dazu raten doch die Psychotherapeuten, aus seinem Herz keine Mördergrube zu machen und nicht alles in sich hineinzufressen. In den Vereinigten Staaten gehört es schliesslich weitverbreitet zum Alltagsleben dazu, dass man seinen Psychoonkel mindestens zwei oder viermal im Monat zur Problembewältigung aufsucht.
Bleibt noch die Frage der Definition der öffentlichen Unflätigkeit zu klären. Wann ist ein Fluch ein Fluch? Dem Ermessensspielraum der Polizeibeamten als die neuen Erzieher gesitteten Benehmens sind keine Grenzen gesetzt. Selbstverständlich müssen diese als erstes ihre Zunge von nun an im Zaume halten.
Und überhaupt, verträgt sich diese Verordnung zum Verbannen gewisser verbaler Ausdrücke mit dem Recht auf freie Meinungsäusserung – das liesse sich vor einem Gericht schnell überprüfen.
Ein richtiger Schocker für die Spiessbürger von Middleborough wäre ein cooles Hardrock-Festival mit Bands wie Rage Against the Machine, Metallica, Nashville Pussy oder Everlast unter dem Banner „Go To Hell“ um den Einwohnern ein wenig Weltläufigkeit nahezulegen.
🙂 have fun:
Quelle: http://www.huffingtonpost.com/2012/06/12/public-swearing-middleborough-fine_n_1587270.html