Zweiundzwanzig Jahre nach der Unterschrift der westdeutschen Regierung von Helmut Kohl und seinem designierten Nachfolger Wolfgang Schäuble unter die Abmachung zur „Europäischen Währungsunion“ (EWU) entdeckt Angela Merkels ehemaliger designierter Finanzminister Paul Kirchhof, auf welchem Spielfeld das damals eigentlich geschah. Im fällt überhaupt manches auf. Jetzt schon.
Ein kleiner Ausblick auf das Spiel der nächsten 22 Jahre.
In der Bürgerbewegung gegen die internationale Staatsfinanzkontrollorganisation „Europäischer Stabilisierungsmechanismus“ (ESM), z.B. in der Twitter-Kampagne #StoppESM, spielt sich in der Republik Deutschland des Jahres 2012 derzeit etwas ab, was die Meisten immer noch nicht begriffen haben. Gegnerische Mannschaften – Marktradikale, Sozialisten, Konservative, Progressive, Bürgerrechtler, Linke, Rechte, Arbeitende und Besitzende, Arme und Privilegierte – kämpfen auf dem Spielfeld nicht mehr nur gegeneinander, sondern gemeinsam um das Spielfeld, die Regeln und das Spiel, was sie überhaupt zu Mannschaften werden lässt.
Das lässt diese gegnerischen Mannschaften nicht etwa alle miteinander assimilieren. Im Gegenteil, es sichert das Spiel, ihr Spiel, das Spiel jeder einzelnen Mannschaft. Es erinnert sie allesamt daran, worum es eigentlich geht.
Gleichzeitig werden den Spielern vermeintlich gegeneinander antretenden Mannschaften, die aber ein ganz anderes Spiel spielen, die Trikots herunter gerissen. Spieler Dutschi Dutschino hatte diesbezüglich während der #StoppESM Twitter-Kampagne bereits einen wahlrettenden Einfall:
wie wäre es? Nächste Wahl, gemeinsame Liste CDU/CSU/FDP/GRÜNE/SPD als „DIE MÄRKTE“ Unterzeile: Die Alternativlosen !
Für das langsame Begreifen von Spielern und Publikum, wo und worauf man sich überhaupt befindet, worum man mit der Pulle des jeweiligen Wunschgetränks überhaupt hockt und was zum Euro da unten eigentlich vor sich geht, ist der Gastartikel von Paul Kirchhof in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ ein weiteres Beispiel. Kirchhof – den ich als ehemaligen designierten Finanzminister einer CDU/CSU-Regierung Merkel im Wahlkampf 2005 noch gut in Erinnerung habe, wie er armrudernd in allerlei Talkshows die strukturelle Verarmung und Ausplünderung ganzer Bevölkerungsteile als leistungsfördernd predigte – bedauert in seinem Gastartikel, daß zu Zeiten der Gründung der „Europäischen Währungsunion“ (EWU) in 1990 (damals war noch nicht einmal die DDR geschluckt) es versäumt worden war, zukünftigen „hilfsbedürftige Schuldnerstaaten“ Europas bei „Entgegennahme von Hilfszahlungen“ Auflagen in „Haushalts-, Steuer- und Sozialpolitik“ zu machen.
Was für eine aberwitzige Aussage. Kein Mensch, nicht in der damaligen DDR, nicht in einen einzigen vom Sowjetimperum teilweise noch nicht einmal befreiten osteuropäischen Staat, und auch in einem einzigen, von diversen und äußerst kapitalistischen Wirtschaftskrisen durchgeschüttelten Länder Westeuropas, wäre so bescheuert gewesen, über die Auflösung der eigenen Demokratie zugunsten einer neuen, aber diesmal tatsächlich paneuropäischen und kapitalistischen Sowjetunion auch nur eine Sekunde nachzudenken. Jeder Funktionär aus welcher Partei und in welchem (europäischen) Land auch immer, der dies damals öffentlich auch nur vorgeschlagen hätte, wäre noch am Abend des gleichen Tages ein arbeitsloser Funktionär gewesen.
Und jetzt sitzt Paul Kirchhof am Schreibtisch und bedauert, daß dies alles nicht schon in einer Erklärung einiger Staaten der „Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft“ (die EU wurde erst 1992 gegründet) vom 1. Juli 1990 festgehalten wurde, zu einem Zeitpunk, als die DDR-Blockpartei CDU und ihre große Schwester im Westen noch nicht einmal wiedervereinigt waren, die Ost-CDU aber bereits einen gewaltigen Wahlsieg bei der ersten freien Wahl am 18. März 1990 eingefahren hatte, was bestimmt nichts damit zu tun hatte daß sich die zunächst eigenständige ostdeutsche Sozialdemokratie von SDP in SPD umbenannte, um unter dem Stasi-Spitzel und Parteivorsitzenden Ibrahim Böhme fortan dann das zu machen, was ihre neue großdeutsche Schwester machte, nämlich zu verraten, zu verkaufen und vor allem zu verlieren, während der damalige SPD-Kanzlerkandidat Oskar Lafontaine, Gegner eines allzu flotten Anschlusses der DDR an Westdeutschland, am 28. April durch ein Attentat fast ermordet wurde, somit ausfiel und der SPD West unter ihrem Vorsitzenden Hans-Jochen Vogel die goldene Gelegenheit gab am 27. September 1990 schnell die Ost-Tochter zu schlucken und radikal auf CDU-Vereinigungskurs umzuschwenken.
Aber lassen wir das. Damals entschieden sich ja bloß die nächsten 22 Jahre, mit allem, was da so in der Welt passierte.
Widmen wir uns nun den nächsten 22 Jahren und der Frage, welchem Wachstum und welcher Beschäftigung in einer nanotechnologischen und eugenischen Epoche des Jahre 2034 der Satz „Die Würde des Menschen ist unantastbar“ der Wettbewerbsfähigkeit Eurasiens mit Ostasien oder Ozeanien kollektivrecht(s)extremistisch (verfassungsrechtlich) gedankenspalterisch (chiplos, aber nicht geistlos), demografisch-volksgesundheitsgefährdend (genetisch nicht manipuliert) oder gar esoterroristisch (religiös) im Wege stehen könnte.
„Ohne Recht wären wir in der Finanzkrise aller unserer Schulden ledig. Der Darlehensvertrag gälte nicht mehr, seine Verbindlichkeit wäre erloschen. Doch der Preis für diese Schuldenvernichtung wäre zu groß. Der Staat verlöre sein Gewaltmonopol, der Bürger könnte beliebig Waffen tragen und einsetzen. Die Staatsgewalt wäre nicht rechtlich geformt und gemäßigt, die Freiheit nicht garantiert. Der Markt hätte keinen rechtlichen Rahmen, Staat und Institutionen keine verbindliche Grundlage. Das soziale und kulturelle Existenzminimum für jedermann wäre nicht gesichert. Diese zentralen Errungenschaften der Moderne gingen verloren.“
Paul Kirchhof beschreibt hier den Zustand einer Kriegszone. Dabei sitzt er selbst in einer schon fast zur „Währungszone“ degenerierten Republik, deren Soldaten selbst seit über zehn Jahren Kriegszonen in Asien besetzt halten, nach Attentaten im Zentrum der führenden Militärmacht, deren 3000 Tote nicht für würdig befunden wurden Gegenstand eines einzigen zivilen Mordverfahrens oder irgendeines anderen, ganz normalen rechtsstaatlichen Gerichtsverfahrens zu werden, wobei sie andererseits gerade gut genug dafür waren in sämtlichen kriegführenden Ländern alle Bürgerrechte einzuschränken und deren Verfassungen sukzessive einzureißen, zu brechen oder in Frage zu stellen, mit aktiver Zuarbeit oder unter passiver Kollaboration – Arbeitsverweigerung, Schweigen, systematische Selbstsabotage – aller etablierter politischer Parteien und Organisationen.
Aber das würde Herr Kirchhof, dem ich jederzeit gern den Ball abnehme und schwindlig spiele, so nie sagen. Er würde es nicht einmal begreifen.
Begreifen tut Kirchhof immerhin genug, auch spät genug. Er begreift, dass man in einem Staat nicht alles zerstören darf, weil das dort verboten ist. Und er begreift, daß man auch nicht diese Staaten abschaffen sollte, weil das dort verboten ist. Und er begreift, daß man Banken, Regierungen, Militärs – im Allgemeinen „Autoritäten“, „Entscheider“, „Elite“, „Leistungsträger“, oder schlicht die Mächtigen des Faktischen genannt, die tatsächlich oder scheinbar stärkere extreme Minderheit, die über eine überwältigende Mehrheit herrscht – auch nicht erlauben sollte alles zu zerstören, auch nicht die eigenen Demokratien, ihre Rechtssysteme und ihre Verfassungen, nur weil diese damit drohen diese zu zerstören, wenn ihnen das nicht erlaubt wird.
Für einen Marktradikalen wie Paul Kirchhof ist das schon viel. Einfach Nein zu sagen, und dann auch noch gegenüber den eigenen Verwandten, den Finanzextremisten, das ist wirklich echt mutig von Paul. Mutti wird not amused sein. Der arme Paul.
Hätte Paul Mutti jetzt auch widersprochen, wenn sie überall alles zerstört hätten, aber von vornherein klar gewesen wäre, dass unser Spielfeld (mit Stadion und Würstchenbuden und Tamtam und Ehrenlogen) verschont geblieben wäre? Wäre dies überhaupt möglich gewesen?
Was wäre gewesen, wenn sie in Griechenland und Italien und Spanien und Portugal alle begriffen hätten, daß ihr Kommandeur sie nur zu ihrem besten erniedrigt und aller Rechte und Besitztümer (bis auf zeitweise zur Verfügung gestellter 1A Totmacher) beraubt? Was wäre gewesen, wenn sie begriffen hätte, „Ja, wir sind im Lager, im Camp Europa, da isses nun mal so“, alle deutsch gelernt und dann „JA SIR! NEIN, SIR! ICH WILL NOCH MEHR PEITSCHENHIEBE, SIR!“ gebrüllt hätten und nicht etwa irgendetwas Schmutziges über Imperialisten, Verräter, Kollaborateure, also ihre „Parteien“, „Gewerkschaften“ und ähnlichen einheimischen Ausschuss der Menschheit?
Und was wäre gewesen, wenn die Merkel-Regierung nicht bereits vollständig die Kontrolle über die europäischen Demokratien verloren hätte, weil deren Staatsvölker sich nun selbst neu organisieren, neue Organisationen gründen, diese wählen, beitreten und unterstützen, um sich endlich effektiv gegen die Zerschlagung ihrer als bloße „Nationalstaaten“ diffamierten Demokratien und Rechtssystem wehren zu können? Was wäre gewesen, wenn Merkel und ihr kleiner Darth Vader Dr. Seltsam Wolfgang Schäuble nicht Zugeständnisse nach Zugeständnisse an andere unter Druck stehende europäische Regierungen hätten machen müssen, wie den geplanten Ankauf von staatlichen Schuldtiteln durch den geplanten ESM, oder die direkte Ausschüttung von aberwitzigen Summen an Banken mit Sitz in Spanien, ohne wie bisher über den Umweg über die staatlichen Haushalte, was bisher den maximal profitablen, perfiden und zynischen Effekt hatte, daß der Raub deutscher Staatsgelder z.B. dem griechischen, irischen und portugiesischen Staatshaushalt als neue Schulden obendrauf gepackt werden konnte, während jeder einzelne verdammte Cent nur an die Banken und Finanzgläubiger ging, zur Bezahlung von deren Zinsforderungen?
Und was wäre gewesen, wenn die Menschen in Deutschland schlicht begriffen hätten, daß EZB und EFSF nie für irgendetwas anderes nötig waren als zur Plünderung der Staatskassen bis zu deren Zusammenbruch, weil der Frankfurter Währungsdiktator jederzeit die durch Banken-Streik und somit Kredit- und Geldmangel entstandenen Staatsfinanzkrisen durch simples Gelddrucken lösen könnte? Und das nicht einmal im Verstoß gegen geltendes EU-Recht, ohne die im Umlauf befindliche Geldmenge zu erhöhen und ohne selbst die eigene Bilanz auch nur mit einem einzigen Cent zu belasten? (Cäsar Trichet, Epaminondas Wulff und das “Securities Markets Programme” (SMP) der EZB)
Was wäre gewesen, wenn die Menschen in Deutschland klug – und das heisst: geübt – genug wären zu begreifen, daß stattdessen der Währungsdiktator den Banken über 1 Billion Euro druckte, obwohl sie schon wegen ihres abgesprochenen weltweiten Kreditstreiks im Geld ersoffen, und die Banken nun liquiditätsgurgelnd ihre geschenkte Billion größtenteils einfach wieder als „Übernachteinlagen“ in die Einlagefazilität der EZB zurückwarfen? (820 Milliarden Euro: EZB-Gelddruckerei überschüttet die Wucherer, die schütten zurück)
Und was wäre gewesen, wenn die über ach so arbeitsscheue „Südländer“ und „Schuldensünder“ wohl informierten Bimbesbürger irgendeinen Schimmer davon hätten, daß nach der letzten Verzweiflungstat der EZB – dem Versuch die selbst erfundenen Moneten für die Superreichen durch Nullzins irgendwie von den eigenen Konten zu vertreiben – nur dazu führte, daß das Kapital der im weltweiten Kartell „Institut of International Finance“ organisierten Banken in der Einlagefazilität der EZB innerhalb eines einzigen Tages um 475 Milliarden Euro sank, dafür aber auf den Konten der EZB-Zentralbankguthaben innerhalb des gleichen Tages um 466 Milliarden Euro stieg?
Wäre dann der arme Paul vor die Öffentlichkeit von Deutschland getreten und hätte geschrieben:
„Verfassungsnot fordert Deutlichkeit: Eine Instabilität des Rechts wiegt schwerer als eine Instabilität der Finanzen.“
Bald haben wir gemeinsam uns das Spielfeld Grundgesetz, Republik, Deutschland gerettet. Und dann wird wieder scharf geschossen, wenn auch nur auf´s Tor.
Seien wir froh, daß das hierzulande, im Gegensatz zum weitaus größten Teil dieser Erde, völlig ausreicht.