Staatsanleihen-Kauf: Sarah Wagenknecht von „Guardian“ links überholt
Die Weigerung der „Europäischen Zentralbank“ (EZB) ihr Anleihenkaufprogramm SMP zu aktivieren, lässt unsere europäischen Nachbarn Italien und Spanien unter dem mörderischen Zinsdruck der Geldmärkte – mit der Unterstützung einer „breiten Front“ aller Parlamentsparteien in Deutschland, darunter Die Linke. Diese wird finanzpolitisch sogar von britischen Zeitungen mühelos links überholt.
Nicht nur viele Konservative und Besorgte in der deutschen Republik denken immer noch, die zielgerichtete Zerstörung anderer europäischer Demokratien wie Italien und Spanien würde ihnen nützen bzw die eigenen Stände und Hierarchien sichern. Auch ausnahmslos alle sich als links und sozial verstehende Organisationen verhalten sich in der derzeitigen Posse des Frankfurter Währungsdiktators um die verweigerte Reaktivierung des Staatsanleihen-Kaufprogramms SMP bestenfalls passiv, glänzen mit Inkompetenz oder befördern noch den Versuch der EZB, die Staaten über das Euro-System zur Entstaatlichung und Entdemokratisierung zu erpressen.
Zur gestrigen Weigerung der „Europäischen Zentralbank“ (EZB) das „Securities Markets Programme“ (SMP) wieder zu aktivieren, schreibt George Irvin, Autor von „Superreiche: Der Aufstieg der Ungleichheit in Britannien und den Vereinigten Staaten“, im britischen „Guardian“:
„Einmal mehr hat die EZB versagt darin zu handeln. Wie zig Ökonomen immer wieder dargelegt haben, hätte die EZB am Staatsanleihen-Markt schon vor langer Zeit intervenieren können und sollen, um die Zinsen auf Staatsanleihen nach oben hin zu begrenzen. Vor einem Jahr wäre eine solche Intervention weitaus billiger gewesen als nächsten Monat oder nächstes Jahr. Daß uns die Euro-Staatsanleihen-Krise immer noch begleitet, spiegelt die zutiefst konservative Natur sowohl des (Anm.: EZB-) Rates, als auch der (vor allem) nordeuropäischen politischen Mitte-Rechts-Klasse wieder, deren konventionelle Weisheit immer noch regiert.
Es gibt mehrere Argumentations-Stränge der Mitte-Rechten bezüglich der EZB. Die grundlegende Annahme dieser Gruppe (die mehrere prominente Mitglieder der deutschen SPD umfasst) ist, das eine explizite Obergrenze für Aufschläge auf Anleihen die EZB der Macht berauben würde, die Verschwendungssucht der Regierungen der Eurozone zu kontrollieren. (..)
Hat das Drucken von Geld inflationär gewirkt? Obwohl ein großer Teil der Mitte-Rechten (und sogar einige der Mitte-Linken) immer noch an der Sichtweise von Friedman festhalten, daß „Inflation immer und überall“ mit dem Drucken von Geld zu tun hat, zeigen empirische Beweise, daß diese Ansicht einfach falsch ist. Die Schweizer Zentralbank hat erfolgreich den Wechselkurs durch Gelddrucken begrenzt, mit unwesentlichen inflationären Konsequenzen. Weder massives QE (Anm.: Quantitative Easing) der Bank of England, noch die LTROs der EZB haben irgendeinen Anstieg der Inflation verursacht.
In Wirklichkeit fallen derzeit die Preise in der Eurozone (und in Großbritannien). Friedman selbst gab zu, daß die Sichtweise abhing von der öffentlichen Nicht-Bank-Nachfrage nach Geld abhänge und es ist genau dieser Mangel an effektiver Nachfrage, wegen dem sich der Großteil Europas in der Rezession befindet.“
Vor wenigen Tagen nun schrieb Sarah Wagenknecht, stellvertretende Vorsitzende der 2007 in Deutschland offiziell gegründeten Partei Die Linke, wiederum Ableger der 2004 mit der damaligen PDS gegründeten „Europäischen Linken“:
„Das Aufkaufen von wertlos werdenden spanischen Anleihen durch die Europäische Zentralbank und dem sogenannten Euro-Rettungsfonds wäre keine Lösung. Diese vorübergehende Maßnahme ist lediglich dazu geeignet, die Banken vor Verlusten schützen und die Kosten der Bevölkerung aufzuzwingen. Die Krise wird so nicht gelöst. Dazu muss das Kreditrisiko endlich von den Kreditgebern getragen werden. Der Staat hätte dabei zu gewährleisten, dass das Finanzsystem als öffentliches Gut erhalten bleibt und Einlagen bis zu einer Million Euro garantiert werden.“
Will man nun die europäischen Demokratien wie Spanien und Italien vor dem laufenden gezielten finanziellen Angriff und der drohenden systematischen Zerstörung bewahren, dann stimmt an dieser Aussage von Sarah Wagenknecht nichts.
Die Formulierung „wertlos werdenden spanischen Anleihen“ ist die Unterstellung eines vermeintlich demnächst drohenden Staatsbankrotts von Spanien. Wer will das? Wie rational ist das?
Der Vergleich eines Ankaufs von Staatsanleihen durch den Staatsgelder-Fonds der luxemburgischen Aktiengesellschaft EFSF mit einem Ankauf von Staatsanleihen durch die EZB im Rahmen des „Securities Markets Programme“ (SMP) geschöpftem Zentralbankgeld ist grundfalsch. Beide Vorgänge sind völlig unterschiedlich entsprechend zu bewerten. (Warum uns das “Securities Markets Programme” der EZB nützt und ein EFSF-Anleihenkauf gefährdet)
Eine Entlastung von den mörderischen Wucherzinsen, welche eine Reaktivierung des Staatsanleihen-Kaufprogramms SMP der EZB bieten könnte, ist genau das, was die Spanier brauchen und Hunderttausende dort bereits gefordert haben. Was sie weder gefordert haben, noch brauchen, sind Gewäsch und realitätsferne Ausreden für jahrelanges Nichtstun und Versagen von Parteifunktionären. Oder ist irgendjemandem aufgefallen, dass vor oder nach der von EZB, Kanzlerin Merkel und dem französischen Präsidenten Sarkozy erpressten Verfassungsänderung Spaniens im September 2011 „Die Linke“ in Deutschland auch nur einen Mucks von sich gegeben hätte? Stattdessen hängt sich diese Partei jetzt an die Izquierda Unida (Vereinigte Linke) in Spanien und heuchelt Solidarität.
Was kümmern Sarah Wagenknecht zudem die Guthaben der winzigen Minderheit einer deutschen Bevölkerung, die zum überwältigen Teil nichts oder Schulden hat? Die Bundesregierung hat bereits 2008 eine faktisch unbegrenzte Einlagensicherung, eine freiwillige Staatsgarantie auf jedes auf Konten vor sich hin ruhende Vermögen in Deutschland ausgesprochen. Und was soll diese irrationale Aussage, daß das Finanzsystem „als öffentliches Gut erhalten“ bleibt? Das müsste es erst einmal werden.
Was ausnahmslos alle sich als links und sozial verstehende Organisationen in der deutschen Republik nicht wissen, nicht wissen wollen und erst recht nicht einer durch Informationsindustrie, Finanzlobby und Bundestagsparteien bewusst belogenen Öffentlichkeit erklären: der Frankfurter Währungsdiktator hätte jederzeit die Möglichkeit die Finanznot und die daraus folgernden Krisen der Demokratien im eigenen Währungsgebiet zu beenden. Nur, das will er nicht. Sonst würde er es tun. Stattdessen versucht die Zentralbank des Euro-Systems, so Mark Weisbrot im „Guardian“ vor wenigen Tagen, weiter
„ihre regressive politische Agenda voranzutreiben.”
Selbst wenn man alle oben durch George Irvin aufgezählten Argumente weglässt, sind die von Finanzextremisten und Wirtschaftsfaschisten geschürten Ängste über eine vermeintlich drohende Inflation durch einen SMP-Staatsanleihenkauf der EZB immer noch irrational. Weder erhöht sich durch das SMP die im Umlauf befindliche Geldmenge, noch kostet das Programm den deutschen Steuerzahler einen einzigen Cent. Im Gegenteil, die EZB macht dabei Gewinn. Alle Staaten, deren Anleihen aufgekauft werden, bekommen nichts geschenkt, sondern müssen diese Anleihen wie alle anderen auch mit Zinsen zurückzahlen – aber eben z.B. mit 3 % Zinsen an die EZB und nicht mit 7 % Zinsen an die Deutsche Bank AG.
Die gestern durch den EZB-Rat abermals verweigerte Reaktivierung des SMP führte gestern, während der Staat Spanien gleichzeitig wieder einmal seine Schuldtitel auf dem Sklavenmarkt der Geldhändler feilbieten musste, zu einem erneuten Anstieg der für die spanische Gesellschaft mörderischen Wucherzinsen. Noch vor wenigen Tagen musste Spanien für seine Zehn-Jahres-Anleihen 6,43 % Zinsen an die „investierenden“ Kapitalisten der Geldmärkte zahlen. Gestern waren es 6,647 %. Und heute 7,257 %.
Kein Wunder, dass nach dem Statement von Sarah Wagenknecht die „Welt“ (die ihr Glück offenbar kaum fassen konnte) von einer „breiten Front gegen einen EZB-Anleihekauf“ gesprochen und süffisant formuliert hatte:
„In seltener Einigkeit lehnen CSU-Chef Horst Seehofer und Linksfraktionsvize Sahra Wagenknecht eine solche Aktion ab, auch FDP und SPD sind skeptisch.“
Ergänzung 19.40 Uhr
Im Laufe des Tages stimmte die spanische Regierung unter Mariano Rajoy einer weiteren Eskalation des von EZB, IWF und EU geforderten Entstaatlichungsprogramms zu. Statt Gütern und Leistungen in Höhe von 65 Milliarden Euro sollen den Spaniern und ihrem Staat nun 102 Milliarden Euro entzogen, „eingespart“ werden, mitten in der bereits laufenden Rezession. Rajoy bekundete zudem, er werde noch weitergehende Forderungen der EZB unter Mario Draghi „prüfen“.
Auch der Frankfurter Kapitalmarkt freute sich über die neue Beute. Der Aktienindex „Dax“ stieg um 4 % auf 6800 Punkte.
(…)
Artikel zum Thema:
25.08.2011 Cäsar Trichet, Epaminondas Wulff und das “Securities Markets Programme” (SMP) der EZB
Diesbezüglich scheint es da unten im Feld ein paar Verwirrungen zu geben. Hier eine kleine Darstellung der Abläufe.