Dokumentation: Die Rede von Dr. Eisenhart von Loeper, Sprecher vom Aktionsbündnis gegen Stuttgart 21 (S21) auf der heutigen 138. Stuttgarter Montagsdemonstration. Die Montagsdemo beginnt um 18 Uhr in der Schillerstraße vor dem Hauptbahnhof und führt nach der Kundgebung zum Schlossplatz.
Liebe Mitwirkende, vor zwei Wochen hat der Gerichtshof in Mannheim den Antrag eines unserer Freunde abgelehnt, mit dem der Abriss seines Wohneigentums gestoppt werden sollte.
Diese Forderung war von Rechtsanwalt Bernhard Ludwig auf 78 Seiten ganz hervorragend begründet worden. Wir Juristen haben sofort gesehen, dass entscheidende Argumente für den Baustopp bei der Gerichtsentscheidung erkennbar keine Rolle spielten, weil es nach dem Motto „einmal entschieden, immer entschieden“ verfuhr und nur auf die Rechtskraft seines Urteils aus dem Jahre 2006 pochte. Vor drei Tagen hat unser Prozessanwalt – wie es das Gesetz in solchen Fällen vorschreibt – beim VGH die Anhörungsrüge erhoben und auf 19 Seiten begründet.
Was heißt das? Es geht um den Verfassungsanspruch auf rechtliches Gehör. Das ist mehr, als es die Landesregierung politisch mit dem Gehörtwerden verheißt. Es geht um unser im Grundgesetz verbürgtes Recht (Art. 103 GG), dass staatliche Entscheidungen die Argumente der Betroffenen zur Kenntnis nehmen und in die Erwägung einbeziehen.
Seit ein paar Jahren ist auch zur Entlastung des Bundesverfassungsgerichts vorgeschrieben, die Anhörungsrüge auch bei dem Gericht zu erheben (§ 152 a VwGO), das – wie hier – eine sog. unanfechtbare Entscheidung erlassen hat. Damit steht der Mannheimer Gerichtshof vor der schier unlösbaren Aufgabe, die zahlreichen übergangenen Argumente auf kaum vorstellbare Weise zu „widerlegen“ oder das Verfahren fortzuführen und sich selbst zu korrigieren.
Ich nenne nur vier Aspekte, die das Gericht erkennbar in seine Entscheidung nicht einbezogen hat:
1. Erst nach dem Gerichtsurteil von 2006 gab es immense Kostensteigerungen, die für S21 zu einer Deckungslücke führten. Zu deren Überbrückung kam es 2009 zur Mischfinanzierung des Landes in Milliardenhöhe, obwohl es das Grundgesetz nicht zulässt. Das Gericht will das mit der Rahmenvereinbarung von 2001 gleichsetzen und ignoriert damit die unvergleichbar neue Sach-und Rechtslage.
2. Das Gericht ignoriert nicht allein den Vortrag, dass die Finanzierungsvereinbarung von 2009 nichtig ist, sondern auch, dass selbst wenn man der Gegenmeinung von Dolde folgen wollte, der Finanzierungsanteil des Landes seinem spezifischen Aufgabenanteil entsprechen müsste.
3. Eine neue Beweislage wurde mit den wissenschaftlichen Forschungsergebnissen von Dr. Engelhardt zu dem von Anfang an von der Bahn geplanten Abbau der Leistungskapazität von S 21 vorgelegt. Das Gericht erklärt das für unerheblich, weil es keine neue Sachlage sei. Auch das ist nicht haltbar, denn es ging und geht um wesentliche Prognosen, auf denen die Entscheidung beruhen soll. Wie wenig man damit neue Beweise abbügeln darf, zeigt sich daran, dass sonst gänzlich unerträglich Lug und Trug Tür und Tor geöffnet würde.
4. Schließlich gibt es eine geschichtsträchtige Besonderheit: Das Gebäude Sängerstr. 4 wird nur teilweise vom Planfeststellungsbeschluss 1.1 erfasst, den das frühere Urteil betrifft. Ein anderer Teil gehört zu PFB 1.2, unterliegt also auch deshalb gar nicht der Wirkung des Urteils von 2006.
Zum Schluss die gute Botschaft: Der Gerichtshof in Mannheim wird sich nun aufgrund der erhobenen Anhörungsrüge schweren Herzens sicher aller gerügten Verfahrensfehler annehmen. Das ist gut so, egal wie es ausgeht. Denn dann ist erreicht, dass das Bundesverfassungsgericht nicht mehr über Verfahrensfragen, sondern über die Kernfragen der substantiellen Verfassungsverstöße entscheiden wird.
Wir kämpfen weiter für das Grundrecht auf Eigentum für unseren Freund in der Sängerstraße. Wir verteidigen das Grundgesetz auch gegen die verbotswidrige Mischfinanzierung, die S21 entgegensteht. Wir setzen darauf, dass der Hüter der Verfassung, das Bundesverfassungsgericht, dem Rechnung tragen wird. Die Entscheidung ist in jedem Falle zu erwarten, bevor es zu einem Hausabriss kommen kann.
Wir sind wachsam.
WIR BLEIBEN OBEN.
Anm.: Für die Finanzierung der genannten Gerichtsverfahren sind (steuerlich nicht abzugsfähige) Spenden erwünscht an Unterstützungsfonds für Rechtsbehelfe gegen S 21
www.unterstuetzungsfondsgegenS21.de
Kontoinhaber RA Walter Zuleger
Kto Nr.: 7008059500
BLZ: 43060967
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