Ach übrigens: Wir haben zur Zeit keine Fünf-Prozent-Hürde mehr
Die Meisten in der Republik halten die Fünf-Prozent-Hürde der parlamentarischen Demokratie in Deutschland für einen Einfall des Grundgesetzes. Weit gefehlt.
Sie war eine ins einfache Bundeswahlgesetz eingepflanzte Erfindung maßgeblich der CDU, die zusammen mit SPD und CSU in den 50er Jahren Westdeutschlands durch Einführung von Erst- und Zweitstimme, Schaffung von „Direktmandaten“ und „Überhangmandaten“, Veränderung der gesamten parlamentarischen Struktur, Installation der Fünf-Prozent-Hürde, durch Intrigen und ein Parteiverbot gleich vier Konkurrenten ausschaltete: die Bayernpartei, die Deutsche Partei, die KPD und die Zentrumspartei (Zusammenfassung hier).
Mit 52 Jahren Verspätung erklärte das Bundesverfassungsgericht schließlich in 2008 die „Überhangmandate“, einen Betrug an Staatsbürgern und Verfassung seit 53 Jahren, für verfassungswidrig und ließ sie gleichzeitig in Kraft. Für eine „Übergangsfrist“.
Die Allerwenigsten wissen, dass daraufhin 2009 in den Bundestag 24 Abgeordnete der CDU und CSU einzogen, die nie gewählt wurden. (Anm.: Derzeitige Anzahl der Abgeordneten, nach Rücktritten, etc: 620. Derzeitige Anzahl der Überhangmandate: 22. Bei deren Wegfall läge also die absolute Mehrheit / „Kanzlermehrheit“ bei 299. CDU, CSU und FDP würden zusammen nur noch über 308 Abgeordnete und damit einen Vorsprung von neun Stimmen verfügen.)
Es dauerte noch einmal bis zum 25. Juli 2012, bevor die „Verfassungshüter“ Andreas Vosskuhle, Gertrude Lübbe-Wolff, Sibylle Kessal-Wulf, Michael Gerhardt, Herbert Landau, Peter Michael Huber, Monika Hermanns und Peter Müller in Urteil 2 BvF 3/11 das neue Bundeswahlgesetz ebenfalls für verfassungswidrig erkannten und es dann tatsächlich auch aufhoben. Sofort. Ohne „Übergangsfrist“ von Verfassungswidrigkeit. Ausnahmsweise.
Damit gibt es zur Zeit weder ein „Wahlrecht“ (natürlich gibt es das, es gibt nur kein Bundeswahlgesetz), noch eine Erst- und Zweitstimme. Es gibt keine „Direktmandate“, keine „Listenmandate“, keine „Überhangmandate“ und auch keine Fünf-Prozent-Hürde unserer Demokratie mehr.
Es gibt nur noch diesen unmittelbaren Befehl unserer Verfassung an den Staat und dessen Diener:
Artikel 38
(1) Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages werden in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl gewählt. Sie sind Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen.
(2) Wahlberechtigt ist, wer das achtzehnte Lebensjahr vollendet hat; wählbar ist, wer das Alter erreicht hat, mit dem die Volljährigkeit eintritt.
(3) Das Nähere bestimmt ein Bundesgesetz.
Ist das nicht schön?
Genießen wir diese Tage, solange die Prostituierten in unserem Parlament sich nicht wieder darauf geeinigt haben, wie sie unter Ihresgleichen bleiben wollen.